Mit einem Minicamper durch Japan reisen: Von Nikko über Aizu-Wakamatsu bis Aomori. Praktische Tipps für Autofahren und Übernachten inklusive.
Ich bin auf dieser Reise mit einem Minicamper unterwegs, ein kleines Auto vom Typ Nissan NV 100, das sehr oft auf den japanischen Straßen zu sehen ist. Obwohl die Außenmaße wirklich klein sind, hat der Camper alles, was man braucht: Es gibt einen kleinen Kühlschrank, der hintere Teil des Autos kann zu einer Liegefläche umgebaut werden, im Stauraum finden sich Gaskocher, ein Tischchen und Campinggeschirr, auch zwei faltbare Sitze sind mit dabei. Die Fenster können in der Nacht abgedeckt werden und eingebaute Ablagen sorgen für Ordnung. Alleine schläft es sich bequem, aber auch zu zweit ist das Übernachten möglich – etwas Kuschelvermögen vorausgesetzt. Mit Körpergrößen ab 1,90 Meter kann es allerdings im Minicamper etwas eng werden.
Ein wenig ungewohnt ist er schon, der Linksverkehr in Japan. Nicht nur, dass der Blinker da sitzt, wo sonst der Scheibenwischer eingeschaltet wird. Auch an das Rechtsabbiegen muss man sich gewöhnen, während das Linksabbiegen eher unproblematisch ist – einfach links um die Ecke fahren. Die größte Erleichterung aber überkommt den europäischen Fahrer, wenn er auf die Autobahnschilder blickt: Unter der japanischen Schrift steht der Ortsname in lateinischen Buchstaben – wir können also lesen, dass es zum Beispiel nach der Stadt Nikko noch 30 Kilometer sind. Und wer soweit gekommen ist, hat auch die größte Hürde für Autofahren in Japan bereits hinter sich gelassen – die japanische beglaubigte Übersetzung des deutschen Führerscheins.
Start in Nikko
Nikko also ist der Startpunkt für die Reise nach Tohoku, dem nördlichen Teil der Hauptinsel Honshu, eine touristisch noch wenig erschlossene Region. Für Nikko selbst gilt das freilich nicht, die Stadt mit ihren rund 77.000 Einwohnern, sie liegt gut 150 Kilometer nördlich von Tokio, ist einer der Höhepunkte einer Japanreise. Das ist unter anderem dem 400 Jahre alten Schrein Toshogu zu verdanken, er gehört zum Weltkulturerbe. Wer die weitläufige Anlage mit seinen diversen Gebäuden betritt, macht zugleich einen Ausflug in die japanische Geschichte: in die Edo-Zeit (1600 – 1868), um genau zu sein. Denn der Schrein ist dem berühmten Shogun Ieyasu Tokugawa gewidmet, der dort seine letzte Ruhestätte gefunden hat.
Sehenswürdigkeiten in der Stadt Aizu-Wakamatsu
Weiter geht es nach Norden. Nächste Station ist die Stadt Aizu-Wakamatsu mit ihren 117.000 Einwohnern, früher eine feudale Hauptstadt. Das Navi führt mich sicher zur wichtigsten Sehenswürdigkeit der Stadt, der großen Burg Tsuruga-jo. Der kostenpflichtige Parkplatz (500 Yen) liegt innerhalb des Burggeländes, in dem auch ein altes Teehaus zu finden ist. Jetzt, Anfang September, ist es noch immer sehr heiß, und im Park hat man deswegen kleine Sprinkleranlagen aufgebaut, die das Wasser zerstäuben.
