Im Alter von 58 Jahren gibt Mike Tyson tatsächlich sein Comeback. Im völlig überzeichneten Netflix-Spektakel gegen Influencer Jake Paul will sich der frühere Box-Weltmeister "unsterblich" machen. Während ein Mediziner bereits vor Monaten warnte, spuckt "Iron Mike" große Töne.
Mike Tyson steht mitten in seinem privaten Taubenschlag, als er einen seiner geliebten Vögel sanft streichelt. Einmal, erzählt der frühere Box-Champion, sei sogar seine Ehefrau hereingekommen, weil sie dachte, er hätte eine Andere. Irgendwann aber habe sie verstanden, dass ihr Mann, der gleiche, der einst Evander Holyfield ein Stück vom Ohr abgebissen hatte, einfach nur bei seinen Tauben sein wollte.
"Das ist mein Zufluchtsort", sagt Tyson. "Ich wäre kein Kämpfer geworden, wenn es die Tauben nicht gegeben hätte." Die Geschichte seiner ersten Prügelei, als der kleine
Und die Bühne könnte kaum größer sein, das Event kaum absurder. 19 Jahre nach Tysons letztem Profikampf, damals verlor er gegen Kevin McBride, hat es der Influencer Jake Paul geschafft, ihn zu einem offiziellen Schwergewichts-Fight zu überreden - trotz schlappen 31 Jahren Altersunterschied. "Wenn ich gewinne, bin ich unsterblich", sagte Tyson - und fügte an: "Aber wenn es schlecht läuft, will ich nicht in einem Krankenhausbett sterben, sondern im Ring."
Tyson steigt wieder in den Boxring - Mediziner warnt eindringlich
Eine Gefahr, die aus medizinischer Sicht durchaus vorhanden ist. Bereits im vergangenen März schrieb der britische Mediziner Stephen Hughes in einem Online-Beitrag über den anstehenden Kampf. Laut ihm können in einigen Fällen die Auswirkungen verheerend sein: "Es kann ein subdurales Hämatom entstehen. In diesem Fall reißen durch Scherkräfte die Verbindungsvenen zwischen dem Gehirn und den Blutgefäßen in der Hirnhaut.
Blutungen aus diesen gerissenen Venen führen zu einer Ansammlung von Blut, das auf das Gehirn drückt. Dies führt zu Verwirrung, Bewusstlosigkeit, neurologischen Behinderungen und in einigen Fällen zum Tod."
Erschwerend kommt hinzu, dass bei älteren Menschen das Gehirn dazu neige, an Volumen zu verlieren. "Dadurch verlängern sich die Überbrückungsvenen und sind anfälliger für Risse. Es ist bekannt, dass Alkoholismus die Schrumpfung des Gehirns beschleunigt, und es scheint, dass dies bei Tyson ein früherer Risikofaktor war", so Hughes weiter.
Bei aller möglichen Dramatik wird der Kampf auch passend schrill vermarktet - und die Kasse klingelt. Die 80.000 Zuschauer im AT&T-Stadium von Arlington/Texas, in dem sonst die Dallas Cowboys aus der NFL spielen, blechen fürstlich für ihre Tickets, das teuerste VIP-Paket soll gar astronomische zwei Millionen US-Dollar (!) kosten. Streamingdienst Netflix, der im Vorfeld gar eine dreiteilige Hochglanz-Doku produzierte, überträgt in der Nacht zum Samstag live und dürfte dafür ebenfalls stattlich löhnen.
Tyson und Paul sollen jeweils 40 Millionen US-Dollar kriegen
Insgesamt, so wird spekuliert, sollen Tyson und Paul jeder um die 40 Millionen Dollar einstreichen. Ob der Kampf sein Geld auch wert ist, bleibt jedoch fraglich. Ist Tysons Schlag zumindest im Ansatz noch so verheerend wie damals, als er 1986 Ali-Bezwinger Trevor Berbick ausknockte und als neuer Weltmeister die Welt schockte? Kann Paul, der mit Youtube-Videos bekannt wurde und erst vor vier Jahren ins Box-Geschäft einstieg, den alten Mann in den acht Runden à zwei Minuten zermürben?
Bislang gewann Paul zehn seiner elf Box-Kämpfe, die meisten von ihnen gegen MMA-Fighter - die einzige Niederlage gab es im Vorjahr gegen Tommy Fury, Halbruder des Ex-Champs Tyson Fury und eben Profiboxer. Paul, so Tyson, sei durch Zeitungen und TV zum "Killer" hochstilisiert worden, er jedoch sei ein "Natural Born Killer" - zum Töten geboren. Allgemein eint sie wenig außer der Tatsache, dass sie im US-Wahlkampf beide Donald Trump unterstützten.
Und wortkarg sind sie auch nicht. Tyson, so sagt er selbst, werde "den Teufel selbst" mit in den Ring bringen. "Es sind keine Gefühle im Spiel. Meine eigene Mutter sollte sehr vorsichtig sein, wenn sie mit mir in den Ring steigen müsste", tönte Tyson und konnte sich von Paul anhören, dass jener ihm "das Boxen beibringen" werde.
Tyson über sein Training: "Ich weinte vor Schmerzen"
Der Weg zurück in den Ring ist allerdings ein schmerzhafter für Tyson - und immer wieder haderte er selbst mit seiner Entscheidung für den Schaukampf gegen Jake Paul. "Ganz ehrlich", sagte er dem Nachrichtenportal t-online: "Die ganze Zeit, ab dem Moment, als ich wieder voll ins Training eingestiegen bin."
Nach dem Start der Vorbereitung auf den Kampf habe er bloß gedacht: "Oh Gott. Alles tat weh, ich weinte vor Schmerzen. Nicht mal meine Frau durfte mich anfassen, so schlimm war es." 19 Jahre nach seinem letzten Profikampf habe diese Erfahrung allerdings Tysons Respekt vor dem Boxsport noch einmal gestärkt. "Erst durch die Distanz und den Wiedereinstieg ins Training mit dieser mühsamen, kräftezehrenden Vorbereitung wurde ich daran erinnert, was ein Boxer durchmachen muss, um in Form zu kommen und sich auf diese paar Runden einzustellen", sagte er. "Das ist einfach unglaublich."
Derweil stellt sich die Frage nach Tysons Fitnesszustand, denn der erste Termin am 20. Juli war wegen eines Magengeschwürs verschoben worden. Überhaupt stand "Iron Mike" 2020 bei einem Schaukampf gegen den früheren Weltmeister Roy Jones junior letztmals im Ring. Aber dort ist eben sein Zuhause, dorthin kehrt er am Ende immer zurück. Wie zu seinen Tauben. (SID/bearbeitet von lh)
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