Salta/Jujuy - Es ist eine der spektakulärsten Zugstrecken der Welt - und anscheinend auch eine der gefährlichsten. Was weniger mit der Streckenführung als vielmehr mit der Höhe zu tun hat, auf die es geht.
Der Tren a las Nubes, der "Zug in die Wolken", macht seinem Namen wirklich alle Ehre. Bis auf 4220 Meter schlängelt er sich im äußersten Nordwesten Argentiniens in die Anden hoch.
So reisen bereits in den Bussen, welche die Touristen von der Provinzhauptstadt Salta zum Bahnhof nach San Antonio de los Cobres bringen, mehrere Sanitäter mit Sauerstoffflaschen mit. Auch ein Arzt begleitet die Fahrt.
Vor allem Ältere haben gelegentlich Probleme mit der Höhe, sagt Krankenpfleger Nicolás Alemán. "Meistens leiden sie aber nur unter Kopfschmerzen oder Übelkeit."
Zunächst geht es mit den Bussen vorbei an Tabakplantagen, die nach und nach nebelverhangenen Wäldern Platz machen. Je höher wir auf den staubigen Pisten kommen, desto karger wird die Landschaft.
Immer wieder halten die Busse an Aussichtspunkten und in Dörfern, wo man Kunsthandwerk der indigenen Bevölkerung kaufen und Lamas knipsen kann. Schon touristisch, aber die Stopps dienen auch der Akklimatisierung an die Höhe.
Mit gemächlichem Tempo in die Hochebene
San Antonio de los Cobres ist der Ausgangspunkt des Touristenzugs, fast 3800 Meter hoch gelegen. Dorf und Bahnhof versprühen ein wenig Wild-West-Flair. Von hier aus fährt der blaue Wolkenzug in die Puna, die Hochebene. Mit gemächlichen 35 Stundenkilometern.
Die meisten Touristen erwarten wegen seines Namens, dass der Zug durch Wolkenfelder fährt. Aber das ist ein Trugschluss. Wolken bilden sich in der Hochebene nur selten. Jazmin Acuña, in unserem Waggon die zuständige Reiseleiterin, spricht lieber vom "Zug in den Himmel". Und dem sei man hier wirklich sehr nahe.
Die Zugstrecke wurde 1948 eingeweiht. 27 Jahren hatte es gedauert, sie zu bauen. Ursprünglich waren ihre Gleise für den Warentransport bestimmt. Züge sollten auf der Strecke Kupfer, Salz, Silber, Gold und Lama-Fleisch aus der Puna in die chilenische Hafenstadt Antofagasta bringen, erklärt Acuña, während der Zug an einer stillgelegten Silbermine vorbeirattert.
Heute fährt nur noch der Touristenzug durch diese unwirklich scheinende, von starken Winden und rauem Klima geprägte Hochebene. Aus dem Zugfenster schaut man in steile Schluchten hinunter und sieht grasende Vicuña-Herden. Wüstenfüchse, Guanakos und Pumas leben ebenfalls in der Puna.
Höhe- und Wendepunkt des Ausflugs ist das Viadukt La Polvorilla, eine 224 Meter lange, 63 Meter hohe Spannbrücke aus Stahl. Die Zugfahrt dauert insgesamt nur rund zwei Stunden. Reist man mit dem Bus aus Salta an und wieder dorthin zurück, ist es ein Tagesausflug.
Salta, die Schöne
Zurück in Salta geht es erneut hoch hinauf, diesmal aber zu kulinarischen Hochgenüssen. Die Seilbahn fährt auf den Hausberg San Bernardo. Hier unterhält Chefkoch Fernando Rivarola sein landesweit bekanntes Restaurant El Baqueano. Regionale Spitzenküche, auf der Karte sind sogar die Bauern und Produzenten aufgeführt.
Immer wieder geht der Blick vom Essen weg durch die großen Fenster. Der hoch gelegene Gourmettempel bietet die beste Aussicht auf die Kolonialstadt, die zu den schönsten Argentiniens zählt und ihren Beinamen zurecht trägt: La Linda, "die Schöne". Rund um die Plaza 9 de Julio gruppieren sich Cafés, Museen und die rosafarbene Kathedrale. Noch prachtvoller scheint die Basilica San Francisco mit ihrem Turm in Rot und Gold.
Filmreife Bergkulissen auf dem Weg zum Wein
Wer in Salta ist, sollte auf jeden Fall einen Ausflug in die Weinregion Cafayate im Calchaquíes-Tal machen. Schon die Fahrt von Salta auf der Ruta 68 durch die Quebrada de las Conchas ist die Reise wert. Die roten Berge der Schlucht sind filmreif. Tatsächlich wurde hier auch die rabenschwarze Komödie "Wild Tales - Jeder dreht mal durch!" gefilmt. Man kommt direkt an einem der Drehorte vorbei.
