Weimar/Erfurt - Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat das Auskunftsrecht von Landtagsabgeordneten gegenüber der Landesregierung gestärkt.
Die Verfassungsrichter gaben einer Klage zweier AfD-Landtagsabgeordneter teilweise statt, mit der die Politiker die Herausgabe sowohl allgemeiner als auch spezieller Informationen zum Umgang des Thüringer Verfassungsschutzes mit Fake-Accounts in den sozialen Netzwerken erzwingen wollten.
Die eher allgemeinen Informationen zu diesem Themenkreis hätte die Landesregierung den Abgeordneten geben müssen, sagte der Präsident des Verfassungsgerichts, Klaus von der Weiden. Dazu gehöre zum Beispiel die Angabe darüber, wie viele Fake-Accounts der Verfassungsschutz in den sozialen Netzwerken nutzt. Aus dieser Information alleine ließen sich keine konkreten Rückschlüsse ziehen, an welchen genauen Orten im digitalen Raum der Verfassungsschutz aktiv sei.
Spezielle Informationen können verweigert werden
Anders sei es mit Angaben darüber, welche Chatgruppen der Verfassungsschutz in der Vergangenheit möglicherweise selbst erstellt habe. Durch die Nennung einzelner Chatgruppen würden eindeutige Rückschlüsse auf die Arbeit des Amtes möglich und Quellen des Nachrichtendienstes vielleicht enttarnt.
"Die Enttarnung der Accounts würde die Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes so erheblich beeinträchtigen, dass das Risiko nicht hingenommen werden kann", sagte von der Weiden. Deshalb könne die Landesregierung die Herausgabe dieser speziellen Information zu diesem Themenkomplex verweigern.
Darum ging es beim Rechtsstreit
Hintergrund des Rechtsstreits ist eine Kleine Anfrage der AfD-Abgeordneten Ringo Mühlmann und Torben Braga aus dem Jahr 2022 an die Thüringer Landesregierung. Darin hatten sie unter anderem wissen wollen, wie viele Fake-Accounts in welchen sozialen Netzwerken und Chatgruppen der Verfassungsschutz in Thüringen nutzt. Sie hatten auch gefragt, wie viele und welche Gruppen in sozialen Netzwerken der Verfassungsschutz seit 2015 selbst erstellt und betrieben hatte. Die Landesregierung hatte diese und ähnliche Fragen nur ausweichend oder gar nicht beantwortet und dabei mit einem Geheimhaltungsinteresse im Zusammenhang mit der Arbeit des Verfassungsschutzes argumentiert.
Einige der gegebenen Antworten der Landesregierung auf die insgesamt neun Fragen von Mühlmann und Braga erklärte das Gericht für zulässig. Gleichzeitig gab das Gericht in seinem Urteil zu bedenken, dass die Landesregierung mehr als eine Möglichkeit hat, mit Fragen umzugehen, deren Beantwortungen beispielsweise die geheime Arbeit eines Nachrichtendienstes betrifft.
Auskunftsrecht von Abgeordneten als demokratische Kontrolle
Die Landesregierung könne die entsprechenden Angaben nicht nur verweigern. Sie könne den Abgeordneten solche Fragen auch unter der Maßgabe beantworten, dass dabei Geheimschutzvorschriften zu beachten seien und die Informationen nicht öffentlich gemacht werden dürfen. In den Fällen, in denen sie Informationen gar nicht preisgeben könne oder wolle, müsse sie dies im Einzelfall jedes Mal ausführlich und zutreffend begründen, sagte von der Weiden. Nach seinen Angaben erging die Entscheidung des Gerichts einstimmig.
Im Rahmen der Urteilsverkündung unterstrich von der Weiden die große Bedeutung des Auskunftsrechts von Abgeordneten gegenüber der Landesregierung und auch der Landesverwaltung. Dass Abgeordnete Informationen von der Landesregierung erhalten, diene der demokratischen Kontrolle und sei daher unerlässlich.
Mühlmann mit Entscheidung zufrieden
Mühlmann zeigte sich mit der Entscheidung des Gerichts zufrieden. Als ehemaliger Polizist könne er verstehen, dass ihm einzelne, konkrete Informationen zur Arbeit des Verfassungsschutzes vorenthalten werden dürften. Dennoch sei mit dem Urteil klar geworden, dass er Anspruch auf mehr Informationen zur Arbeit des Verfassungsschutzes habe, als die Landesregierung ihm zugestanden hatte. "Diese Informationen will ich auch weiterhin haben", sagte er.
Dass er bei seinen zukünftigen Anfragen an die Landesregierung auf allzu detaillierte Informationsersuchen verzichten werde, halte er aber für unwahrscheinlich. "Die Landesregierung kann mir ja sagen, wenn sie etwas aus Geheimschutzgründen nicht beantworten will", sagte Mühlmann. Er sehe jedoch keinen Grund, sich bei seinen Fragestellungen von sich aus zu beschränken.
Innenministerium reagiert positiv
Auch das Thüringer Innenministerium reagierte grundsätzlich positiv auf die Entscheidung. "Im Großen und Ganzen" sei das Gericht der Auffassung des Ministeriums gefolgt, sagte ein Sprecher. Das Gericht habe immerhin deutlich gemacht, dass die Arbeitsweisen des behördlichen Verfassungsschutzes in Teilen geheimhaltungswürdig sind, um dessen Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Das Ministerium werde sich nun nach der schriftlichen Urteilsbegründung richten und die kritisierten Antworten nachbessern. © Deutsche Presse-Agentur
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