In der NHL starten am Wochenende die Playoffs. Leon Draisaitl nimmt mit den Edmonton Oilers mal wieder den Stanley Cup ins Visier. Worauf kommt es in der heißen Phase der Saison an und wie stehen die Chancen für Draisaitl und die Oilers? Ex-Nationalspieler Stefan Ustorf schätzt die Lage im Gespräch mit unserer Redaktion ein.
Leon Draisaitl kennt das Spielchen schon. Pünktlich zu den Playoffs in der nordamerikanischen Eishockey-Profiliga NHL steigen rund um ihn und die Edmonton Oilers die Erwartungen. In den kommenden Wochen wird die Hauptstadt der kanadischen Provinz Alberta wieder verrückt spielen, wenn es in der K.-o.-Runde um den begehrten Stanley Cup geht. "Natürlich erwarten die Fans immer das Größte von uns, und auch wir wollen unbedingt den Stanley Cup mal wieder in die Stadt holen", sagte
Draisaitl hält dafür die deutsche Fahne in den Playoffs hoch, denn für Philipp Grubauer (Seattle Kraken), Nico Sturm (San Jose Sharks), Tim Stützle (Ottawa Senators), John-Jason Peterka (Buffalo Sabres), Lukas Reichel (Chicago Blackhawks) und Moritz Seider (Detroit Red Wings) ist bereits nach der Regular Season Schluss. 2022 hatte letztmals ein Deutscher den Stanley Cup gewonnen.
In der Pacific Division der Western Conference wurden die Oilers hinter den Vancouver Canucks Zweiter, das Team hatte sich nach einem schlechten Saisonstart rechtzeitig gefangen und zusammengerissen, dabei habe man eine Menge Charakter und Widerstandskraft bewiesen, betont Draisaitl: "Wir sind jetzt eine ganz andere Mannschaft als zu Saisonbeginn. Wir wissen jetzt, auf was es ankommt. Für uns ist absolut klar, dass wir jedes Team schlagen können. So gehen wir in die Playoffs hinein", wird der 28-Jährige von NHL.com zitiert. Er betont zudem, dass man gelernt habe, mit den Ups und Downs umzugehen.
Oft ein frühes Aus für die Oilers
In den Playoffs gab es in den vergangenen Jahren trotz einer Mitfavoritenrolle mit Ausnahme des Halbfinals 2022 ein frühes Aus. Ist der Titel jetzt langsam mal ein Muss? "Natürlich sagt jeder, dass es langsam mal Zeit wird. Aber Fakt ist: Es gibt Gründe dafür, warum man sagt, dass der Stanley Cup die Trophäe im professionellen Sport ist, die am schwersten zu gewinnen ist", so der frühere Nationalspieler Stefan Ustorf im Gespräch mit unserer Redaktion. "Man kann es damit vergleichen, dass man zu einer Fußball-Mannschaft sagt, dass die Champions League ein Muss sei. Auch das kann man so nicht sagen."
Die NHL ist "unglaublich ausgeglichen", betont Ustorf, außerdem sind die Playoffs traditionell unberechenbar. Es ist die "Crunch Time" der Saison, mit unzähligen "Do-or-Die-Spielen", in denen es um alles gehe, in denen Kleinigkeiten den Ausschlag geben. Bis Mitte Juni stehen die Teams, die am Ende um den Stanley Cup spielen, alle paar Tage auf dem Eis. "Die Playoffs sind ein unglaublicher Marathon", sagt Ustorf. Außerdem spielen diverse Dinge eine Rolle: "Du musst in den Playoffs Leistung bringen und auch ein bisschen Glück haben."