Am Schalter für die Eintrittskarten frage ich: "Reibo arimaska?" "Ja", sagt die Frau hinter dem Schalter, es gibt drinnen eine Klimaanlage, und reicht mir das Ticket für 520 Yen. Im Gebäude befindet sich auf mehreren Stockwerken ein Museum zur Geschichte der Burg, die auf das Jahr 1384 zurückgeht. Zu sehen sind auch mehrere Samurai-Rüstungen. Der fünfstöckige Turm wurde im Bürgerkrieg 1874 zerstört, bis er 1965 wieder aufgebaut wurde. Der Krieg zwischen den Samurai von Aizu und der Meiji-Zentralregierung endete mit der Niederlage des Aizu-Clans und läutete den Niedergang der Kriegerkaste ein.
Auf den Spuren japanischer Mythen in Tono
Von Aizu-Wakamatsu führt mich mein Reiseplan in eine Gegend, die weniger kriegerisch ist, als handle es sich um eine andere Welt. Tono ist eine kleine Stadt mit 30000 Einwohnern in der tiefsten Provinz, inmitten von Reisfeldern und umgeben von Bergen. Aus dieser Gegend stammen japanische Sagen und Märchen, die mit sonderbaren Wesen bevölkert sind. Nachlesen kann man sie in der bekannten Geschichtensammlung "Die Legenden von Tono". Zu den seltsamen Gestalten gehören auch die "Kappa", kleine grüne Wesen, die in den Sümpfen und Tümpeln rund um Tono leben sollen. Wer wissen will, wie das Leben der Menschen früher aussah, kann das Museumsdorf "Furusato Village" besuchen. Dort finden sich traditionelle L-förmige, strohgedeckte Bauernhäuser.
Mein Weg führt mich durch eine Landschaft, in der gelbe Reisfelder leuchten und Brücken über tiefe Schluchten führen. Mit meinem Minicamper bin ich nun unterwegs in Richtung Meer, der japanischen Ostküste. Die wurde 2011 durch den damaligen Tsunami schwer in Mitleidenschaft gezogen, doch Matsushima ist davon weitgehend verschont geblieben. Die kleine Stadt war durch die 260 vorgelagerten Inseln geschützt. Diese Bucht gilt als eine der drei großen Sehenswürdigkeiten Japans. Ich packe meine Fotokamera und überquere die 252 Meter lange Brücke zur Fukuura-Insel. Die rote Brücke über der Bucht ist eines der bekanntesten Fotomotive.
Für die Weiterfahrt rüste ich mich mit einem Besuch in einem Konbini. "Konichiwaa" ("Guten Tag") tönt es mir entgegen, als ich den kleinen Supermarkt betrete. Konbinis sind eine der vielen praktischen Einrichtungen in Japan. Die Läden haben 24 Stunden geöffnet, verfügen über Toiletten und bieten alles, was man so braucht: Bier, Kugelschreiber, Lebensmittel, heißen Kaffee, warme Würstchen, eine Mikrowelle für die Fertiggerichte. Es gibt sie im ganzen Land und ihre Namen verraten den amerikanischen Ursprung in der Nachkriegszeit: 7-Eleven, Lawson, FamilyMart.
Eine bunte Nacht mit dem Camper in Kuji
Meine nächste Station der Camper-Tour wird aufregend, doch der Reihe nach. Als Stellplatz für meinen Minicamper diese Nacht habe ich mir nicht einen Campingplatz, sondern einen Rastplatz an der Straße ausgesucht. Und zwar in der Stadt Kuji nahe der Küste. Über Kuji weiß ich eigentlich nichts, will dort nur übernachten. Doch "oh, oh!" denke ich mir, als ich in der Stadt zum ersten Mal umgeleitet werde. Schließlich erreiche ich den Rastplatz und kann mich noch auf einen der letzten freien Parkplätze stellen. Denn hier ist Remmidemmi angesagt, die Stadt feiert ihr jährliches Sommerfest. Den Parkplatz säumen Dutzende von Imbissbuden und die Einwohner der Stadt sind fröhlich unterwegs, es wird gegessen, geratscht, man sitzt und steht herum – ein buntes Treiben. Ich kaufe mir auch ein paar gebratene Spießchen, trinke ein Dosenbier und warte, bis um 21.00 Uhr die Buden schließen und die Feiernden sich allmählich verlaufen. Dann klettere ich in meinen Minicamper und schlafe ein.
