Wenige Stunden, bevor er am Freitagabend mit seinen Kollegen Marcel Biewald und Michael Hilgers die Zehn-Zentner-Bombe in Köln-Merheim gesprengt hat, steht Dirk Putzer vom Kampfmittelbeseitigungsdienst (KBD) der Bezirksregierung Düsseldorf vor der Einsatzzentrale von Ordnungsamt und Feuerwehr am Schulzentrum Ostheim.

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Im Gespräch mit Journalisten verrät der 57-jährige gelernte Betriebsschlosser, warum er seine Arbeit seit 30 Jahren "gerne" macht, wie er überhaupt dazu gekommen ist – und was seine Frau und seine Kinder über seinen Beruf denken.

Herr Putzer, wie wird man Entschärfer?

Ich hatte in der Zeitung eine Annonce gelesen, dass der KBD Personal sucht und bin über ein normales Auswahlverfahren zum Beruf des Kampfmittelräumers gekommen.

Was hat Sie daran gereizt?

Man guckt sich den Beruf an und fragt sich: Ist das was für mich oder nicht? Mich hat die ganze Zündertechnik interessiert. Und weil damals auch der Arbeitsmarkt ein bisschen schlecht war, wollte ich einen sicheren Arbeitsplatz.

Ist das Ihr Ernst?

(lacht) Ja, der Arbeitsplatz ist sicher, ich stehe ja noch hier.

Wie viele Bomben haben Sie denn schon entschärft?

An die 100, würde ich sagen. Es dauert eine ganze Zeit lang, bis man eigenständig an den Bomben arbeiten darf. Man macht Lehrgänge, und dann ist es bei uns so, dass man sehr viel Erfahrung von den alten Kollegen mitbekommt. Nach dem Krieg sind viele verunglückt bei Bombenentschärfungen. Da musste erstmal ein Knowhow geschaffen werden, wie man so ein Ding unschädlich macht.

Wie oft entschärfen Sie eine Zehn-Zentner-Bombe wie in Köln-Merheim?

Große Bomben gibt es nicht jeden Tag. Wir haben viel mit Kleinmunition zu tun, kleine Granaten und kleine Bömbchen, die wir so mitnehmen können.

Wenn Sie morgens aufstehen und wissen, Sie müssen gleich eine Bombe entschärfen, was geht dann in Ihnen vor?

Nix.

Kein Nervenkitzel?

Man hat natürlich eine gewisse Grundspannung bei jeder Bombe. Das sind ja Relikte, oft schwierig zu entschärfen, weil das Material schon marode ist. Vor solchen Gegenständen hat man natürlich Respekt. Aber dann arbeiten wir unseren Stiefel runter, wir sind dafür ausgebildet. Wir sind nicht zwangsverpflichtet worden. Wir machen unsere Arbeit gerne.

Was sagt Ihre Familie zu Ihrem Beruf?

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Wir fangen als Munitionsräumer an und werden dann später zu den Truppführerausbildungen geschickt. Ich habe natürlich mit meiner Familie vorher darüber gesprochen. Ich habe drei Kinder. Die haben alle gesagt: "Papa, wir haben volles Vertrauen in dich, du schaffst das." Und dann habe ich gesagt: Okay, wenn das alles passt, dann schlägst du diese Laufbahn ein.

Ist Ihre Familie auf den Worst Case vorbereitet?

Tja, ist man darauf vorbereitet? Wenn Sie jetzt rausgehen und haben einen Unfall, ist die Familie darauf vorbereitet? Oder Sie werden von dem berühmten Dachziegel getroffen. Auf den Tod kann man sich nicht vorbereiten. Das sind Schicksalsschläge. Wir können hier heute alle zusammenstehen und morgen fehlt einer aus der Runde, aus welchem Grund auch immer. Meine Familie weiß, was ich tue. Und wir sind ja nicht Bruder Leichtfuß. Wir wollen schon abends wieder nach Hause kommen. Wir sind sehr gut vorbereitet. Manche meinen, der Beruf ist sehr risikobehaftet. Natürlich ist da immer ein Risiko dabei, darüber müssen wir uns nicht unterhalten, dafür sind die Relikte zu alt und vom inneren Mechanismus noch so intakt, dass sie jederzeit umsetzen könnten. Aber man lernt in diesem Beruf, damit umzugehen.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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