478 Kilometer weit soll der neue, elektrisch angetriebene Sprinter kommen, wenn er die größte, verfügbare Batterie zwischen den Achsen trägt. Und er ist nun heckgetrieben, wie Fans es klassisch von einem Sprinter erwarten. Die Reichweite ist für uns – mit der Wohnmobil-Brille auf – naturgemäß besonders spannend. 478 Kilometer – reicht das?
Unterschiedliche Batterien für den Antrieb
Drei verschieden große Batterien kann man ordern, angepasst an unterschiedliche Einsatzgebiete. Das sind, neben der Wohnmobilwelt, natürlich vor allem Paketdienste wie DHL, die teils schon im großen Stil elektrisch fahren – bislang allerdings eher Ford Transit.
Die Akkupacks für den E-Sprinter haben Kapazitäten von 56, 81 und 113 kWh, mit denen nach WLTP-Norm Reichweiten von 233, 329 und die genannten 478 km möglich sein sollen.
E-Sprinter mit fast 500 Kilometer Reichweite
Fast 500 Kilometer, zumindest auf dem Papier. Das zeigt, wohin die Reise geht und lässt die Hand zum Kinn wandern beim Nachdenken, ob das schon reicht für ein praxistaugliches Elektro-Sprinter-Reisemobil.
Knapp 500 Kilometer? Da kommt mancher Diesel-Transporter mit kleinem Tank und entsprechendem Defacto-Verbrauch in der Realität nicht so viel weiter. Zudem lädt die neue LFP-Batterie (Lithium-Eisenphosphat-Batterie) von 0 auf 80 Prozent, je nach Kapazität, in rund 30 bis 40 Minuten, wenn Reisende eine entsprechende Schnellladesäule nutzen. Bis 115 kW Ladeleistung sollen möglich sein.
Als Startsignal für die Elektrifizierung der Wohnmobilwelt wird das allerdings dennoch nicht reichen, denn in der realen Nutzung wird eher mit einer Reichweite von kaum mehr als 350 Kilometer zu rechnen sein – mit dem großen 113-kWh-Akku wohlgemerkt.
Geringe Zuladung und Hochvolt-Problematik
Ein weiterer Grund, warum sich Ausbauer bislang noch nicht konkret mit dem E-Sprinter beschäftigen, ist die geringe Zuladung von rund 1.000 Kilogramm bei der Karosserieversion L3. So viel wiegen meist schon Möbel und Technik – für Gepäck bliebe da kaum etwas übrig. Außerdem ist es derzeit untersagt, in den Boden Löcher zu bohren – die sind aber notwendig, um Sitzbänke und anderes zu befestigen. Und auch die Schnittstellen zur Fahrzeugelektrik sind nicht freigegeben. An die Hochvolttechnik darf niemand ran.
2026 kommt neue E-Transporter-Flotte mit E-Wohnmobil?
Wie so ein großer Kastenwagen mit E-Antrieb technisch funktioniert und fährt, ist aber schon faszinierend. Und dabei ist die jetzige Generation an Transportern offenbar nur als Brückentechnologie zu sehen, bis etwa 2026, wenn eine ganz neue Elektro-Transporter-Flotte präsentiert werden soll. Mercedes nennt diese Basis "VAN.EA" und sobald die kommt – so lockt der schwäbische Autobauer heute schon -, soll ein Elektro-Wohnmobil mit ins Portfolio kommen.
Das ist neu am E-Sprinter
Für den neuen E-Sprinter haben sich die Entwickler und Entwicklerinnen – dafür, dass es "nur" eine Brückentechnologie ist -, aber einiges einfallen lassen. Zum einen wandert der Motor ins Heck, über die Hinterachse, die eigens dafür neu konstruiert wurde. Die Achse selbst ist eine Starrachse, die von Blattfedern aus Kunststoff geführt wird. Der Motor ist gummigelagert ins Chassis integriert.
