- In Saudi-Arabien erreichte das WM-Duell zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen einen neuen Höhepunkt: Gleich mehrfach kamen sich beide näher, einmal krachte es sogar.
- Hamilton kritisierte seinen Widersacher deutlich, betonte, dass der Niederländer "über der Grenze" sei. Tatsächlich fuhr Verstappen sehr hart gegen den Briten und ging kompromisslos zur Sache.
- Die WM könnte spannender nicht sein: Vor dem Finale am 12. Dezember in Abu Dhabi sind beide Fahrer punktgleich. Verstappen hat einen Sieg mehr auf dem Konto, wäre bei Punktgleichheit in Abu Dhabi also Weltmeister.
Max Verstappen hatte keine Lust. Auf das Podium, auf die Feierei, auf das Rosenwasser. Und wahrscheinlich hatte er auch keine Lust auf Sieger
Und setzte dem ganzen Chaos, dem Zoff, der Kontroverse, die das Rennen lieferte, noch eine etwas unrühmliche und unsportliche Krone auf. "Weil es keinen Champagner gab", begründete er den vorzeitigen Abgang nach seinem zweiten Platz: "Das hat keinen Spaß gemacht."
Dafür war der Grand Prix beste Unterhaltung – und einer der chaotischsten in der Geschichte der Formel 1. "Es gibt harten, kompromisslosen Rennsport, mit zu allem entschlossenen Piloten. Und dann gibt es das hier in Saudi-Arabien. So etwas habe ich noch nie erlebt", brachte es Ex-Formel-1-Fahrer Martin Brundle auf den Punkt, was viele dachten.
Hamilton kritisiert Verstappen deutlich
Hamilton sparte nach dem Rennen allerdings nicht mit Kritik an seinem Widersacher, der einige Male in dem Rennen im direkten Zweikampf hart und kompromisslos zu Werke gegangen war. Der "Höhepunkt" war der Auffahrunfall in der 37. Runde, als
"Ich muss da draußen einen kühlen Kopf bewahren, aber das war echt schwierig", sagte der siebenmalige Weltmeister. "Ich bin in meinem Leben schon gegen viele Piloten gefahren. In 28 Jahren bin ich vielen unterschiedlichen Charakteren begegnet, und einige da oben sind über der Grenze. Für sie gelten die Regeln nicht oder sie denken nicht an die Regeln."
Und Verstappen sei "über der Grenze, mit Sicherheit", so Hamilton. Dabei spielt der 36-Jährige auf die Duelle an, in denen es Verstappen auf eine Kollision ankommen lässt und dabei auch von der Strecke abkommt, gewissermaßen "All-in" geht.
"So wie ich das sehe, kann ich niemanden überholen, von der Strecke fahren und die Position dann behalten. Ich denke, das wissen auch alle Fahrer. Aber für einen von uns scheint das nicht zu gelten", ätzte Mercedes-Mann Hamilton.
Verstappen wettert gegen Strafen
Red-Bull-Konkurrent Verstappen sprach davon, dass dies nicht mehr die Formel 1 sei, mit der aufgewachsen sei. "Wir sprechen mehr über Strafen und weiße Linien als über das Racing", sagte der 24-Jährige: "Ich bin mit den Entscheidungen nicht einverstanden, aber ich möchte nicht zu viel Zeit damit verschwenden, denn wir brauchen keine Schlagzeilen daraus zu machen. Das haben sie nicht verdient."
Tatsächlich bekleckerte sich auch die Rennleitung nicht mit Ruhm, hatte vor ein paar Wochen in Brasilien bei einem Zweikampf zwischen Hamilton und Verstappen nichts unternommen und damit in dem Duell viele Freiheiten ermöglicht. Freiheiten, die sich Verstappen nun natürlich herausnehmen will und dann nicht nachvollziehen kann, wenn er nun für ähnliche Manöver bestraft wird.
Hamilton wiederum betonte, er habe schon so oft Kollisionen "mit diesem Kerl" vermieden: "Mich stört es auch nicht, dass ich immer derjenige bin, der das macht. Ich bin ganz entspannt", sagte der Brite: "Ich fühle mich wie in einem Boxring und bin bereit loszulegen."
Unerlaubte Tiefschläge
Die unerlaubten Tiefschläge im Titelkampf – um im Bild zu bleiben – steckt Hamilton nach außen hin locker weg. Es entsteht aber dafür inzwischen der Eindruck, dass Verstappen es an der einen oder anderen Stelle übertreibt, den K.o. des Gegners zu sehr erzwingen will. Dass viele Beobachter bei der Kollision in der 37. Runde zunächst nicht an ein Missverständnis dachten, sondern gar ein böses Foul von Verstappen in Erwägung zogen, zeigt, wie es um den Ruf des Niederländers inzwischen bestellt ist.
Das Rennen gab auch interessante Einblicke, wie es um das Nervenkostüm der beiden Titelkandidaten bestellt ist. Und das wird wohl den Unterschied machen, wenn beim Finale in Abu Dhabi am 12. Dezember beide punktgleich in das letzte Rennen gehen.
Der Sonderfall: Sollten beide leer ausgehen, wäre Verstappen Champion, da er mehr Siege (9:8) als Hamilton auf dem Konto hat. Es gibt nicht wenige, die deshalb an eine Eskalation glauben, denn ein Crash inklusive Ausfall der beiden, und Verstappen wäre Champion.
"Die Coolheit, die Cleverness, abgebrüht zu sein und in der Hitze des Gefechts die Nerven zusammenhalten. Das wird definitiv die WM entscheiden", sagt Sky-Experte Timo Glock. Wie es scheint, liegen die Vorteile dort im Moment bei Hamilton.
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