Berlin/Rotterdam - Wenn es um Luke Littler geht, fährt Michael van Gerwen die ganze Bandbreite seines derben Wortschatzes auf. In einem energischen Appell schickte der langjährige Darts-Dominator aus den Niederlanden eine klare Botschaft an alle aus seiner Sicht kuschenden Kollegen: "Hört auf, ihm in den Hintern zu kriechen!"
Die deutlichen Worte sind keine Überraschung: Der 18 Jahre junge Engländer hat dem einstigen Seriensieger innerhalb von einem Jahr in allen wesentlichen Kategorien den Rang abgelaufen. Weltmeister Littler spielt besser, ist erfolgreicher, gewinnt mehr direkte Duelle - und die wundersame Geschichte vom sensationellen Aufstieg eines Teenagers lässt sich nicht nur in den britischen Boulevardmedien hervorragend vermarkten.
"Nur zwei Spieler haben keine Angst vor Littler"
Weniger Erfolge, weniger Aufmerksamkeit? Das nervt van
Auf den großen Bühnen der Pfeilewelt tragen sich in der Tat immer wieder irritierende Szenen zu. Spieler, die gegen Littler kleinste Erfolge feiern, sich mit diesem abklatschen oder dem Senkrechtstarter offensichtlich huldigen. "Ich würde es nicht Fanboys nennen. Natürlich sieht man im Publikum wahnsinnig viele Fans mit meinen Shirts - aber eigentlich sollte das die anderen Spieler nicht erreichen", sagte Littler selbst.

Beispielloser Aufstieg ermöglicht Boom der Sportart
Der junge Mann mit dem Spitznamen "The Nuke" (Die Atombombe) ist auf der britischen Insel zu einem Star geworden - auch außerhalb der Sportszene. Der Boulevard stürzt sich auf sein Privatleben, die ganze Darts-Szene hofft auf einen anhaltenden Boom dank des beispiellosen Aufstiegs. Van Gerwen hat nichts gegen dagegen, nennt Littlers Serie gar eine "fantastische Geschichte".
Doch geht es nach dem 35-Jährigen, würde es genügen, wenn Fans und TV-Sender den Darts-Heilsbringer zelebrieren - und nicht unbedingt die Gegner, die Littler ja eigentlich besiegen sollen. "Sie haben die Hosen voll, bevor das Spiel gegen Littler losgeht. Sie haben Angst. Die anderen sind mental einfach nicht stark genug", sagte van Gerwen. Die Widersacher "lecken ihm ein bisschen zu viel die Stiefel".
Ranglistenerster: Littler ist der beste Spieler der Welt
Littlers Aufstieg ist für den Sport ein Segen und hat sich schon jetzt finanziell ausgewirkt. Der Weltverband PDC hat das WM-Feld von 96 auf 128 Spieler ausgeweitet und schüttet künftig doppelt so viel Preisgeld aus wie bislang.
Der Titelträger bekommt im Januar 2026 eine Million Pfund (ca. 1,2 Millionen Euro). "Wir haben extrem viel Luke Littler zu verdanken. Er hat für diesen Darts-Boom gesorgt", sagte sein Landsmann Nathan Aspinall, selbst Weltklasse-Profi. Das Problem nur: Zu langweilig und einseitig sollte es auch nicht werden, denn der Spannungsfaktor war zuletzt ein ganz zentrales Argument des wachsenden Darts-Sports.
Doch der Hype beruht nicht nur auf Littlers sportlichen Leistungen, wie van Gerwen urteilt - sondern auch auf seine Nationalität. "Ein Engländer wird immer größer gemacht als ein Niederländer oder ein Deutscher - es ist einfach ein englischer Sport", sagte er. Zwar ist Littler derzeit noch Weltranglistenzweiter hinter Luke Humphries.
Doch der Primus sagt trotz eines gewaltigen Vorsprungs von mehr als 600.000 Pfund (rund 700.000 Euro) ohne Umschweife über Littler: "Er spielt unfassbar gut. Er ist der beste Spieler auf der Welt aktuell, da gibt es keinen Zweifel. Er hat den höchsten Standard." Es sind die Art der Aussagen, die van Gerwen eher nicht so gerne hört. © Deutsche Presse-Agentur