Die Kraftplätze waren schon immer da – älter als alle Traditionen und die Menschheit selbst. Wanderführer Harald Löffel kennt sie gut und führt uns zu einer kreisförmigen Lichtung in der Nähe von Thiersee – dem Steinkreis von Riedenberg, der keltischen Ursprungs ist. Sieben Steine sind hier gesetzt, einer in der Mitte, sechs drum herum.
Harald Löffel vergleicht sie mit Akupunkturnadeln und ist überzeugt, dass besonders achtsame Menschen ihre Energieströme spüren können. Auf jeden Fall ist es ein beeindruckender Platz, auch für weniger feinfühlige Zeitgenossen. Der Wanderführer kennt viele Orte mit Ausstrahlung. Auf der Webseite des Tourismusverbands Kufstein sind weitere gelistet. Darunter fällt auch die Wallfahrtskirche Maria Klobenstein, die auf unserem Weg liegt und die wir besuchen möchten.
Tradition und Handwerkskunst
Neben den Kraftplätzen lohnt sich ein Besuch bei einem traditionellen Handwerker. Christian Fankhauser aus Thiersee bestickt Trachtengürtel aus Leder. Stich für Stich, Stunde um Stunde sitzt der Tiroler über seine Arbeit gebeugt und kreiert mit dem Federkiel winzige Muster auf die Unikate. Da kommen schnell 200 Stunden zusammen bis so ein Ranzen, ein Trachtengürtel, fertig ist. Gleich um die Ecke gibt es einen weiteren Familienbetrieb mit einer ausgefallenen Handwerkstradition. Die Familie Kröll spezialisiert sich auf die Herstellung und Reparatur von Harfen. Die Harfen aus heimischen Ahorn- und Fichtenhölzern haben einen unverwechselbaren Klangcharakter, so magisch wie die spirituellen Orte der Region.
Da Wellness hervorragend zu einer Wohnmobil-Tour im Winter passt, haben wir uns das Euro-Camp Wilder Kaiser in Kössen für die nächsten Tage ausgesucht – mit Schwimmbad und Sauna. Auch im Winter empfiehlt sich eine Reservierung.
Die Gemeinden Kössen, Walchsee, Schwendt und Rettenschöss haben sich vor einigen Jahren zum Feriengebiet Kaiserwinkl zusammengeschlossen. Dort sorgt die Nordstaulage regelmäßig für Schneemassen, die sonst nur in höher gelegenen Skiorten zu finden sind. Die Region ist gerade ein einziger Wintertraum.
Wunderschönes Bergpanorama
Heute morgen ist die Winterlandschaft noch mit einer feinen Reifschicht überzogen, und dichte Wolken umhüllen die blanken Kalkfelsen des Wilden Kaisers. Auch der Ellmauer Halt, mit 2.344 Metern der höchste Gipfel, ist verhüllt. Nur die Umrisse vom vorgelagerten Zahmen Kaiser sind hier und da zu erahnen. Die Sonne ist nur ein kleiner heller Schatten über dem wohl bekanntesten Gebirgszug der Ostalpen.
Ab und zu brechen ihre Strahlen durch den Nebel. Mystisch ist die Stimmung am Fuße des Kaisers. Eigentlich wollten wir das Winter-Wonderland heute vom Heißluftballon aus bestaunen. Jetzt scheint der Traum von der Überquerung des Wilden Kaisers erst einmal zu platzen. Denn Irmgard Moser von Alpen Ballon Events schüttelt zweifelnd den Kopf: "Bei Nebel können wir nicht starten. Wir verschieben um eine Stunde." Und der nächste Anruf der Ballonpilotin legt unsere Pläne fürs Erste auf Eis: "Wir verschieben auf morgen."
Alternativ-Aktivitäten im Winter
Aktivitäten für ein Alternativprogramm gibt es im Kaiserwinkl allerdings genügend. An der österreichisch-deutschen Grenze, zwischen Kössen und Schleching, steht die Wallfahrtskirche Maria Klobenstein. Die Legende erzählt, dass hier eine Frau von einem Erdrutsch überrascht wurde. Nach ihrem Gebet zur Mutter Gottes spaltete sich ein Felsen zu ihrem Schutz. Wer es ohne Berührung durch den "geklobten" Stein schafft, dem soll ein Wunsch gewährt werden. Trotz tiefem Schnee geht es durch den Spalt im Felsen – ohne Berührung. Was läge näher als sich schönes Wetter für den morgigen Tag zu wünschen?
Kirchlein und Felsen befinden sich direkt an der Tiroler Ache, deren Rauschen durch die Stille dringt. Der etwa vierzigminütige Hängebrückenrundweg führt von hier über zwei Brücken und lässt sich mit gutem Schuhwerk oder Schneeschuhen größtenteils auch im Winter gehen. Er ist Teil des Schmugglerwegs Klobenstein.
Bereits um 1.800 vor Christus war die Schlucht Teil eines Handelswegs für Kupfer und Bronze. Im Mittelalter wurden dann vor allem Wein und Salz transportiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg schmuggelte man Zigaretten, Kaffee, Rum und ganze Käselaibe. Dank der Almwirtschaft und der Fütterung der Kühe mit Heu gibt es heute noch zahlreiche Käsereien.
