Es ist Mitte Dezember und eine feine Eisschicht hat sich auf der Windschutzscheibe unseres Nissan Voltia Elektro-Van gebildet. Nicht wirklich die beste Jahreszeit, um einen Kastenwagen in einen Campervan umzubauen, noch dazu, wenn man keine Garage hat.
Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Schließlich wollen wir ja so schnell wie möglich gen Süden. Im Dezember 2021 haben wir Haus und Farm samt geplantem Ökotourismusprojekt auf der kanarischen Insel La Palma durch den Vulkanausbruch verloren. Unsere Zukunftspläne sind erst einmal unter zehn Meter Lava begraben.
Elektro-Camper für La Palma
Nach einem Jahr Warterei hat die Regierung nicht entschieden, ob man auf der Lava wieder bauen darf. Des Wartens müde und unseres Plans beraubt, entschließen wir uns, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Unseren alten qualmenden Mitsubishi Pajero gegen ein Elektroauto zu tauschen. Warum nicht gleich einen Camper kaufen, um damit ein paar Monate über die Insel zu tingeln?
La Palma ist ideal für Elektroautos. Die EU hat hier großzügig den Bau von Ladestationen unterstützt. Einige sind sogar mit Photovoltaikanlagen ausgestattet, die noch dazu kostenlos genutzt werden können.
Umbau des E-Vans zum Elektro-Camper
Wir machen uns auf die Suche nach einem günstigen kleinen Elektro-Kastenwagen. Da davon noch nicht viele auf dem Markt sind, ist die Auswahl recht beschränkt, zumal unser Budget nur etwa 20.000 Euro beträgt. Bei einem Händler in den Niederlanden werden wir dann fündig.
Wir kaufen einen fünf Jahre alten Nissan e-NV 200, der von der slowakischen Firma Voltia nicht nur ein Hochdach verpasst bekommen hat, sondern geschickt auf 5,03 Meter verlängert wurde. Im Van aufrecht zu stehen, ist schon sehr angenehm und die Extralänge erlaubt es uns, neben einem bequemen Doppelbett noch eine Toilette unterzubringen.
Was die Bordtechnik angeht, haben wir das Fahrzeug mit einem 375-Watt-Solarpanel, einem 3.000-Watt-Wechselrichter und einer 200-Ah-Lithiumbatterie samt Laderegler ausgestattet. Das Ziel, unser Auto über Solarmodul und Batterie im Notfall zu laden, erreichen wir damit nicht, aber immerhin können wir morgens dank 230 Volt und ausreichend Watt unsere Kaffeemaschine anschmeißen.
Doch nun zum Manko des Fahrzeugs: Da es sich um ein älteres Modell handelt, ist der Wagen nur mit einer 24-kW-Batterie ausgestattet. Das bedeutet, die angegebene Reichweite von rund 120 Kilometern hat sich aufgrund des Alters und des höheren Gewichts auf 100 Kilometer reduziert.
Umständliches Laden
Eine Schnelllademöglichkeit mit Chademo-Stecker verkürzt zwar die Ladezeit gravierend, aber uns ist bewusst, dass wir auf großen Fahrten viele lange Kaffeepausen einlegen müssen. 100 Kilometer Reichweite sind auf der kleinen Insel La Palma kein Problem, aber irgendwie muss man erst einmal hinkommen.
Vor dem Start unserer Reise informieren wir uns erst einmal im Web, wie denn das so mit dem Stromtanken funktioniert. Einfach an eine Ladesäule anfahren, Kreditkarte vor das Gerät halten und schon fließt der Strom? Das funktioniert nicht. Für viele Ladesäulen muss zu Beginn eine App heruntergeladen und dann ein Konto eröffnet werden. Das will mit allerhand Informationen über Kreditkarte, Adresse und Autodaten gefüttert werden, und erst wenn auch wirklich alles ordnungsgemäß eingetragen ist, kann man den Ladevorgang starten.
Praktischer sind da Ladekarten, mit denen man sich Zugang zu einem Netzwerk verschaffen kann. Wer durch verschiedene Länder reist, sollte vorher prüfen, welche Ladekarte in diesen Regionen das beste Netzwerk hat. Zu Beginn unserer Reise besorgen wir uns drei Karten: Chargemap, Electromaps und Plugsurfing. Während der Tour müssen wir insgesamt 19 Apps herunterladen. Chargemap wird unsere favorisierte Ladekarte. Sie funktioniert auch an vielen Ladesäulen in Frankreich und Spanien. Das Auffinden der richtigen Ladestation stellt eine weitere Herausforderung dar.
