Nicht nur bei der Bahn wird über Arbeitsbedingungen und Gehalt verhandelt. Auch im öffentlichen Dienst streiten Gewerkschaften und Arbeitgeber. Jetzt könnte jedoch ein Durchbruch kurz bevorstehen.
Showdown im Tarifpoker des öffentlichen Dienstes der Länder: Wochenlang haben die Gewerkschaften Hochschulen, Unikliniken und Verwaltungen bestreikt. An diesem Donnerstag kommen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Potsdam zum möglichen Finale ihrer Verhandlungen zusammen. Es gibt Signale für einen Durchbruch – aber sicher ist das noch lange nicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Wer ist von den Verhandlungen betroffen?
Direkt betroffen sind die rund eine Million Tarifbeschäftigte der Länder. Üblicherweise wird ein Abschluss auf die Beamtinnen und Beamte übertragen – so kommt man auf mehr als drei Millionen Betroffene. Verhandelt wird etwa für Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen sowie für Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte an Unikliniken. Strafvollzug und Justizwesen sind genauso betroffen wie die Kitas in Berlin. Nicht betroffen ist Hessen, da das Land nicht zur Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) gehört, mit der Verdi und der Beamtenbund dbb am Tisch sitzen.
Was fordern die Gewerkschaften?
10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr. Nachwuchskräfte sollen 200 Euro mehr erhalten. Die Tariflaufzeit soll zwölf Monate betragen. Für Berlin, Hamburg und Bremen verlangen die Gewerkschaften eine Stadtstaatenzulage von 300 Euro. "Wir treten dafür an, dass der Reallohnverlust ausgeglichen wird", bekräftigte Verdi-Chef Frank Werneke noch einmal am Dienstag bei einer Großdemo vor rund 15.000 Beschäftigten in Düsseldorf mit Blick auf die über Monate hohe Inflation in Deutschland.
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Welche Rolle spielt die aktuelle Haushaltskrise bei der Tarifrunde?
Die Arbeitgeber sagen, sie enge ihre Möglichkeiten ein. Der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), beziffert die Kosten einer vollständigen Übernahme der Gewerkschaftsforderungen auf 20,7 Milliarden Euro. Die Auswirkungen des Karlsruher Haushaltsurteils könnten für die Länder laut Dressel auf eine Verminderung zur Verfügung stehender Mittel in zweistelliger Milliardenhöhe hinauslaufen. "Natürlich ist das etwas, was die Länder nicht ohne Weiteres kompensieren können", sagte Dressel. Dies mindere den Verteilungsspielraum.
Woran orientieren sich die Verhandlungen?
Am Abschluss für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen vom April. Nach monatelangem Ringen und einer Schlichtung umfasste das Ergebnis unter anderem steuer- und abgabenfreie Sonderzahlungen von insgesamt 3.000 Euro, einen Sockelbetrag von 200 Euro sowie anschließend 5,5 Prozent mehr. Auch in diese Tarifrunde waren die Gewerkschaften mit der Forderung von 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro mehr gezogen.
Welche Bedeutung hat der Abschluss von Bund und Kommunen?
Vor allem für die Gewerkschaften eine große. "Wir müssen die Lücke zu Bund und Ländern schließen", sagte dbb-Chef Ulrich Silberbach der Deutschen Presse-Agentur. Der Verdi-Vorsitzende Werneke sagte der dpa: "Zehntausende von Stellen im öffentlichen Dienst der Länder sind bereits unbesetzt." Dabei stehe die eigentliche Herausforderung des Generationswechsels noch bevor. "Ohne eine angemessene und mit dem Bund und den Kommunen vergleichbare Bezahlung wird sich die Besetzungssituation weiter drastisch verschlechtern."
Wollen die Länder den Abschluss von Bund und Kommunen übernehmen?
Sie wollen finanziell darunter bleiben. Aber TdL-Chef Dressel meint, "in der Struktur" könnten sich die Länder eine Übernahme des Tarifergebnisses vom April vorstellen. Man könne dann "relativ zeitnah auch mit einer Einmalzahlung" starten. Allerdings schlüge eine komplette Übertragung des Abschlusses von Bund und Kommunen laut TdL mit Kosten von rund 17 Milliarden Euro zu Buche – das ist den Arbeitgebern zu viel.
Wo sind also die Knackpunkte?
Da sind vor allem der Umfang und mögliche Stufen einer linearen Erhöhung, aber auch Bedeutung und Gestaltung von Einmalzahlungen. Gar nicht einverstanden sind die Länder mit der geforderten Stadtstaatenzulage für Berlin, Hamburg und Bremen. Dies würde laut Dressel "neue Probleme" schaffen – schließlich gebe es auch andere Ballungsräume mit hohen Miet- und Lebenshaltungskosten.
Wie sind die Szenarien für die aktuelle Tarifrunde?
Silberbach und Werneke fordern zunächst vor allem einmal ein Angebot der Arbeitgeber. Eine Verständigung in Potsdam hält Silberbach für durchaus möglich – mehrere Landesfinanzminister hätten ihre entsprechende Bereitschaft bekundet. Auch Dressel sagt: "Das ist unser fester Wille." Angesichts der krisengeschüttelten Zeiten wäre ein Abschluss ein wichtiges Zeichen. Aber ärmere Länder sträuben sich laut Insidern gegen einen aus ihrer Sicht zu hohen Abschluss. Die eigentlich auf zwei Tage anberaumte Verhandlungsrunde könnte sich bis ins Wochenende ziehen.
Was wären die Folgen eines Scheiterns in Potsdam?
Eine Schlichtungsvereinbarung wie bei Bund und Kommunen gibt es für die Länder nicht. Werneke hatte für ein Scheitern der dritten Runde auf die Möglichkeit weiterer Verhandlungstermine hingewiesen. Das könnte dann von weiteren Warnstreiks begleitet werden. Silberbach verweist auf die Ausstände und Aktionen der vergangenen Wochen und "den Ärger und die Entschlossenheit" der Beschäftigten. Er sagt sogar: "Die Kolleginnen und Kollegen sind auch im Länderbereich an vielen zentral wichtigen Stellen zu Erzwingungsstreiks in der Lage." So einen breiten Streik müssten die Gewerkschaften per Urabstimmung in die Wege leiten. (dpa/the)
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