Für die nächsten Jahre sieht es sogar noch schlechter aus: Dann könnte das jährliche Defizit bis 2028 auf 60 Millionen im Jahr steigen, falls die Stadt nicht gegenlenkt.

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Diese Zahlen präsentierte Kämmerer Thomas Schaaf im Haupt- und Finanzausschuss, wo er einen Zwischenbericht über die aktuelle Finanzlage der Stadt gab und auch ein Blick in die Zukunft wagte.

Grund für die Misere ist insbesondere ein sich abzeichnender starker Rückgang der Gewerbesteuer aufgrund der allgemein schlechten Wirtschaftslage. Dazu kommen steigende Ausgaben etwa durch höhere Personalkosten und teurer gewordene Bauprojekte. Zudem fallen auch andere Einnahmequellen geringer aus als ursprünglich kalkuliert. So sinken die Einnahmen etwa durch geringere Schlüsselzuweisungen durch das Land in Höhe von circa neun Millionen Euro.

Noch im vorigen Jahr sprudelten die Kerpener Steuerquellen

Noch im Jahr 2023 sah es anders aus. Da sprudelte in Kerpen noch die Gewerbesteuer, die die ansässigen Firmen an die Kommune zahlen. Beim Jahresabschluss 2023 konnte so sogar ein Plus von 41 Millionen Euro erzielt werden, womit insbesondere die Rücklage der Stadt angefüllt wurde. Die liegt nun bei 88 Millionen Euro, soll Ende des Jahres aber schon auf 55 Millionen Euro abgeschmolzen sein.

"Wir laufen in ein massives Minus hinein", fasste Schaaf die Zahlen im Ausschuss zusammen. Um für die nächsten Jahre "genehmigungsfähige Haushalte" vorzulegen, müsse sich die Stadt erheblich "strecken", ansonsten drohten massive Steuererhöhungen. Wolle man das Defizit etwa durch eine Erhöhung der Grundsteuern ausgleichen, müsste sich diese in den nächsten Jahren "verdreifachen".

Grundsteuer B zahlen etwa alle Hausbesitzer an die Stadt. Sie beträgt für ein durchschnittliches Reihenhaus im Moment circa 500 Euro im Jahr. Da sie auch auf Mieter umgelegt wird, wären fast alle Kerpener Haushalte von einer Erhöhung der Grundsteuern betroffen.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Ripp nannte die Zahlen "dramatisch". Grünen-Fraktionschef Peter Abels fand es "erschreckend", wie schnell sich die Zahlen innerhalb kürzester Zeit verschlechterten. Schaaf betonte, immer wieder schon frühzeitig vor dem Negativ-Trend gewarnt zu haben. Die Stadt habe in den vergangenen Jahren zu wenig getan, um Ausgaben zu reduzieren.

Bürgermeister Dieter Spürck (CDU) wies darauf hin, dass andere Kommunen ähnliche Probleme hätten. Es gebe bundesweit einen negativen Trend bei der Gewerbesteuer. Nun sei für die Stadt die "Zeit des Ehrlichmachens gekommen". Es müsse massiv gespart werden. Das werde "keinen Spaß" machen. Wo konkret gespart werden kann, darüber wurde im Ausschuss noch nicht gesprochen. Das wird Thema bei den zukünftigen Haushaltsberatungen sein.

Mit dem Gymnasium kommt ein weiterer Brocken auf Kerpen zu

Klar ist, dass mit dem geplanten Neubau des Kerpener Gymnasiums ein weiterer extrem schwerer Brocken auf die Stadt zukommt. Die Schule könnte 2030 fertiggestellt sein und bezogen werden, hieß es nun im Ausschuss. Zuletzt wurden die Neubaukosten auf rund 230 Millionen Euro geschätzt.

Dabei, so berichtete Baudezernent Thomas Marner, könnten die Kosten zumindest etwas reduziert werden: So solle das Foyer der neuen Schule nun kleiner als ursprünglich geplant ausfallen, was 1,5 bis zwei Millionen Euro spare. Zudem könnten die Standards bei der Bauausführung etwas gesenkt werden, etwa bei den Fliesen, was zu einer Million Euro weniger Kosten führe.

An vielen Stellen soll in Kerpen nicht gespart werden

Auch solle etwa auf eine Überdachung der Fahrradabstellanlage für die neue Schule verzichtet werden, was ebenfalls mit einer Million Euro weniger zu Buche schlage. In der Summe ließe sich so bei dem Bauprojekt vier bis fünf Millionen Euro einsparen. Nicht angetastet werden solle aber die geplante Regenwasserzisterne (150 000 Euro) und die Dachbegrünung (500 000 Euro). "Auch die automatische Klassenraumbelüftung bleibt."

Die FDP geht dabei auf Distanz zur geplanten Finanzierung des Projektes durch die Stadt über Kredite. Sie schlägt stattdessen zum wiederholten Male vor, den Bau des Gymnasiums im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) zu vollziehen. Dabei würde das Gymnasium von einer Privatfirma gebaut und dann von der Stadt etwa für die nächsten 25 Jahre gepachtet.

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Ob ÖPP-Modelle auf Dauer für Kommunen günstiger sind, als selber zu bauen, hängt vom Einzelfall ab und ist umstritten. Kämmerer Schaaf weist darauf hin, ein ÖPP-Modell für das Kerpener Gymnasium schon einmal durchgerechnet zu haben – mit negativem Ergebis. ÖPP sei nicht in jedem Fall ein "Allheilmittel". Die FDP fordert darüber nun eine öffentliche Diskussion in Kerpen.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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