Der nächste Tag hat es in sich. Vom Tourismusbüro an der Raststätte bekomme ich den Hinweis, dass heute Vormittag eine halbe Fahrstunde entfernt die "Ama" eine Vorführung ihrer Tauchkünste geben. "Ama", das sind die "Seefrauen", die nur mit einer Taucherbrille ausgerüstet an der felsigen Küste nach Seeigeln und anderem Getier tauchen. Als ich im Ama-Center in Kosode ankomme, steht schon eine Menschentraube am Ufer, um zwei jungen Frauen zuzusehen, wie sie die Seeigel vom Grund heraufbringen. Sie können anschließend von den Besuchern roh verspeist werden. Die Ama haben es sogar zu einer eigenen Fernsehserie gebracht. Zurück in Kuji, beginnt dort gerade das Sommerfest, etliche Straßen sind gesperrt. Dann ziehen die riesigen Festwagen durch die Stadt, auf denen Dämonen, Samurai und Drachen zu sehen sind. Es ist ein Riesenspektakel mit hunderten Teilnehmern, das bis in den Abend dauert.
Von Misawa nach Aomori und dem Nebuta-Fest
Meine Fahrt geht weiter entlang der Küste. Bei der Stadt Misawa gibt es noch eine historische Stätte zu besichtigen. Am Sabishiro-Strand findet man den Nachbau eines einmotorigen Flugzeugs aus den 1930er Jahren.Hier startete die "Miss Veedol" im Oktober 1931 zum ersten Nonstop-Flug über den Pazifik von Japan nach den USA.
Schließlich erreiche ich das Ziel dieser Reise: Aomori. Die Hafenstadt mit ihren 300.000 Einwohnern ist ein Ausgangspunkt für die Fähren nach Hokkaido und bekannt für das berühmte Nebuta-Fest. Das findet im August statt, die Festwagen und fantastischen Masken kann man aber das ganze Jahr über im neuen futuristischen Nebuta-Museum sehen und das dazugehörige mächtige Trommeln hören.
Tipps für eine Camping-Reise in Japan
Folgende Punkte sollten Sie für eine Camping-Reiseplanung beachten.
Anreise: Nachdem die Grenzen von Japan während der Coronazeit geschlossen waren, ist seit 2023 wieder die unbegrenzte Einreise möglich. Allerdings haben sich wegen des Krieges in der Ukraine die Luftwege verändert und verlängert. Statt über Russland wird nun über eine Nord- oder eine Südroute geflogen. Lufthansa und ANA fliegen nach Japan, aber auch die finnische Finn Air bietet eine Verbindung an. Sie fliegt von Helsinki aus über die Nordroute nach Tokio zu den Flughäfen Haneda (täglich) und Narita (viermal die Woche). Zubringer nachHelsinki gibt es von mehreren deutschen Städten wie etwa München. Die Fluglinie will ab 2024 auch Osaka fünfmal die Woche anfliegen. Die Flugpreise liegen derzeit um die 1.400 Euro.
Miet-Camper: In Japan gibt es mehrere Vermieter von Wohnmobilen und Campervans. Nahe dem Tokioer Flughafen Narita gelegen sind "JapanCampers". Deren Flotte reicht von den Minicampern bis hin zu großen Wohnmobilen. Man spricht Englisch, die Autos sind mit Navi, Kühlschrank, Kocher und Sitzen ausgestattet, angeboten wird auch eine Unterkunft direkt auf dem Gelände und die Kunden werden vom Flughafen abgeholt. Die Preise: 7.000 Yen (45 Euro) pro Tag für einen Mini, bis zu 19.000 Yen (120 Euro) pro Tag für ein Motorhome.
In Tokio und Osaka sitzen Japan RVRentals. Deren Preise beginnen bei 16.500 Yen (100 Euro) für einen Toyota-Camper pro Tag und reichen bis 32.000 Yen (200 Euro) pro Tag für ein Motorhome.
