Eriba Touring und CARAVANING feiern 65. Geburtstag. Grund genug, dem Klassiker auf das ikonische Alu-Kleid zu rücken. Darunter verbirgt sich von Anbeginn ein stählerner Käfig. Wie der zu einem fertigen Caravan wird? Sehen Sie selbst!
Als unsere Delegation eintrifft, ist Bad Waldsee vom bedrückenden Grau des Dauerregens überzogen. Umso herzlicher ist der Empfang im Hymer-Center. Auf der Empore stehen nicht nur bunte Touring, sondern auch eine bunte Truppe, die uns durch das Werk 1 führen soll, in dem die kultigen Anhänger entstehen. In der Mitte steht Matthias Binder, der Markenleiter. Seine Worte sind herzlich, aber auch ernst.
"Schön, dass ihr gekommen seid. Wir werden heute sehen, wie ein Touring entsteht – es wird aber Bereiche geben, die nicht fotografiert werden dürfen. Unsere Kernkompetenzen möchten wir für uns behalten." Als Grund für die Vorsichtsmaßnahme werden Mitbewerber aus dem Ausland genannt. Und Tatsache: Schon eine kurze Internetrecherche zeigt, dass man es mit dem Patentrecht in anderen Teilen der Welt nicht so genau nimmt.
Die Besonderheiten des Touring
1. Form und Konstruktion des Touring wurzeln im Flugzeugbau der 40er und 50er Jahre. Kein Wunder, sowohl Erfinder Erich Bachem als auch Konstrukteur Hymer waren zunächst als Flugzeugingenieure tätig.
2. Das charakteristische Hubdach aus glasfaserverstärktem Kunststoff ist seit 1958 mit dabei. Es sorgt nicht nur für mehr Stehhöhe, sondern auch für Belüftung im Sommer.
3. Die Kurbelstützen am Heck sind immer von der Seite zu erreichen. Das macht die Bedienung angenehm.
4. Die aktuelle Generation präsentiert sich stolz im Retro-Look. Die Rückleuchten und der Kennzeichenträger glänzen wie früher in Chrom.
5. Ob Hammerschlag- oder Glattblech, obliegt dem Endkunden.
6. Nur der Look ist retro, die Bord- und Sicherheitstechnik auf Höhe der Zeit. Stoßdämpfer und die Antischlinger-Kupplung sind Serie.
7. Typisch für den Touring war lange Zeit die Stauklappe am Heck. Bei Quer- und V-Bett-Wagen ist sie heute wieder bestellbar.
8. Seit 2023 gibt es nicht nur das klassische Hubdach. Touring 630 und 642 kommen mit Schlafdach.
Die Produktion vom Eriba Touring
Am Anfang steht der Käfig, der aus Vierkantrohr zusammengeschweißt, verzinkt und schon beim Zulieferer mit der Knott-Achse und der Zentralrohrdeichsel verschraubt wird.
Die tragenden Skelette werden in sechs Aufbaulängen und drei Breiten gefertigt und sind am Heck breit offen. So kann die Bodenplatte mit einem speziellen Stapler eingelegt werden. Sie wird geklebt und verschraubt, die Löcher für Abfluss, Kabel und Gasleitung sind bereits gesetzt. Dort, wo später Fenster und Klappen in den Käfig eingesetzt werden, benutzt man Ecken aus Kunststoff, die mit dem Gerippe verbunden werden.
Im Gegensatz zu Wohnwagen mit Sandwich-Aufbau wird der Eriba Touring von außen nach innen gebaut. Das Rohmaterial, sei es Glatt- oder Hammerschlagblech, kommt aufgerollt ins Werk. Die Mitarbeiter, die hier im legendären Werk 1 arbeiten, rollen ein Stück ab, legen es auf einen Tisch und zeichnen die Formen mithilfe von Schablonen aufs Blech. Dann werden die Teile ausgeschnitten. Im Wesentlichen besteht die Außenhaut eines Touring aus je zwei Blechen pro Seite. Die größten Werkstücke sind dabei die unteren Seitenwände links und rechts, sie gehen von der Bugspitze bis zur Mitte des Hecks.
