Familie Nawjin hat viel Arbeit, Liebe und Zeit in einen Airstream Tradewind aus dem Jahr 1959 gesteckt. Das Resultat: Ein autarker Caravan.

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Es gibt Wohnwagen, die sind global zur Ikone geworden – jene der Marke Airstream gehören ganz sicher dazu. Seit bald einhundert Jahren rollen die Airstream-Caravans durch die Welt, selbst ein Bezug zum Weltraum wurde dereinst hergestellt. Kein Wunder! Alleine die Hülle wirkt wie von einem anderen Planeten. Genietete Alubleche sorgen für coolen Look und Stabilität, der großzügig bemessene Innenraum bietet verschwenderischen Platz.

Manche Ausführungen boten gar eine Badewanne, die Marke hatte eine ganze Phalanx an Modellen im Programm. Im Tradewind von Familie Nawijn war indes keine Wanne verbaut – und wenn, dann wäre sie vermutlich nicht mehr da. Denn dieser Klassiker beherbergt einen noblen Neuausbau in seiner Hülle aus dem Jahr 1959.

Ein Airstream-Oldtimer Baujahr 1959

Klare Sache: Da steckt eine Geschichte dahinter! "Das alles begann während eines verregneten Urlaubs auf Fehmarn", blickt Jürgen zurück, drei Wochen waren er und Birgit unterwegs mit VW Bulli T4 und Dachzelt. Wendig ist so ein Campingensemble, doch Dauerregen kann einem die Stimmung wahrlich vermiesen.

Ein Airstream stand damals nahebei, von dessen Blech der Regen perlte und in dessen Innern es behaglich temperiert zu sein schien. "Das war 2011, und plötzlich war die Idee im Raum", erinnert sich Jürgen. "Dabei stand mir der Sinn ursprünglich mehr nach einem Kofferaufbau oder einem Kastenwagen", blickt er zurück.

Doch die Chromzigarre hat nun mal ihren ganz eigenen Charme, das steht außer Frage. Und wenn man sich hier mal näher mit der Thematik befasst, kommt man nur schwer wieder los. Also begannen die beiden, Ausschau zu halten.

Mangels massigem Angebot war klar, dass es nicht unbedingt ein Tradewind würde sein müssen, der 25 Fuß messende Caravan lag ungefähr in der goldenen Mitte des Modellprogramms. "Und auch ein perfekt originales Fahrzeug war nicht zwingend im Lastenheft vermerkt", meint Birgit.

Fündig wurden die beiden letztlich bei einem Händler, der die silberne Hülle aus den USA importiert und auch die Zollformalitäten und die Hauptuntersuchung bereits erledigt hatte. "Das war uns wichtiger als die marode Innenausstattung, die flog als Erstes raus."

Von der Ruine zum Traum-Caravan

Die Familie ging mit Feuereifer ans Werk: Es existiert ein Schnappschuss von Töchterchen Jenny, wie sie im September 2011 mit erhobenen Fäusten und einem Glücksschrei auf den Lippen aus dem Caravan springt, "die Ruine gehört uns", steht im Fotoalbum neben dem Bild. Dreieinhalb Jahre Arbeit lagen zu diesem Zeitpunkt vor Familie Nawijn, "doch als Familie haben wir das sowohl von der Arbeit her wie auch finanziell gestemmt", freut sich Birgit heute.

Selbstausbau des Airstream-Klassikers

Da die Außenhülle in den wichtigsten Bereichen noch gut in Schuss, wenn auch sehr matt war und es nur galt, eine heftige Kaltverformung an der Flanke zu beheben, konnten sich die beiden dem Inneren widmen. "Die Inneneinrichtung war nicht mehr zu gebrauchen, das war alles mürbe und völlig kaputt", erinnert sich Birgit.

Also wurde das Innere komplett leer geräumt, jedoch nicht voreilig entsorgt. Auch die marode und nicht gerade ungefährliche Verkabelung wurde demontiert und bald darauf durch neue Leitungen ersetzt. "Das waren insgesamt 300, meine Güte", schaudert Jürgen noch immer. Nicht ganz problemlos war es auch, die mit hunderten von Nieten zusammengefügte Hülle dicht zu bekommen, moderne Dichtstoffe waren hilfreich, trotzdem brauchte es drei Durchgänge, bis die Dichtigkeitsprüfung abgehakt werden konnte.

"Immerhin mussten wir keine morschen Holzstreben ersetzen, es gibt nämlich keine", isoliert wurde mit 40 Millimeter dicker Glaswolle, die hinter den originalen, zum Glück rettbaren Wandverkleidungen verschwand. Eine Gasheizung mit 4.000 Watt sorgt für Wärme.

"Vorher mussten wir aber noch die inneren Fensterrahmen polieren, das war eine gute Übung für die Außenhülle", schmunzelt Jürgen. "Als wir dann innen alles gespachtelt und geschliffen hatten, konnte der Ausbau beginnen, das Etappenziel war erreicht." Dank guter Planung fügte sich nun zusammen, was die beiden ersonnen hatten.