Die Alpen von oben
Am nächsten Tag: gleiche Zeit, gleiches Spiel. Um Punkt neun Uhr stehen wir wieder in Kössen parat. Die Blicke sind in den Himmel gerichtet, der heute bereits fast wolkenlos ist. Ein paar dünne, weiße Wolkenschleier scheinen sich in den Zacken des Wilden Kaisers verfangen zu haben. Irmgard Moser kommt mit der guten Nachricht: "Wir fahren jetzt gleich los." Ob das wohl mit dem gestrigen Besuch bei Maria Klobenstein zusammenhängt?
Am Startplatz, kurz vor dem Walchsee, herrscht bald ein reges Treiben. Mehrere Ballone werden gleichzeitig befüllt. Immer wieder faucht ein Brenner und ein Feuerstrahl wärmt die einströmende Luft. Rund 4.000 Kubikmeter passen in die Hülle, damit sie auf die Größe von rund 30 Metern kommt. Heiße Luft ist leichter als kalte – dieses Prinzip lässt den Ballon steigen. Im Winter herrschen daher die besten Bedingungen zum Aufsteigen. Gerade hebt der erste Ballon ab und schwebt davon. Ein weiß-roter folgt.
Die ersten Blicke nach unten lösen ein Kribbeln im Bauch aus. Menschen, Autos, Häuser schrumpfen auf Miniaturgröße. Der Blickwinkel ändert sich aus der Vogelperspektive. Hier zwischen Himmel und Erde verschwindet der Alltag und mit ihm auch die lästigen Gedanken. Während die Spielzeuglandschaft immer kleiner wird, drängt sich die Frage auf: "Wie hoch steigen wir eigentlich?" "Wir sind über 3.000 Meter hoch, wenn wir das Kaisergebirge überfahren", erklärt Pilot Stefan Kummeth. "Wir wissen bis kurz vor der Landung nicht, wohin uns der Wind treibt", sagt Stefan und betätigt den Brenner. Der Wind, der heute aus Norden bläst, bestimmt die Fahrt. Für den Piloten bedeutet das, die passenden Windströmungen zu finden, um über den Berg zu kommen.
Bis auf das gelegentliche Zischen des Gasbrenners ist es ganz still. Inzwischen scheint man dem Himmel näher zu sein als der Erde. Ein richtiger Windzug ist nicht zu spüren, obwohl sich der Ballon mit rund 50 Kilometern pro Stunde auf das Massiv des Kaisers zubewegt. "Wir fahren mit dem Wind", erklärt der Pilot. Der Ausblick auf die unberührte Landschaft ist unbeschreiblich. Seit 1.963 steht das Kaisermassiv unter Naturschutz, das zwei Hauptkämme prägt: Der nördliche Zug des Naturschutzgebietes umfasst den Zahmen Kaiser, der südliche den Wilden Kaiser, ein bizarres Auf und Ab von Felsen und Steinen.
An der friedlichen Bergszenerie hat man sich auch nach einer Stunde nicht sattgesehen. Doch die ersten Häuser und die Kirche von St. Johann schieben sich ins Blickfeld. Es geht nach unten. Ein Langläufer schaut nach oben und winkt uns zu. In der Ferne tauchen schneebedeckte Felder auf. Dort setzt der Ballon auf, nicht ohne die Erinnerung vom Piloten: "Festhalten, wir landen gleich." Dann taucht das Fahrzeug des Verfolgers auf. Kurz darauf ist nichts mehr von der beeindruckenden Ballonhülle zu sehen, die gerade noch am tiefblauen Himmel dahingezogen ist.
Da es uns im Kaiserwinkl so gut gefällt, bleiben wir noch auf dem Campingplatz und genießen den Anblick des Kaisergebirges bei einer geführten Schneeschuhwanderung mit Andreas Schwentner. Der Outdoor-Profi führt uns über unberührte Berghänge, ohne dabei in Gebiete zu gelangen, die den Tieren als Rückzugsort vorbehalten sein sollen.
Ausflug nach Kufstein
Nur rund 30 Kilometer entfernt liegt Kufstein. Das malerische Städtchen an der Grenze zu Bayern lohnt einen Ausflug. Über der zweitgrößten Stadt Tirols thront die Festung Kufstein. Ihre Orgel, die Heldenorgel, ist die größte Freiluftorgel der Welt. Um zwölf Uhr ertönt das tägliche Konzert, das mit dem Wind bis ins Zentrum getragen wird. Entlang dem Inn spazieren wir zur Glasmanufaktur Riedel, die besichtigt werden kann. Der Stollen 1.930 ist ebenfalls einen Abstecher wert.
Vor über 600 Jahren ließ die Familie Auracher den Stollen in den Felsen graben. 19 Jahre später war der "Kühlschrank von Kufstein" fertiggestellt. Heute gibt es hier Musik aus den 1930ern, Cocktails und Gin – soweit das Auge reicht. Die Gin-Gallery steht mit über 850 Sorten als eine der weltgrößten Sammlung im Guinness-Buch der Rekorde. Wer nach dem Besuch nicht mehr fahren möchte, kann zentral auf dem Wohnmobilstellplatz an der Kufstein Arena stehenbleiben. Wir nutzen noch einmal die Sauna des Euro-Camps. © Promobil
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