Jürgen Ott, Werksleiter der Touring-Produktion, weist an diesem Punkt auf den Schutz der Kernkompetenzen hin. "Die Beplankung, also wie wir das Blech mit dem Käfig verbinden, möge bitte nicht fotografiert werden." Vordergründig geht es um die Maschinen, die zum Einsatz kommen. Es sei also nur gesagt, dass die Bleche auf den Rahmen gespannt und danach vernietet werden. Jene Linie, wo sich die untere und die obere Seitenwand treffen, wird abgedichtet und von den Zierleisten kaschiert. An der Bugspitze wird die Verbindung dank des Rahmens der Gaskastenklappe unsichtbar. Hinten kommt ein Heckblech oder eine Stauraumklappe zum Einsatz. Ist das alles fertig, rollt der Wagen zur nächsten Station. Hier kleben fleißige Hände die Isolierung ein. Wie genau die XPS-Platten befestigt und verkleidet werden, dürfen wir ebenfalls nicht zeigen. Wieder einmal fällt das Wort "Kernkompetenz".
Eine Ecke weiter wird das Fotoverbot aufgehoben und wir wohnen bei, wie Fenster- und Türrahmen eingesetzt werden. Dabei ist der Innenraum noch komplett leer, die Fachkräfte können sich also frei bewegen und somit sehr schnell arbeiten. Im Handumdrehen wird reichlich kombinierter Kleber mit Dichtfunktion aufgetragen, es werden die Rahmen eingesetzt und zusätzlich mit dem Käfig verschraubt. Damit die Optik keinen Schaden durch hervorquellende Klebe-/Dichtmasse nimmt, werden die Reste sofort entfernt. Dann rollt der Touring weiter und empfängt die vorher zusammengesetzten Möbelelemente durch das noch offene Dach.
Die Möbel werden sowohl mit dem Käfig als auch miteinander verschraubt, das gibt der Inneneinrichtung Stabilität. Deshalb können die typischen, nach unten öffnenden Dachstauschränke auch einiges an Last und Gepäck tragen. Nach dem ersten Qualitätstor, an dem auch Rücklichter und Anbauteile wie Stoßfänger und Zierblenden verbaut werden, kommen die Arbeiten am Unterboden. Dafür gibt es eine einzige Hebebühne, was auf eine geringe tägliche Fertigungsmenge schließen lässt. Genaue Zahlen will Eriba nicht verraten.
Auf der Bühne werden Rangiersysteme, Reserveradhalterungen und Eckstützen montiert. Wieder am Boden, wird dem Wagen das Häubchen aufgesetzt. Neben dem Stahlkäfig ist das Hubdach das größte Markenzeichen des Eriba Touring. Es wird ebenfalls hier im Werk in Bad Waldsee gefertigt – und wieder einmal fallen die Begriffe "geheim" und "Fotoverbot". Jetzt geht es in die Endkontrolle, wo die Konfiguration mit dem Endprodukt abgeglichen wird. Polster und Vorhänge werden erst verbaut, wenn die Qualitätskontrolle den Wagen für gut befunden hat. Im Werk erfolgt auch die erste Gasprüfung jedes einzelnen Touring. Gibt es Probleme, wird das Fahrzeug in einer eigenen Abteilung nachgearbeitet und komplettiert – damit es für Kunden direkt losgehen kann auf große Touring.
Unternehmen und wegweisende Modelle
1956 ließ sich der Flugzeugkonstrukteur Erich Bachem, auf den der Markenname Eriba zurückgeht, von Erwin Hymer einen Wohnwagen fertig entwickeln. Bachem konzipierte ein Stahlgerippe, das mit Aluminium beplankt werden sollte. Hymer, ebenfalls Flugzeugkonstrukteur, finalisierte die Entwürfe. Bereits 1957 durfte Bachem den Prototyp des Ur-Troll testen. Der Wagen verfügte noch nicht über das typische Hubdach, sondern über einen zwischen den Rädern tiefergelegten Boden.
