Flavio Briatores Rückkehr in die Formel 1 hat hohe Wellen geschlagen. Der 74-Jährige keilt gegen seine Kritiker. Die große Frage: Wie kann er dem Rennstall Alpine helfen?

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Flavio Briatore konnte schon immer die Gemüter spalten. Deshalb war klar, dass seine Rückkehr in die Formel 1 als Berater von Alpine hohe Wellen schlagen würde. Und so kam es am vergangenen Wochenende in Barcelona auch. Während sich aktuelle Teamchefs wie Toto Wolff (Mercedes) oder Ferrari-Mann Fred Vasseur dafür aussprachen, dem streitbaren Italiener eine zweite Chance zu geben, sorgte das Comeback auch für kritische Stimmen.

"Ich kapiere es nicht. Es erstaunt mich", sagte "Sky"-Experte und Ex-Formel-1-Pilot Damon Hill. Er hatte selbst aus nächster Nähe erlebt, als er 1994 und 1995 der Gegner von Michael Schumacher, Benetton und Flavio Briatore war, wie der Italiener tickt. Und was er tut, um Erfolg zu haben.

Es war die Ära, in der der Begriff "Schummel-Schumi" geprägt wurde. Briatore war ein Spezialist darin, das Reglement und dessen Graubereiche auszunutzen, auch über die Grenzen des Erlaubten hinaus. Hinzu kam 2008 der "Crashgate"-Skandal, als er in einen absichtlichen Unfall des Brasilianers Nelson Piquet jr. in Singapur verwickelt war. Nach einer zunächst lebenslangen Sperre wurde diese von einem französischen Gericht aufgehoben. Lange galt Briatore in der Motorsport-Königsklasse als Persona non grata.

Flavio Briatore sind Konventionen und Regeln egal

"Flavio", betonte Hill, "sind Konventionen und Regeln egal. Offensichtlich. Das brachte ihn ja damals in Schwierigkeiten, das ist seine Arbeitsweise. Aber das bereitet mir Sorge. Wir wollten doch eigentlich nicht zurück in diese Zeit, wo die Leichen im Keller rumliegen und Dinge passieren, die einen Beigeschmack haben." Harte Worte, die aber nachvollziehbar sind.

In Spanien wurde Briatore von Sky Sports F1 auf die Kritik an seiner Rückkehr angesprochen. Wie um seinen Ruf zu bestätigen, schnauzte er in Richtung seiner Kritiker ins TV-Mikrofon: "F*** off!". Also "Lasst mich in Ruhe", um es etwas freier und freundlicher zu übersetzen.

Einmal in Fahrt, äußerte sich Briatore auch zu Gerüchten, er wolle Bruno Famin als Teamchef ablösen. "Teamchef? Nein, nein. Wir haben einen Teamchef, wir haben Bruno, da gibt es keine Probleme", sagte der 74-Jährige. Er arbeite mit Famin genauso zusammen wie mit allen anderen, betonte Briatore. Die wichtigste Verbindung für ihn ist die zu Renault-Boss Luca de Meo. "Das ist mein Job, ich berichte ihm, was mir auffällt, und wir sorgen dann für die beste Performance des Teams."

In zwei Jahren will Briatore "so weit sein"

Es liegt natürlich auch an seiner Vergangenheit, dass ihm solche Manöver beziehungsweise Pläne unterstellt werden. Er nimmt das mit Humor und scherzte, er werde nicht die Reifen wechseln und auch nicht das Auto fahren: "Ich will einfach nur konkurrenzfähig sein. In zwei Jahren werden wir so weit sein."

Ob man das mit Renault-Motoren schaffen möchte oder als Kundenteam mit Aggregaten eines anderen Herstellers, ist offen. Aktuell sei das kein Thema, sagte Briatore: "In der Formel 1 gibt es ständig viel Gerede. Im Moment haben wir noch keine Entscheidung getroffen. Wir arbeiten und wir werden die beste Lösung für das Team finden."

Eine große Frage, die sich viele Beobachter stellen: Wie groß wird Briatores Einfluss sein? Was kann er dem Team bringen? Briatores Ankunft sei "psychologisch wahnsinnig wichtig, denn dieser Abwärtstrend bei Alpine war auch durch den Abgang verschiedenster Leute dokumentiert. Jetzt ist eine Art Kehrwende eingetreten", sagte der frühere Formel-1-Pilot Christian Danner im AvD Motorsport-Magazin. "Das gibt Hoffnung, das gibt Motivation, das ist ganz entscheidend."

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Der Mann, der Schumacher zum Weltmeister gemacht hat

Denn Briatore "war ein Mann, der die Formel 1 geprägt hat, der Michael Schumacher zum Weltmeister gemacht hat. Das darf man nicht vergessen", sagte Danner: "Ein Mann, der mit einem wirklich großen Know-how in Sachen Management sein Team weitergebracht und zu WM-Titeln geführt hat." Briatore arbeite unpolitisch, aber erfolgsorientiert. In der Formel 1, wo es viel um Interessen und Politik geht, kann der Ansatz sehr erfolgversprechend sein.

Für Danner ist es keine Frage, dass Briatore eine zweite Chance verdient hat. "Wenn man seine Strafe abgesessen hat - das gilt für jeden Straftäter -, dann ist es in Ordnung, einen Neuanfang zu machen. Und dass der für Flavio in der Formel 1 stattfindet, ist durchaus nachvollziehbar", sagte Danner. "Er ist ein wirklicher Top-Manager in diesem Bereich. Deswegen kann ich sagen, die Strafe ist abgebüßt, mal schauen, wie er seine zweite Formel-1-Karriere gestaltet."

Eine Woche nach der Briatore-Verpflichtung hat Alpine den ersten Fahrer für 2025 bekannt gegeben: Pierre Gasly wird weiterhin im Auto der Franzosen sitzen. Briatore habe aber "nicht wirklich" etwas mit seiner Entscheidung zu tun gehabt, betonte Gasly, der bereits seit Monaten mit Alpine gesprochen hat. Doch das wird sich sicher ändern, Briatores Einfluss wird wachsen. Und er wird dabei ganz bestimmt weiter die Gemüter spalten.

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