In den Apps kann man eingeben, welche Ladevorrichtung im Fahrzeug installiert ist. So hat man etwa in Chargemap immerhin 27 verschiedene Steckertypen zur Auswahl vom Tesla Supercharger über Combo CCS bis zur italienischen Steckdose. Korrektes Filtern ist ein Muss, denn nichts ist ärgerlicher, als mit seinem kleinen Nissan Camper neben einem Tesla-Fahrer zu stehen, der seinen schnittigen Sportwagen mit 350 kW Leistung lädt, während man selbst vergeblich nach einem Chademo-Anschluss sucht. Auch die Info, ob Ladesäulen belegt oder defekt sind, sollte man im Voraus prüfen. Wer so eine geringe Reichweite hat wie wir, muss umso besser planen.
Reise von Köln, über Montpellier bis Huelva
Unsere Reise soll uns von Köln über Avignon, Montpellier, entlang der spanischen Küste nach Huelva führen, von wo aus wir die Fähre nach La Palma nehmen wollen. Einige Apps bieten die Möglichkeit, eine Route einzugeben und diese durch Angaben über Reichweite und den gewünschten Akkustand bei Ankunft an den Ladesäulen zu optimieren.
Als wir Köln–Huelva in Chargemap eingeben, erhalten wir erst einmal die unerfreuliche Mitteilung: "Es wurden keine Strecken gefunden. Es gibt nicht genügend Ladestationen auf der Strecke, die mit der Reichweite Ihres Fahrzeuges kompatibel sind." Wir versuchen es mit einer kürzeren Strecke, und zwar Köln–Barcelona. Das funktioniert.
Beim Checken der Apps können wir sehen, dass es einige Ladestationen gibt, die Chargemap nicht auf dem Radar hat, so dass wir relativ sicher sind, mithilfe anderer Anbieter die Ladelöcher bis nach Huelva füllen zu können. Wir planen immer eine Reserve von 20 Prozent ein, denn wir stellen bald fest, dass manche Säulen defekt sind oder gar nicht existieren.
18 Tage für 3.500 Kilometer
Wenngleich wir nervenaufreibende Situationen erleben und das Aufladen unseres Campers viel Zeit in Anspruch nimmt, wird die Reise nach La Palma ein großartiges Erlebnis. Fantastische Landschaften, malerische Dörfer und Städte, kulinarische Highlights und Stellplätze direkt am Wasser und in den Bergen sind das, was uns in Erinnerung bleibt. Wir wären gerne langsamer durch Frankreich gefahren, aber eine Kältewelle treibt uns nach Süden.
Fazit unserer Tour
Insgesamt brauchen wir 18 Tage, bis wir nach 3.500 gefahrenen Kilometern und 98 Ladevorgängen in Huelva auf die Fähre rollen. Menschen, die gerne campen, sind meist sehr naturverbunden. Der Wunsch eines Umstiegs vom Wohnmobil mit Verbrennungsmotor auf ein Fahrzeug mit Elektroantrieb ist bei vielen schon da.
Große Unsicherheit herrscht allerdings wegen der Reichweiten. Denn eines ist klar: Wer mit dem Camper unterwegs ist, liebt die Unabhängigkeit, das Abenteuer und die Flexibilität. Geringe Reichweiten schränken ein.
Man muss manchmal auf einen spontanen Abstecher in unbekanntes Terrain verzichten, wenn es dort keine Ladestationen gibt. Und je mehr Natur, desto dünner ist die Ladeinfrastruktur. Unsere Reise zeigt, dass das Ladesäulennetzwerk in den von uns befahrenen Ländern recht gut ausgebaut ist, also in Deutschland, in den Niederlanden, Luxemburg, Frankreich und Spanien.
Auf den Hauptrouten kommt man hier selbst mit einer geringen Reichweite von 100 Kilometern zurecht, wenn man genügend Zeit hat. Um eine Reise allerdings entspannt genießen zu können, ist unserer Ansicht nach eine Reichweite von mindestens 250 Kilometern nötig. © Promobil
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