Im Februar 1958 waren drei Modelle fertig entwickelt: Troll, Puck und Faun. Letztere hatten bereits das Hubdach aus GfK. Zum Serienanlauf im Jahr 1959 verließ bereits ein Caravan pro Tag die Hallen. 1961 bekam auch der Troll ein Hubdach, außerdem wagte Hymer den Bau eines Reisemobils namens Caravano. 1966 stellte Hymer die Wohnwagenbaureihe Nova vor. Im Gegensatz zum Touring hatte der Nova einen größeren Stahlkäfig ohne Hubdach und wurde mit GfK statt Alublech beplankt. 1976 fertigte man mit dem Taiga den ersten Caravan in Sandwich-Bauweise. Einen technischen Meilenstein setzte Eriba ein Jahr darauf: Die für Eriba und Hymer ebenso typische "Pual"-Bauweise ging in Serie. Noch heute werden die Wände der Caravan-Baureihen Feeling und Nova Light sowie etliche Reisemobile nach diesem Prinzip gebaut: Flüssiges Polyurethan (PU) wird zwischen die Aluminium-Außenwand (AL) und die Sperrholz-Innenwand gespritzt.
Dort quillt es auf und umschließt Verstärkungsprofile und Streckgitter zur Befestigung von Möbeln lückenlos. Weitere Besonderheit der Pual-Caravans: das an den Seiten heruntergebogene Dach, das auf Stoß auf den Seitenwänden sitzt, um die Gefahr von Lecks zu minimieren. Heute kommen Nova Light und Feeling ohne Käfig aus. Mit Ausnahme des gigantischen Touring 820, der auf Bestellung in einer separaten Halle gefertigt wird, beschränkt sich Eriba seit 2022 auf kompakte Caravans.
Die Menschen hinter Eriba
Ramona Rolser, 34, Produktmanagerin
Ramona Rolser ist insbesondere für die Baureihe Touring und den Campervan Eriba Car zuständig. Sie hat aber auch ein Auge auf das Werk 3, in dem sowohl Möbel gefertigt werden als auch Caravans, Campingbusse und teilintegrierte Reisemobile. Bereits ihre Ausbildung machte sie bei Hymer. Campen geht sie, sobald sie mehr als ein paar freie Tage am Stück findet. Ihr Lieblings-Eriba hat allerdings einen Motor. Es ist der neue VW-Crafter-Campingbus Eriba Car 600.
Jürgen Ott, 47, Werksleiter im Werk 1
Wenn es eine Person gibt, die alle Geheimnisse des Eriba Touring kennt, dann ist es Herr Ott – den sein Team aber stets Jürgen nennen darf. Seit langen Jahren arbeitet Jürgen Ott bei Eriba und hat dabei zahlreiche Entwicklungen begleitet und umgesetzt. Den eigenen Campingurlaub gestaltet er, wenn immer es geht, gerne abwechslungsreich. Ob Wohnwagen, Reisemobil oder ein kompakter Campervan, er findet sich schnell zurecht. Sein ganz persönliches Lieblingsmodell ist der Touring 530 in Harbour Blue.
Matthias Binder, 44, Markenleiter
Mit 14 Jahren Erfahrung in Vertrieb und Produktion von Freizeitfahrzeugen kennt Matthias Binder die Branche und den Markt wie seine Westentasche. Aber auch die andere Seite, nämlich das Leben und Urlauben auf dem Campingplatz, ist ihm nicht fremd. In regelmäßigen Abständen steuert er neue Urlaubsziele an. Bei Hymer in Bad Waldsee arbeitet der studierte Kaufmann und Wirtschaftswissenschaftler seit 2014. Der Eriba seiner Wahl ist der "große" Touring 630. © Promobil
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