Sechs Reiterinnen haben sich auf dem Ritzenhof in Elsdorf-Niederembt versammelt. Ihre Pferde sind gestriegelt.
Sie warten auf jemanden, der für die Reiterei wichtig ist. Sie warten auf einen Sattler: Jo Viehoff. Pauline Hanen ist die Besitzerin des familiären Pensionsstalles. Sie hat für ihre Einsteller den Termin arrangiert. Das gehört für sie zum Service.
Der Beruf des Sattlers ist einer der ursprünglichsten Handwerksberufe. Schon in der Steinzeit haben Menschen Felle zu Leder gegerbt und verarbeitet. Das bestätigt Jo Viehoff, als er zusammen mit seinem Auszubildenden Dani das erste Pferd in Augenschein nimmt. Es ist Friesenstute Hannah. Ihre Besitzerin Steffi Jaskowiak aus Elsdorf hat gleich zwei Sättel, die überarbeitet werden müssen.
Elsdorf: Ein guter Sattel gleicht Schwächen des Reiters aus
Jo Viehoff legt den ersten Sattel auf, drückt ihn im vorderen Bereich runter. "Der Sattel drückt in den Muskel", erklärt er und fährt fort: "Wenn der Muskel zu viel Druck aushalten muss, kann er nicht wachsen." Mehr noch: Irgendwann wird es für das Pferd schmerzhaft. Das will kein Reiter.
Der Sattel ist das Bindeglied zwischen Pferd und Reiter. Ein guter Sattler hilft, dass die Kommunikation zwischen den beiden Partnern gelingt. Dabei unterstützt der Sattler auch den Reiter, um mit dem Sattel dessen körperlichen Schwächen auszugleichen.
"Die Pferde haben sich im Vergleich zu früher extrem geändert. Sie sind feingliedriger geworden, dadurch aber auch druckempfindlicher", sagt Viehoff. Zwar könnten Pferde recht lange Druck aushalten, doch es gebe Grenzen. Würden die überschritten, komme es zu Problemen.
Sattler kommt wie schon im Mittelalter zu seinen Kunden
Seit 47 Jahren ist der 71-Jährige als fahrender Sattler unterwegs. Schon im Mittelalter kamen Sattler zu ihren Kunden. Erst war Jo Viehoff jedoch Schuster. Da er selber Dressurreiter ist, begann er, seine eigenen Sättel auszubessern, anzupassen und zu polstern. Später entschied er sich, den Beruf des Sattlers zu ergreifen.
"Meinen Meister habe ich bei der Society of Master Saddlers im englischen Suffolk gemacht", erzählt er und gibt seinem Lehrling Dani den ersten Sattel mit. "Mach’ das Kopfeisen vorne etwas enger", sagt er und erklärt: "So kann Dani die Kammerweite des Sattels anpassen." Auf einer kleinen Werkbank im Kofferraum liegt das Werkzeug bereit.
"Gut, dass ich einen Azubi habe", sagt Jo Viehoff lachend. So wie er es gemacht habe, werde auch Dani demnächst nach England gehen, um sich weiterzubilden. In Deutschland ist es ein klassischer Ausbildungsberuf mit drei Lehrjahren. Je nach Betrieb erlernt man die Richtung Reitsportsattlerei, Fahrzeugsattlerei oder Feintäschnerei.
Viel Handarbeit, aber auch Unterstützung durch den Computer
"Es ist ein schöner Beruf", sagt Jo Viehoff und erklärt: "Es ist immer noch viel Handarbeit. Aber das Leder wird inzwischen computergesteuert zugeschnitten. Die Programme erkennen selbst Mängel im Leder." Auch die Stickereien erfolgen maschinell. "Der Sattel selbst kann nur per Hand zusammengesetzt werden. Und auch das Polstern erfolgt händisch."
Computer helfen obendrein direkt am Pferd. Dabei kann der Sattler das Zusammenspiel der Kraftwirkungen zwischen Pferd, Sattel und Reiter mit einer Analysesoftware auswerten. Zu sehen sind dann unerwünschte Druckspitzen am Rücken.
Jo Viehoff hat ein geschultes Auge. Als der Sattel von Friesenstute Hannah fertig ist, muss Steffi Jaskowiak vorreiten – Schritt, Trab, Galopp. "Die Stute hat jetzt mehr Schulterfreiheit. Sie kann sich besser bewegen", sagt Jo Viehoff zufrieden, während Dani beim Pferd von Pauline Hanen die Passgenauigkeit ihres Sattels überprüft.
Jo Viehoff nimmt den Sattel schließlich doch mit in seine Werkstatt, wo auch Maß-Sättel angefertigt werden. Dort arbeitet auch seine Tochter Joyce und stellt passgenaue Reitstiefel her. Für den Beruf des Sattlers ist neben handwerklichem Geschick und Kreativität vor allem die Liebe zu Pferden nötig. © Kölner Stadt-Anzeiger
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