Von ihm verlaufen zwei Antriebswellen direkt oberhalb der Achse an die beiden Hinterräder. Diese Konstruktion nennt sich De-Dion-Achse. Vorteil: Sturz und Spur der Räder bleiben über den gesamten Federweg konstant. Die ungefederten Massen sind aber – wie bei allen Starrachsen – gegenüber der herkömmlichen Konstruktionsweise deutlich reduziert.
So fährt sich der E-Sprinter
Kurz auf den Start-Knopf drücken und der Sprinter erwacht zum Leben. Mercedes-like sitzt der Fahrmodus-Wahlhebel hinter dem serienmäßigen Multifunktionslenkrad – wir wechseln auf Position D. Wer nun den Fuß von der Bremse nimmt, erlebt, wie der große Kasten lautlos Fahrt aufnimmt. Ein eigenes Fahrgefühl, ganz ruhig, vibrationsfrei. Bei beherztem Tritt aufs Pedal beschleunigt er elegant, aber nicht dramatisch.
Den Permanent-Magnet-Synchronmotor gibt es mit 100 und 150 kW Spitzenleistung. Serienmäßig läuft der Sprinter damit maximal 90 km/h, optional gehen 120 km/h Höchstgeschwindigkeit. Mit seinen 4,25 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht darf der Sprinter aber eh nur Tempo 100 fahren.
Die typische Kurier-Sprinter-Autobahnhatz geht damit also nicht. Die Tempo-90-Begrenzung ist sicher eine Maßnahme, um annähernd auf die versprochene Reichweite zu kommen. Für Vans, die außerhalb urbaner Gefilde unterwegs sind, sind 90 km/h auf deutschen Landstraßen und Autobahnen allerdings schon ein gewisses Handicap.
Dabei fehlt es dem Elektromotor mit bis zu 400 Nm Drehmoment keineswegs an Kraft. Doch die Leistungskonfiguration ist bei allen E-Vans von Mercedes vor allem Reichweiten-freundlich ausgelegt. Sprich: So eine richtig e-mäßige Beschleunigung darf man vom Sprinter nicht erwarten. Dafür geht es richtig schnell durch Kurven. Die Batterie zwischen den Achsen sorgt für einen merklich tiefen Schwerpunkt, die Federung vorn wie hinten arbeitet komfortabel und fühlt sich bei der ersten Probefahrt ausgewogen an. Immer noch ein wenig mit Wankneigung an der Vorderachse, aber deutlich geringer als früher.
Die Elektronik für die Elektrik
Um die Reichweite möglichst hochzuhalten, rekuperiert der Sprinter fleißig. Entweder automatisch (im D-Auto-Modus) oder in vier weiteren Energierückgewinnungs-Konfigurationen. Um zwischen denen hin- und herzuschalten, nutzt man die Wippen hinter dem Lenkrad, diese sind vom Diesel-Sprinter mit Automatikgetriebe als Schaltpaddel bekannt. Je nach Einstellung "segelt" der Sprinter dann permanent, oder schiebt schön, wenn man das Fahrpedal lupft, in den Dynamo-Effekt hinein, als stünde man ordentlich auf der Bremse.
Im D-Automodus macht das Fahrzeug das alles allein und das höchst elegant und unter Einbeziehung vieler Parameter. Die Steuerung erkennt beispielsweise Bergabfahrten und nutzt die Fahrzeugsensoren wie den Abstandsradar, aber auch das Kartenmaterial aus dem Navigationsgerät mit den Angaben zur Topografie. Diese Technik ist nicht wirklich neu, trotzdem faszinierend, wie der Wagen etwa auf der Autobahnausfahrt oder vor Kreuzungen von allein bremst. Hier kommt noch hinzu, dass der E-Sprinter seine Autonomiefähigkeiten mit der Umfelderkennung geschickt zum Rekuperieren, also Wiederaufladen der Batterie nutzt.
Apropos autonomes Fahren: Der Abstandstempomat funktioniert bei unserer Testfahrt hervorragend. Der Spurhalteassistent ist allerdings immer noch nicht auf dem Niveau der besten Konkurrenten, wie etwa dem VW Crafter. © Promobil
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