Bei eiskaltem Wetter hat sich vermutlich jeder schon einmal gewünscht, sein Haus nicht zum Einkaufen oder für einen Besuch bei Freunden verlassen zu müssen. Für eine kleine Gemeinde in Alaska ist das kein Problem – sie leben größtenteils in einem Gebäude.
In Whittier in Alaska steht mitten in idyllischer Natur ein 14-stöckiges Hochhaus – und darin lebt ein Großteil der Bevölkerung. In "Begich Towers Incorporated" ist neben Wohnraum für die Gemeinde auch ein Waschsalon, ein Lebensmittelgeschäft, die Post und sogar eine Kirche untergebracht. Als weiteres Wohngebäude gibt es in der Stadt nur einen kleinen Apartmentkomplex, gleich um die Ecke.
Auf die Straße müssen die Bewohner für die örtliche Kneipe. Bei Minusgraden und heftigen Winden, die regelmäßig durch die selbsternannte "City of Whittier" wehen, bleiben die Anwohner aber nach eigenen Angaben lieber im Wohnblock. Einige Lebensmittel und andere nützliche Dinge verkauft der "Kozy Korner Market" im ersten Stock. Je nachdem, was die Betreiber des Ladens auf ihren Einkaufstouren mitnehmen.
In Whittier, Alaska führt ein Tunnel vom Wohnhaus in die Schule
Um zu verhindern, dass Schulkinder bei eisigem Winterwetter draußen herumlaufen, ist die Schule von Whittier sogar durch einen Tunnel mit dem Hochhaus verbunden. Im Gespräch mit "Galileo" erklärte eine Schülerin: "Ich gehe eigentlich kaum raus, mir ist [die Kälte] zu krass." Denn selbst im Frühling soll es durch starke Böen eine gefühlte Temperatur von minus 25 Grad Celsius haben.
Nur im Sommer wendet sich das Blatt: Für rund zwei Monate steigen die Temperaturen. Der versteckte Ort verwandelt sich in ein beliebtes Ziel für Tourismus. Jährlich sollen nach Angaben der Gemeinde über 700.000 Besucher nach Whittier kommen, Kreuzfahrtschiffe legen dann im Hafen an. Die Stadt wirbt mit Aktivitäten wie Camping, Wanderungen oder Kajakfahren. Ein Museum gibt es ebenfalls. Selbstverständlich ist ein Hotel im obersten Stockwerk von "Begich Towers" zu finden.
Mittelpunkt der Gemeinschaft liegt in alter US-Kaserne
Während des Zweiten Weltkriegs wurde Whittier von der US-Armee als Militärstützpunkt gegründet, um unter anderem die strategisch günstige Lage des eisfreien Tiefwasserhafens in der Nähe von Anchorage zu nutzen.
Das Militär baute "Begich Towers" – damals noch unter anderem Namen – und ein weiteres nahegelegenes Gebäude, das "Buckner Building", als Kaserne. Während das "Buckner Building" nie renoviert wurde, ist aus dem anderen Wohnturm der zentrale Knotenpunkt der Gemeinde geworden.
Bis 1960 blieb das Militär in Whittier aktiv, nach Angaben der Stadt betrug die Gesamtbevölkerung bis dahin etwa 1.200 Einwohner. Nach dem Abzug des Militärs sank die Zahl drastisch auf weniger als 300 Menschen, 1969 wurde Whittier zur Gemeinde erklärt.
Manche Bewohner pendeln in die Hauptstadt Anchorage, um zu arbeiten. Andere arbeiten in "Begich Towers" oder für die Fischerei, die Eisenbahn und im Tourismusbereich. Der Altersdurchschnitt scheint recht ausgewogen. Im Jahr 2020 gab es 263 Einwohner, davon 62 Kinder, in der Stadt. Die Bewohner zwischen 18 und 64 Jahren machten 57 Prozent aus. Einige kennen sich seit der Kindheit. Auf der Suche nach Arbeit ziehen aber auch neue Familien an den kuriosen Ort, laut "CNN" viele Menschen aus Guam, von den Philippinen oder Hawaii.
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"Wir sind hier alle eine Familie" heiße es von zahlreichen Hochhausbewohnern. Eine Familie, die offenbar nur für das Nötigste ihr Zuhause verlässt.
Nachts ist der einzige Tunnel nach Whittier gesperrt
Denn auch die Anbindung von Whittier ist eine besondere. Über den Hafen oder durch einen einspurigen Tunnel ist die Gemeinde zu erreichen. Für Pendler ist die Anbindung ein kleines Rennen gegen die Zeit. Gut eine Stunde Fahrzeit sind es nach Anchorage – wenn man pünktlich durch den Tunnel kommt.

Von Mai bis Oktober ist der Anton Anderson Memorial Tunnel zwischen 5:30 Uhr und 23:15 Uhr in jeweils eine Richtung für 15 Minuten geöffnet. Im Winter wird erst um 7 Uhr gestartet und bei zu niedrigen Temperaturen die Öffnungszeit auf 5 Minuten verkürzt. Die Strecke durch den Tunnel teilen sich Autos zusätzlich mit dem Zugverkehr.
Bereits 1941 wurde die Eisenbahnstrecke von Whittier nach Portage von der US-Armee gebaut. Ab 1960 übernahm die Alaska Railroad den Pendelverkehr per Zug. Nach Umbauplänen zu einer Kombination aus Gleis und Straße wurde der Tunnel am 7. Juni 2000 für den Autoverkehr freigegeben.
Wer das Zeitfenster für die Durchfahrt verpasst, muss eine Stunde warten. Dann heißt es Auto abstellen und die Natur rundherum genießen, etwas anderes bleibt Reisenden und Pendlern nicht übrig.
Verwendete Quellen
- Homepage der Stadt Whittier
- Internetauftritt von "The Begich Towers Inc."
- Alaska Department of Transportation and Public Facilities: Anton Anderson Memorial Tunnel
- edition.cnn.com: Alaska's One-House Town, Home To Hundreds
- Beitrag von Galileo: Whittier - Eine Stadt als Haus
- Citypopulation.de: Bevölkerungsstatistik von Whittier (2020)