Es wird noch dauern, bis Leverkusen einen Bahnhof bekommt, der auf Besucher nicht grotesk wirkt. Wie sich jemand fühlt, der zum ersten Mal mit dem Regionalzug oder der S-Bahn ankommt, beschreibt Jan Busemeyer am Mittwoch so: "Wenn man aussteigt, hat man das Gefühl: Da darf schon was passieren."
Der Hamburger hat das Glück, als Architekt tatsächlich etwas passieren zu lassen an dem Bahnhof, der immer noch Leverkusen Mitte heißt. Mit den Landschaftsplanern von "Kraft.Raum" hat Busemeyer nämlich nicht nur den Wettbewerb gewonnen, sondern auch das sich anschließende Vergabeverfahren. Busemeyers nächste Reise nach Leverkusen diente somit dem Zweck, einen Vertrag mit der Stadtentwicklungsgesellschaft Wiesdorf/Manfort zu unterzeichnen. Die SWM ist vom Stadtrat beauftragt, auch den Problemfall Bahnhof zu lösen. Und so wie es aussieht, könnte das gelingen.
Allerdings wird es Zeit brauchen. "Fünf Jahre" nannte SWM-Geschäftsführer Björn Krischick in seinem Büro als Zeitraum für die Verwirklichung des Entwurfs: Zwei Jahre werde es dauern, die Aufgaben abzuarbeiten, die ein Bebauungsplan aufgibt. Danach muss die Baugenehmigung gemacht werden – und schließlich gebaut. Und zwar ein zweiteiliges Ensemble aus dem eigentlichen Bahnhof und dem Fahrrad-Parkhaus neben weiteren Funktionseinheiten, etwa einem Aufenthalt für Busfahrer. Auf Baukosten wollte sich Krischick am Mittwoch nicht öffentlich festlegen. Aber mit "einem niedrigen zweistelligen Millionenbetrag" sei zu rechnen.
Dafür bekommt die Innenstadt ein Entrée, das aus einem sechsgeschossigen Gebäude gegenüber des Rialto-Boulevards besteht. In gut einem Drittel gehen die Bauteile auf, die bisher eher provisorisch überdacht wurden nach der Inbetriebnahme des weiteren S-Bahn-Gleises und der neuen Bahnsteige: die Treppe, der Aufzug und eine Abstellfläche. Im linken Gebäudeteil soll das unterkommen, was zu einem richtigen Bahnhof gehört: also auch ein Reisezentrum, "in dem man alle Arten von Fahrkarten kaufen kann", zitiert Krischick aus einer Absprache mit der Wupsi. Die kommunale Busgesellschaft soll das Reisezentrum betreiben. Damit steht die Zusage: Es wird weiterhin nicht nur Automaten geben, sondern Menschen als Berater.
Damit der Verkehrsteil des neuen Bahnhofs Raumwirkung bekommt, hat das Büro blrm von Jan Busemeyer zwei Geschosse dafür vorgesehen. Nur eins: "Das wäre kein Bahnhof gewesen." Dort regiert Beton – teils in Form von Bögen – als Baumaterial. In den vier Geschossen darüber allerdings setzen die Hamburger Architekten auf Holz. Das sei gut für die CO₂-Bilanz des Gebäudes und sicher auch ein gutes Argument bei der Vermarktung der rund 2600 Quadratmeter Bürofläche in dem mit 15,50 Meter Breite eher schmalbrüstigen Gebäude.
Dass Bedarf herrscht an neuen Büros in der Wiesdorfer City, weiß nicht nur SWM-Chef Krischick aus eigener, leidvoller Erfahrung: Markus Martens, dessen Wirtschaftsförderung Leverkusen gerade den jährlichen Büromarkt-Bericht anfertigt, untermauert das mit frischen Zahlen: 2024 habe die Leerstandsquote in der ganzen Stadt bei "2,3 bis 2,4 Prozent" gelegen. Immobilienexperten wissen, dass solche Quoten einen Mangel charakterisieren. "Der Bedarf ist also da", so der WfL-Chef. Und zeigt Vorfreude auf das Projekt: "Das ist mal wieder was, womit wir auf 'ner Expo Real werben können." Also der wichtigsten Messe für Geschäftsimmobilien in München.
Wesentlich leichter dürfte die Vermarktung der Büros werden, wenn man mit dem Standort "Leverkusen Hauptbahnhof" werben könnte. Die Umbenennung, das wissen die SWM-Aufseher Stefan Hebbel (CDU) und Milanie Kreutz (SPD), wird langwierig und teuer. Sie sei aber noch wichtiger als das, was die Bürger während des Architektenwettbewerbs als unverzichtbar angemahnt hatten: die Bahnhofsuhr.
Um den neuen Bahnhof nicht so schwer wirken zu lassen und der dort zubetonierten City weiteres Grün zu spendieren, hat Busemeyer in Abstimmung mit dem Düsseldorfer Landschaftsarchitekten René Rheims im sechsten Geschoss eine Dachterrasse mit Bäumen vorgesehen. Platz für eine Bar? Eher nicht, glaubt Bauherr Krischick: Die Erschließung sei schwierig; aus seiner Sicht passt eine solche Terrasse auch sehr gut zu einer Büronutzung. Gegen den Schall soll ganz oben eine Verglasung helfen. Weiter unten setzt Architekt Busemeyer auf eine Verklinkerung. Denn nur mit Holzbau ist dem Bahnlärm nicht beizukommen.
Noch schmaler wird das Grundstück nebenan in Richtung Forum. Dort haben die Architekten auf rund 100 Meter eingeschossige und kleine Gebäude aufgereiht. Dazwischen sind jeweils kleine Patios, ebenfalls begrünt. In einem der Pavillons sollen Busfahrer einen weiteren Aufenthaltsraum bekommen. Aus den anderen wird das Fahrrad-Parkhaus geformt.
Anders als in Opladen wird es aufgeteilt. Das ermöglicht auch unterschiedliche Zugänge: Es soll abschließbare Bereiche geben, analog zum bisher kaum genutzten Großteil des Opladener Rad-Parkhauses. Andere Teile des Wiesdorfer Baus aber werden frei zugänglich sein: Für Menschen, denen ein offener Fahrradständer reicht. Die Kapazität wird zwischen 400 und 450 Rädern liegen. Das liege deutlich unter dem derzeit ermittelten Bedarf, betont Björn Krischick: etwa 700 Stellplätze.

Vorteil gegenüber dem bisherigen Problemfall Opladen dürfte in Wiesdorf sein, dass der Radweg von der sehr stark befahrenen Dhünn-Strecke zwischen Rad-Parkhaus und Gleisen entlang führt. Wer auf die Bahn umsteigt, hat nur ein paar Meter zurückzulegen. Schließlich nervt Pendler nichts mehr als lange Wege zwischen den Verkehrsmitteln. © Kölner Stadt-Anzeiger