Und so prunkt der Tradewind heute mit einer drei Meter langen Küche samt Backofen, Grill und einem 130 Liter großen Kühlschrank, der mit Bord- oder Landstrom und natürlich mit Gas läuft. Für den Möbelbau kam amerikanische Kirsche zum Einsatz, das rötliche Holz sorgt für einen warmen Charakter im Inneren des Oldies.

"Rein technisch gesehen sind wir aber ganz modern – mit Solaranlage und Batterien stehen wir auch autark, 150 Liter Wasser sind obendrein an Bord."

Der erste Einsatz des neuen, alten Caravans

Im April 2014 fand die erste "richtige" Urlaubsfahrt statt: "Wir hatten schon vorher ein paar Touren unternommen, gerade auch, um alles auszuprobieren, was nach und nach eingebaut wurde. Aber dann in die erste Komplettsaison zu starten, das hatte noch mal eine ganz andere Qualität", blickt Jürgen zurück. Und dann wird er beim Blättern durchs Fotoalbum ein wenig nachdenklich. "Das war schon ein Großprojekt, finanziell wie technisch, und man muss sich eine ganze Menge an handwerklichem Können draufarbeiten. Und trotzdem würden wir das sofort wieder machen, wir sind schon ein bisschen stolz auf das, was wir geschaffen haben."

Und das völlig zu Recht, zumal der ursprünglich nach Texas ausgelieferte Tradewind bis heute noch eine ganze Menge an Streicheleinheiten benötigt. Denn die Aluhülle neigt zum matten Dasein, "deshalb beginnt die Saison traditionell mit dem Polieren", erklärt Jürgen. "Aber auch das gehört dazu." Tja, auch eine Ikone will gehätschelt werden. Beim ersten Mal brauchte es noch drei Durchgänge mit immer feinerer Körnung, zwei Tage gingen dafür drauf, "heute reicht ein Durchgang – wenn man es jährlich macht".

Der Airstream im Laufe der Zeit

Entwickelt wurde die spezielle Optik von Airstream-Gründer Wallace Merle Byam, genannt Wally, sowohl das Design wie auch das Konstruktionsprinzip wurden im Laufe der Jahrzehnte unverändert beibehalten. Ganz passend zu Wallys Slogan: "Wir machen keine Veränderungen – nur Verbesserungen." Insofern passt der von Birgit und Jürgen kreierte Neuausbau in Wallys Welt, die beiden haben den Klassiker von 1959 auf ein modernes Niveau gehoben.

Übrigens hat das Design einst sogar die NASA überzeugt: 1969 kam ein modifizierter Airstream als Quarantänestation zum Einsatz, die Astronauten der Mission Apollo 11 hatten hier drei Wochen auszuharren. Und damit es denen nicht langweilig wurde, schaute unterdessen auch Richard Nixon vorbei, was Airstream öffentlichkeitswirksam bewarb. Heute brauchen Birgit und Jürgen keinen präsidialen Besuch, um ihren ja doch sehr auffälligen Caravan zu genießen, der zwar keinen Spitznamen trägt, aber zuverlässig für hoch erhobene Daumen sorgt.

Das liegt ganz sicher auch am stimmigen Gesamtbild: Gezogen wird der leer schon 1660 Kilo schwere Einachser stilecht von einem GMC Jimmy aus dem Jahr 1979, der 2022 eine Rundreise um Schweden genauso souverän meisterte wie die große Frankreich-Tour im vergangenen Jahr. "Wir fahren sicher so sechs- oder siebentausend Kilometer in der Saison", addiert Jürgen im Kopf. Dann hält er kurz inne – um dann lächelnd zu erklären: "Aber dafür haben wir ihn ja auch restauriert, oder?" Dass sein Lächeln sich gemeinsam mit dem GMC in der Aluhülle spiegelt, das rundet das Bild in diesem Moment ganz wunderbar ab. Herrlich!

Mehr als nur aufgehübscht!

Die Hülle war weitgehend intakt, nur die stumpfe Oberfläche und die Kaltverformung an der Flanke gab es hier zu bemängeln. Deftiger sah es im Inneren aus, der 1959 nach Texas ausgelieferte Tradewind war regelrecht runtergerockt. Das hatte aber auch Vorteile, der Innenausbau konnte wie auf einem leeren Blatt Papier entstehen, wobei einige Originalteile auch im Neuaufbau Verwendung fanden.

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Zuvor jedoch musste die Aluhülle abgedichtet und isoliert werden, auch wurden sämtliche Kabel und Leitungen erneuert und auf modernen Standard gebracht. Das sorgt nicht nur für zuverlässigen, sicheren Betrieb, sondern auch für eine ganze Menge Komfort, "mit Solaranlage und Batterien stehen wir auch autark, 150 Liter Wasser sind obendrein an Bord", freut sich Jürgen.

Die Saison indes beginnt generell mit dem Polieren der Außenhaut, die zu matter Optik neigt. Ein Klassiker braucht eben Streicheleinheiten.  © Promobil

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