Autofahren in Japan: Wer aus Deutschland oder der Schweiz stammt und in Japan Autofahren will, benötigt eine beglaubigte japanische Übersetzung des deutschen Führerscheins! Man muss dann diese Übersetzung sowie seinen Führerschein bei sich führen. Manche Reiseveranstalter bieten einen Übersetzungsservice an, zum Beispiel Japan-Experience für 75 Euro.
In Japan gilt Linksverkehr! Man sollte sich am Beginn eines Wohnmobil-Urlaubs die Zeit nehmen, sich damit vertraut zu machen. Im Großen und Ganzen ist der Autoverkehr in Japan aber eher entspannt, man fährt defensiv. Die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen liegt meist bei 80 km/h, auf Landstraßen bei 40 km/h. Insgesamt ist das Straßennetz nicht so gut ausgebaut wie in Deutschland, man muss für die Überwindung von Entfernungen eine längere Zeit einplanen. Auf Autobahnen wird eine Maut verlangt, die ganz schön zu Buche schlagen kann; 50 Euro für 600 Kilometer sind nicht ungewöhnlich.
Stressig werden kann es auf den Autobahnen mit ihren Abfahrten in den Ballungsgebieten wie Tokio oder Osaka. Und in den größeren Städten ist es schwierig, einen Parkplatz zu finden, auch hier wird man gern zur Kasse gebeten.
Stehenbleiben und Übernachten: Im Grunde kann man sich in Japan fast überall mit seinem Wohnmobil hinstellen. Kostenlose Übernachtungsplätze findet man auf den "Michi no eki" (Raststätten) an den Landstraßen. Sie bieten Toiletten, Restaurants und lokale Lebensmittel. Diese Raststätten sind über das ganze Land verstreut und leicht mit dem Navi zu finden. Auch auf den Autobahnraststätten kann man übernachten. Wer lieber auf Rasen statt auf Asphalt setzt, sollte einen der vielen Campingplätze ansteuern. Die Preise variieren je nach Region und Ausstattung. Und wenn es sein muss, kann man auch auf dem Parkplatz vor einem Konbini übernachten. Diese Läden haben 24 Stunden geöffnet und bieten alles Notwendige für den Alltag.
Japan als Reiseland: Reisen ist in Japan unkompliziert. Das liegt auch daran, dass dieses Land von Regeln durchdrungen ist, die auch eingehalten werden. Bei Rot über die Ampel eher nicht und Parken bitte genau zwischen den Markierungen. Wohnungen und Tempel betritt man ohne Schuhe und auf der (privaten) Toilette stehen extra Schlappen bereit. Man ist pünktlich und sehr höflich, die Kriminalität ist gering. Man badet gerne nackt im heißen Wasser an der Schmerzgrenze, meist nach Männlein und Weiblein getrennt ("Onsen" werden diese Bäder genannt). Ein eigenes Kapitel sind die blitzsauberen Toiletten mit ihren Hightech-Kloschüsseln; man muss nur den richtigen Spülknopf finden. Da die Sommer sehr heiß sein können, bieten sich Frühjahr und Herbst als beste Reisezeit an.
Sprache: Japanisch ist eine sehr schwierige Sprache, die den Ausländer gerne verzweifeln lässt. In den größeren Städten wird manchmal Englisch gesprochen, in der Provinz eher nicht. Dann muss man sich mit Händen und Füßen verständigen. Alle Autobahnschilder und auch die Hinweise in den Bahnhöfen etwa sind aber zusätzlich mit lateinischen Buchstaben versehen und somit lesbar. Manche Restaurants bieten Schautafeln mit ihren Gerichten an, auf die man deuten kann. Außerdem gibt es die Übersetzerfunktion auf dem Smartphone. Fazit: Man kann Japan bereisen, auch ohne ein Wort Japanisch sprechen zu können. © Promobil
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