In Cafayate steht der Wein im Mittelpunkt. Der beschauliche Winzerort hat ein interessantes Weinmuseum und ist Pflichtstation auf der Weinroute im Calchaquíes-Tal. Die Weingärten hier gehören zu den höchsten der Welt. Einige befinden sich auf bis zu 3000 Meter. Ein Tipp zum Testen lokaler Weine: die Gastro-Winebar Bad Brother.
Oder man besucht eines der vielen Weingüter in der Umgebung. Hier zählt die Bodega El Esteco zu den schönsten.
Hügel der sieben Farben
Haben Landschaft und Dörfer in der Provinz Salta noch keine "Wild West"-Gefühle ausgelöst, kommt man sich allerspätestens in der nördlichen Nachbarprovinz Jujuy wie im Freilichtstudio eines Westerns vor.
Wind wirbelt den Staub in den unbefestigten Straßen Purmamarcas auf. Zwei Männer reiten durch das Dorf, das nur aus niedrigen Lehmhäusern besteht. Im Hintergrund leuchtet der Cerro de los Siete Colores.
Der "Hügel der sieben Farben" erhebt sich am Ortsrand, eine bunt gestreifte, farbenfrohe Felswand. Das Farbspektrum reicht von Schwarz bis Rosa. Eine Legende erklärt das geologische Spektakel mit einem an Liebeskummer gestorbenen Indianerhäuptling.
Das klingt schöner und größer als die doch eher schnöde Erklärung, die wie folgt lautet: Das Weiß stammt von Kalkablagerungen, das Grün von Kupferoxiden, die Rottöne von Eisenverbindungen und das Gelb von Schwefeleinlagerungen. Hinter dem Hügel verläuft ein Rundweg, der einer Wanderung durch einen Tuschkasten gleicht.
Spitzenküche mit indigenen Produkten
Purmamarca ist das Eingangstor zur Quebrada de Humahuaca. In der Schlucht liegt Tilcara mit der archäologischen Fundstätte von Pucará. In einem Wald aus Riesenkakteen liegen die Ruinen eines alten Dorfs der Omaguaca, die hier vor 800 Jahren siedelten. Auf dem höchsten Punkt der Siedlung thront ein Tempel, von dem aus man einen großartigen Rundumblick aufs Tal mit dem Rio Grande hat.
In der Schlucht und deren Umgebung lebt heute noch hauptsächlich indigene Bewohner, deren alten Rezepte und lokalen Produkte Flor Rodríguez in ihrem Restaurant El Nuevo Progreso mit Spitzenküche neu interpretiert. Ihre Humitas, in Maisblätter eingelegter Ziegenkäse, die Rindfleisch-Tamales und Lama-Carpaccios sind umwerfend. Solch einen Gourmettempel vermutet man kaum in einem Dorf wie Tilcara.
Wer von Tilcara dem Humahuaca-Canyon folgt, gelangt in die Serranía del Hornocal, die selbst Purmamarca farblich in den Schatten stellt - das verspricht schon der Name: "Berg der 14 Farben".
Einer der schönsten Orte von Jujuy hat aber nur eine einzige Farbe: Weiß. Der Salinas Grandes ist der drittgrößten Salzsee der Welt. Von hier bezieht auch Walter Leal für sein Restaurant Finca Cocina Urbana in Jujuy sein Salz. Der bekannte Chefkoch arbeitet eng mit indigenen Hirten und Bauern aus der Puna-Hochebene zusammen. Er verbringt viel Zeit mit ihnen, hat freundete sich mit ihnen an.
"Einem Fremden würden sie niemals ihre Rezepte, Kochtechniken und Produkte verraten", sagt Leal. So kommen bei ihm Kartoffeln, Wurzeln, Kräuter, Pilze und andere Anden-Produkte auf den Tisch, von denen selbst viele Argentinier noch nie gehört haben dürften und die mindestens genauso farbig sind wie die Berge der Umgebung.
Service:
- Anreise: Verschiedene Airlines fliegen aus Deutschland nach Buenos Aires, oft mit einer Zwischenlandung. Von hier aus weiter nach Salta oder Jujuy. Am besten nimmt man sich für die Erkundung der beiden Regionen einen Mietwagen.
- Einreise: Für die Einreise braucht man einen Reisepass. Laut Auswärtigem Amt gibt es derzeit es keine Corona-bedingten Einreisebeschränkungen. (Stand: 27.03.2023)
- Tres de las Numbes: Tickets für den "Zug in die Wolken" lassen sich online kaufen und kosten ungefähr zwischen 90 und 135 Euro. Das hängt unter anderem davon ab, ob man nur die Zugfahrt ab San Antonio de los Cobres bucht, oder das Paket mit Busfahrt ab Salta.
- Währung: 100 Argentinische Pesos = 0,45 Euro (Stand: 27.03.2023)
- Infos: Die regionalen Fremdenverkehrsämter von Salta und Jujuy haben auf ihren Internetseiten gute Informationen (teils auch auf Deutsch) über Unterkünfte, Restaurants, Ausflüge und Mietwagenanbieter.
© dpa
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