München (dpa) - Freie Fahrt in Europa - das ist erst einmal vorbei. Die Schlagbäume sind angesichts der Flüchtlingsströme teils wieder gefallen. Urlauber müssen sich auf unliebsame Behinderungen einstellen. Verkehrsexperten erwarten bei der Rückreise aus den Osterferien Extra-Staus.

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Auch Touristiker rechnen mit Auswirkungen. Zunächst sollen die Kontrollen bis Mitte Mai bleiben - sonst ist auch der Sommer-Urlaubsverkehr gen Süden betroffen.

Die Wartezeiten könnten vor allem Kurzurlauber abschrecken. Da die Kontrollen die Grenzübergänge zwischen Bayern und Österreich beträfen, sei davon auszugehen, dass ebenso viele Deutsche von einer Reise nach Österreich absehen wie Österreicher ihre Reiseabsicht nach Deutschland verschieben, sagte eine Sprecherin des bayerischen Wirtschaftsministeriums.

Der Tourismusverband Oberbayern sieht die andauernden Grenzkontrollen positiv. "Wir erwarten, dass die Tourismuswirtschaft der Region durch die Kontrollen gestärkt wird. Besonders während der Ferienzeit rechnen wir mit steigenden Besucherzahlen", sagte ein Sprecher. Um die Kontrollen zu umgehen, könnten vor allem Tagesausflügler aus Süddeutschland vermehrt Ausflugsziele in Oberbayern besuchen.

In den Urlaubsgebieten werden die Auswirkungen unterschiedlich bewertet. "Wir haben gar keine Probleme", hieß es vom Tourismusverband Tirol. Salzburg verzeichnet hingegen einen Rückgang an Gästen aus Süddeutschland. Zwischen September und Dezember hätten Urlauber aus Bayern und Baden-Württemberg um zehn Prozent seltener in Salzburg übernachtet, hieß es beim Tourismusbüro. Die Übernachtungen aus dem übrigen Deutschland seien aber konstant geblieben.

Deutsche Gäste machen rund die Hälfte aller Übernachtungen in österreichischen Hotels und Pensionen aus. Die Marketingorganisation "Österreich Werbung" verzeichnete zwischen November und Januar trotz Kontrollen ein Plus von 2,7 Prozent, bei deutschen Gästen gab es sogar ein Plus von 6,2 Prozent. "Die anfänglich befürchteten Auswirkungen sehen wir nicht", sagte die Sprecherin.

Die Wirtschaftskammer Österreich sieht die Grenzkontrollen kritischer. Nach Schätzungen gab es einen Rückgang von 10 bis 30 Prozent bei Tagestouristen in Skigebieten in West-Österreich.

Unterdessen bereitet sich die Bundespolizei auf die Reisewelle vor. Die Kontrollen an den Grenzübergängen Walserberg bei Salzburg, Rottal-Ost auf der A3 bei Passau und Kiefersfelden bei Kufstein sorgen seit dem Beginn der Flüchtlingskrise immer wieder für Staus bei der Einreise.

Schon in den Weihnachtsferien und an anderen Stautagen habe die Bundespolizei die sonst einspurige Kontrolle flexibilisiert, sagte Matthias Knott, Vize-Pressesprecher der Bundespolizeidirektion München. "Dadurch hat man jetzt die Möglichkeit, bei starkem Verkehrsaufkommen die zweite Spur zu öffnen. Dann wird die stationäre Kontrolle ersetzt durch mobile Kontrollen." Wie bei der Schleierfahndung stehen Fahnder dann teils in Zivil am Fahrbahnrand, beobachten den Verkehr und ziehen Autos zur Kontrolle heraus.

Der ADAC und der Autoclub ÖAMTC warnen zu Ostern vor besonderen Engpässen bei der Rückreise. Gründonnerstag sei wahrscheinlich wie jedes Jahr der staureichste Tag, sagte ADAC-Sprecher Andreas Hölzel. Schon am Ostersamstag beginne die Rückreise. "Der Ostermontag wird definitiv recht voll werden, vor allem am Nachmittag sollte man sich auf jede Menge Staus und Wartezeiten einstellen. Wir hatten früher schon Ostermontag Staus. Jetzt haben wir noch die Grenzkontrollen."

Als "Schleichwegtipps" nennt Hölzel unter anderem den Übergang Scharnitz, Griesen als Ortsteil von Garmisch-Partenkirchen, den Achenpass oder Kössen nahe Kufstein. "Das sind Grenzübergänge, die man schon empfehlen kann", sagte Hölzel. Allerdings gibt es auch dort stichprobenartig Kontrollen - und wenn viele über diese Routen ausweichen, könnte es auch da Stop and Go geben. Zu Ostern sind immerhin die angekündigten Grenzkontrollen an Österreichs Südgrenze noch nicht im Einsatz. Die Fahrt über den Brenner ist also noch frei.

Wirtschaftsverbände haben angesichts der Grenzkontrollen vor einem dauerhaften Zustand gewarnt. Eine Studie der Prognos AG im Auftrag der Bertelsmann Stiftung rechnet bei der dauerhaften Rückkehr zu innereuropäischen Grenzkontrollen mit Wachstumsverlusten zwischen 77 und 235 Milliarden Euro allein für Deutschland bis 2025.  © dpa

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