Playoffs sind auch Kopfsache
Essenziell ist auch der Kopf, die mentale Seite macht eine Menge aus. Ustorf glaubt auch nicht, dass die Erwartungshaltung in Edmonton, wo die Oilers den letzten ihrer fünf Titel 1990 geholt haben, Draisaitl groß belastet. "Den meisten Druck wird sich Leon selbst machen, weil er perfektionistisch ist, weil er jemand ist, der unbedingt gewinnen will. Das sieht man auch an seiner Herangehensweise, an seiner Professionalität", so der heutige Sportdirektor der Nürnberg Ice Tigers. Das macht den Deutschen laut Ustorf zu einem "der Top-Fünf-Spieler der Welt. Und das schon seit drei, vier Jahren. Deshalb sind die Oilers für mich auch ein Mitfavorit, was den Titel angeht".
Trotzdem muss man mit den Playoffs anders umgehen. Erfolge und Rückschläge liegen eng zusammen, können sich in schneller Folge abwechseln. "Deshalb brauchst du das Gedächtnis eines Goldfisches, der in zehn Sekunden alles vergisst", sagt Ustorf. Heißt: "Du musst von Tag zu Tag leben. Du darfst dir keine großen Gedanken darüber machen, was in zwei Wochen passiert, weil dann kann es schon längst vorbei sein." Die simple Herangehensweise ist die effektivste. Abhaken also, ob nun Sieg oder Niederlage. Macht man es kompliziert und verkopft, kann das zum Stolperstein werden.
Liefert das kongeniale Duo?
Und natürlich müssen Draisaitl und Co. liefern. Bei den Oilers bildet er mit Connor McDavid ein kongeniales Duo. Der Kanadier schoss in dieser Saison 32 Tore, hinzu kamen 100 Assists. Bei Draisaitl waren es 41 Tore und 65 Vorlagen. "Deine besten Spieler müssen deine besten Spieler sein", so Ustorf. "Wenn McDavid und Draisaitl in einer schlechten Phase sind, dann haben die Oilers kaum eine Chance." Das Team zeichne inzwischen aber auch eine mannschaftliche Ausgeglichenheit aus, weiß Ustorf: "Heißt: Du brauchst auch jemanden, mit dem man nicht unbedingt rechnet, der dann in den Playoffs mal den Unterschied machen kann." Wie zum Beispiel Zach Hyman, Ryan Nugent-Hopkins, Dylan Holloway oder Warren Foegele, die in der Regel im Schatten der beiden Superstars stehen.
Das dürfte schon zum Auftakt der Playoffs nötig sein, denn dann sind ab Montagabend Ortszeit die Los Angeles Kings der Gegner, und das zum inzwischen dritten Mal in Folge. 2022 und 2023 konnten sich die Oilers jeweils durchsetzen. In dieser Saison trafen beide Teams viermal aufeinander, dreimal setzten sich Draisaitl und Co. durch. "Die Kings haben eine durchwachsene Saison gespielt. Sie sind hinter ihren eigenen Erwartungen zurückgeblieben. Es ist aber eine Mannschaft, die extrem strukturiert und diszipliniert spielt. Vor allem defensiv. Das wird harte Arbeit", urteilt Ustorf.
Mehrere Favoriten auf den Titel
In den Kampf um den Titel sieht der 121-malige Nationalspieler mehrere Teams involviert. "Die Florida Panthers spielen ein extrem hartes Eishockey, physisch, kampfbetont, absolutes Playoff-Eishockey. Die sehe ich ganz weit vorne. Die Colorado Avalanche ebenfalls, dazu die Dallas Stars. Auch die New York Rangers muss man auf der Rechnung haben." Doch Draisaitl ist optimistisch, er glaubt, "dass wir genauso eine gute Chance haben zu gewinnen wie jede andere Mannschaft. Ich sehe uns mittendrin". Am Ende geht es darum, das in der Serie dann auch zu zeigen. Sonst ist wieder mal vorzeitig Schluss. Und das Spielchen kennt er inzwischen zur Genüge.
Über den Experten:
- Stefan Ustorf ist ein ehemaliger Eishockey-Profi, der im Laufe seiner Karriere unter anderem über 600 Spiele in Bundesliga beziehungsweise DEL absolviert hat, zudem 121 Länderspiele für die Nationalmannschaft. Heute ist der 50-Jährige Sportdirektor des DEL-Klubs Nürnberg Ice Tigers.
Quellen:
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