Martin Stöckl hat lange überlegt, ob er diese E-Mail schreiben soll. "Eigentlich ist es nicht unsere Art, unfertige Ideen zu verbreiten", sagt er.
Und eigentlich will er sein "drittes Baby", wie er seinen Kinderschuhladen nennt, auch gar nicht unbedingt aufgeben. Dennoch haben hunderte Kunden von "Step by Step" diese Mail erhalten, in der Stöckl fragt, ob sich jemand vorstellen könnte, den Laden in Schlebusch zu übernehmen.
Eltern leben in Österreich
Stöckl kommt gebürtig aus Österreich, seine Eltern leben noch dort und haben langsam ein Alter erreicht, in dem sie über kurz oder lang wohl auf Hilfe angewiesen sein werden. Und Stöckl weiß: Dauerhaft aus der Ferne kann er sein Schuhgeschäft nicht führen: "Ich bin hier alles, vom Hausmeister bis zum Einkäufer." Kurze Strecken könnten seine zwei Mitarbeiterinnen im Verkauf alleine überbrücken, aber einer müsse den Laden managen. Und wenn er das aus familiären Gründen möglicherweise nicht mehr sein kann, hofft er, jemanden zu finden, der dem Geschäft "eine gute Zukunft ermöglicht." Das ist dem 52-Jährigen wichtig.
Vorerfahrung in Sachen Kinderfüße müsse dafür nicht unbedingt vorhanden sein, Stöckl selbst ist als Fachfremder in das Gebiet eingestiegen. Nach seinem Hotelmanagement-Studium hat er in vielen Ländern der Welt und auf Kreuzfahrtschiffen als Berater gearbeitet, bis ihn die Liebe nach Leverkusen zog. Als die erste Tochter laufen lernte, fuhr er mit ihr immer zu "Uwe's Schuhbox" in Bergisch Gladbach, dem einzigen Fachhändler in der Gegend. "Da war es immer voll und man musste warten und irgendwann habe ich mir gesagt: Das kannst Du doch auch", erinnert sich der Familienvater.
Also hat er sich in die Materie eingearbeitet, ein Diplom abgelegt und schließlich seinen Hoteljob gekündigt und im Jahr 2009 das Geschäft an der Mülheimer Straße in Schlebusch eröffnet. Das Konzept ging auf, 2014 kam ein weiterer "Step by Step"-Laden in Langenfeld hinzu, den er mittlerweile an eine frühere Mitarbeiterin verkauft hat. Bereut hat er den Umstieg auf Kinderschuhe nie: "Es ist eine sinnvolle Aufgabe, falsches Schuhwerk kann viel Schaden an Kinderfüßen anrichten", sagt Stöckl. "Außerdem bekommt man viel Dankbarkeit zurück, von den Eltern, die sich gut beraten fühlen und von fröhlichen Kindern." Manche, die er in der Anfangszeit mit Babyschuhen ausgestattet hat, seien ihm mittlerweile über den Kopf gewachsen. "Wir haben viele langjährige Stammkunden, da baut man auch eine Bindung auf." Deswegen sei es ihm auch so wichtig, dass das Geschäft erhalten bleibe, unabhängig von seiner persönlichen Zukunft.
Wer den Laden einmal übernehmen wolle, brauche vor allem zwei Dinge, sagt der Inhaber: "Willen und Begeisterung für das Geschäft." Alles Weitere würde er in einer Übergangsphase weitergeben. "Und man sollte mit Kindern können", fügt er noch an.
Das Geschäft mit Kinderschuhen sei auch trotz florierendem Internethandel kein Auslaufmodell, betont er. Das habe er ganz deutlich in der Coronapandemie gesehen. "Das war eine harte Zeit, wir mussten den Laden zweimal schließen, ausgerechnet in den wichtigsten Phasen im Frühjahr und im Herbst", erinnert sich Stöckl. "Am ersten Tag, als wir wieder aufmachen durften, stand eine Schlange die ganze Straße hinunter." Rund 80 Paar Schuhe habe er an diesem Tag in den beiden Filialen zusammen verkauft. Die Kunden sind treu geblieben und nicht ins Internet abgewandert. © Kölner Stadt-Anzeiger
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