Am Tag nach dem tödlichen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg am Freitagabend werden immer mehr Details über den Täter bekannt.
Taleb A. trat in den sozialen Netzwerken als radikaler Islam-Kritiker auf und veröffentlichte noch kurz nach seiner Todesfahrt über den Alten Markt in Magdeburg mehrere Videos auf seinem X-Account.
Dort erhebt der saudische Arzt, der in Bernburg zwischen Magdeburg und Leipzig gearbeitet hat, schwere Vorwürfe gegen deutsche Behörden, darunter auch die Staatsanwaltschaft in Köln. Mehrmals ist in den Videos ein Schriftstück der Kölner Behörde zu sehen. Taleb A. erhebt dort auch Vorwürfe gegen einen in Köln ansässigen Verein, der in der Flüchtlingshilfe aktiv sein soll.
Mutmaßlicher Attentäter hatte Kontakt zur Staatsanwaltschaft in Köln
Der mutmaßliche Attentäter hatte nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeiger" tatsächlich im vergangenen Jahr schriftlichen Kontakt mit der Staatsanwaltschaft in Köln. Im Februar 2023 soll Taleb A. demnach den Verein angezeigt haben.
Weil gegen einen Verein nicht ermittelt werden kann, prüfte die Staatsanwaltschaft daraufhin Ermittlungen wegen Untreue gegen die Vorsitzende des Vereins, lehnte die Aufnahme eines Strafverfahrens im Folgenden allerdings ab – und teilte die Entscheidung A. im März 2023 auch mit. Dies bestätigte Ulrich Bremer, der Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft, dem "Kölner Stadt-Anzeiger" am Samstagvormittag.
Staatsanwaltschaft in Köln lehnte Ermittlungen ab
Am Freitag behauptete Taleb A. dann in seinen jüngsten Videos, der USB-Stick sei ihm von deutschen Behörden gestohlen worden und warf der Bundesrepublik vor, er dürfe keine Kamera an seinem Briefkasten installieren oder eine Waffe tragen. Von Sozialismus in Deutschland war in den wirren Videos aus dem X-Profil mitunter die Sprache.
Im Ablehnungsbescheid der Behörde heißt es einleitend, ein Strafverfahren setze unter anderem voraus, dass die Aufklärung des angezeigten Sachverhalts "grundsätzlich möglich" erscheint. Offenbar sah die Staatsanwaltschaft dies bei den Anschuldigungen von Taleb A. nicht gegeben. Er habe keine "tauglichen Beweismittel" vorgelegt, begründet die Behörde ihre Entscheidung. Auch sonst seien Beweismittel "nicht ersichtlich", heißt es in dem Ablehnungsbescheid. Die Einleitung von Ermittlungen komme daher nicht in Betracht.
Kölner Organisation erstattete Anzeige gegen Taleb A.
Taleb A. warf einem Mitglied einer Kölner Flüchtlingshilfeorganisation nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeiger" zudem die Belästigung von drei saudischen Frauen vor und erstattete Anzeige. In ihrer Vernehmung beschrieben die Frauen daraufhin Situationen mit dem Mitglied der Flüchtlingshilfe, die sie als unangemessen empfunden hätten. Einen Strafantrag lehnten sie jedoch ab. Der Beschuldigte bestritt die Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft teilte Taleb A. daraufhin mit, dass die Ermittlungen eingestellt wurden.
In privaten Chats äußerte sich Taleb A. wirr zu dem Verfahren. Er beschuldigte die deutschen Behörden, sich absichtlich und wissentlich hinter eine ebenfalls von ihm beschuldigte Aktivistin der Flüchtlingshilfe zu stellen, sprach von orchestrierten Angriffen von Drogenabhängigen und vermutete offenbar eine Verschwörung seiner eigenen Rechtsanwälte gegen ihn.
Die Flüchtlingshilfe, gegen die sich die Vorwürfe richteten, zeigte sich am Samstagnachmittag in einem Statement bestürzt über den Anschlag und sprach den Opfern und Hinterbliebenen ihr Beileid aus. Der mutmaßliche Attentäter "war zu keinem Zeitpunkt Mitglied unseres Vereins und wir distanzieren uns aufs Schärfste von ihm", schreibt die Organisation. "Ursprünglich bestand die Überlegung einer Zusammenarbeit, um die Hilfe für atheistische Geflüchtete aus Saudi-Arabien zu koordinieren. Diese Kooperation scheiterte jedoch." Ein Jahr später hätten Mitglieder der Flüchtlingshilfe "nach übelsten Verleumdungen und verbalen Angriffen" Anzeige gegen Taleb A. erstattet. Das Landgericht habe A. daraufhin aufgefordert, die betreffenden Posts in den sozialen Medien zu löschen.
Videos bei X veröffentlicht: Taleb A. ist AfD-Anhänger und Musk-Fan
Taleb A. macht in seinen Videos die deutschen Behörden, insbesondere auch die Polizei, für die angebliche Unterstützung einer Islamisierung in Deutschland verantwortlich.
Der Arzt, das geht aus seinem X-Profil und einem früheren Interview hervor, ist ein Anhänger der AfD und von Tech-Milliardär Elon Musk, der noch wenige Stunden vor dem Attentat eine Wahlempfehlung für die in Teilen rechtsradikale Partei ausgesprochen hatte. Auch lobende Beiträge zu AfD-Chefin Alice Weidel finden sich auf dem Profil des mutmaßlichen Attentäters. © Kölner Stadt-Anzeiger
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