Audi setzt in Zukunft fast alles auf die Karte Formel 1. Für den Einstieg in die Königsklasse 2026 stampft man sogar das prestigeträchtige und erfolgreiche Kundensport-Programm nahezu komplett ein. Dafür gibt es jede Menge Kritik.
Der Einschnitt ist heftig, der Einsatz ist hoch. Doch Audi setzt in Zukunft alles auf die Karte Formel 1. Dafür wird sogar das prestigeträchtige und erfolgreiche Kundensport-Programm "Audi Sport Customer Racing" zu weiten Teilen eingestampft. Mit diesem Programm waren die Ingolstädter stets nah dran an der Motorsport-Basis, indem mit am Ende über 300 Rennsport-Teams weltweit teilweise über Jahre sehr eng zusammengearbeitet wurde.
Den Rennställen wurden Audi-Renner wie der R8 LMS GT3 verkauft und dazu im Rahmen einer strategischen Zusammenarbeit finanzielle Werksunterstützung zur Verfügung gestellt. Die wird nun aber ab 2024 eingestellt. All in für die Motorsport-Königsklasse, so lautet das Motto in Neuburg, wo das Herz des millionenschweren Formel-1-Projekts schlägt.
Das Kundensport-Programm mag nicht so schillernd und extravagant wie die Formel 1 sein, es ist aber ein immens wichtiger Eckpfeiler im Motorsport-Bereich von Audi. Die Speerspitze, der R8 LMS GT3, hat als Basis das R8-Straßenauto und schafft so für Fans eine Identifikationsmöglichkeit. In der DTM, bei den Langstrecken-Rennen auf der Nordschleife oder in den internationalen GT-Serien feierte Audi mit den Teams und dem Auto zahlreiche Siege, mit denen das motorsportliche Profil und das Image der Marke geschärft wurden.
Einschneidend und rigoros
Doch das ist vorbei, die Boliden sind Auslaufmodelle; Nachfolger werden keine mehr gebaut und auch der 14 Fahrer starke Werks-Kader wird aufgelöst. Wie einschneidend und rigoros der Kurs ist, zeigt die Tatsache, dass die Teams rund um die Welt immerhin rund 1.000 Audis einsetzen, neben dem GT3 auch Boliden der Kategorien GT2, GT4 und TCR. Ohne finanzielle Unterstützung wird es allerdings schwierig, dauerhaft vorne mitzufahren. 2022 feierten die Teams in einer laut Audi Rekordsaison 290 Einzelsiege und 76 Titelgewinne, dazu gab es 651 Podestplätze.
Immerhin: Komplett zugesperrt wird der Kundensport-Bereich nicht. Bei den Audis, die im Einsatz sind, wird dafür gesorgt, dass die Boliden theoretisch bis 2032 weiter einsatzfähig bleiben, es wird also neue Teile sowie Ersatzteile und technischen Support geben. Die Entscheidung sorgt trotzdem für jede Menge Kritik und Kopfschütteln in der Szene. "Dieser Name und dieser Ruf wurde in wenigen Monaten kaputtgemacht!", sagte WRT-Teamchef Vincent Vosse bei "motorsport-total": "Das ist ein Witz. Formel 1 hat nichts mit Kundensport zu tun."
Was er damit meint: Ein Kundensport-Programm hätte man auch parallel zu einem Formel-1-Engagement weiterlaufen lassen können. Mercedes macht das ebenfalls und zwar sehr erfolgreich, schließlich haben die Silberpfeile jahrelang die Formel 1 dominiert. Doch Audi verzichtet darauf, voll auf beide Programme zu setzen. "Die Kosten sind nicht hoch und sie haben das in den letzten 13 Jahren gerne genutzt", kritisiert Vosse, der mit Audi zahlreiche Erfolge feierte, inzwischen mit seinem Team aber zu BMW gewechselt ist.
"Das Aushängeschild von Audi Sport"
"Audi Sport Customer Racing war das Aushängeschild von Audi Sport - und Vorsprung durch Technik", sagte der langjährige Phoenix-Teamchef Ernst Moser. "Für mich ist das auch ein persönliches Thema von gewissen Leuten in der oberen Entscheidungsriege: Bevor er geht, macht da jemand alles, damit das Formel-1-Engagement umgesetzt werden muss."
Moser meint Audi-Geschäftsführer Markus Duesmann, unter dessen Führung der F1-Einstieg und in einer der letzten Amtshandlungen vor der Übergabe an Nachfolger Gernot Döllner Anfang September nun der Kundensport-Sparkurs beschlossen wurde. Für Moser ist daher klar: "Alles, was das Formel-1-Projekt vielleicht noch verhindern könnte, wird jetzt plattgemacht."
Für Peter Schmidt, Teamchef des Audi-Teams Car Collection, ist die Audi-Entscheidung "völlig unverständlich", wie er bei Motorsport-Magazin.com erklärte und sich dabei fragt, wie es dazu kommen konnte. Denn: "Es hieß doch immer, Audi betreibt Motorsport wegen Kundenbindung zu den Serienfahrzeugen. Das bringt sicher mehr, als sich in der Formel 1 oder der Rallye Dakar zu engagieren. Ich muss die Enttäuschung über diese Entscheidung erst noch verdauen."
Man muss dazu sagen: Bei dem für Audi einst so wichtigen Dakar-Elektro-Projekt, das noch bis 2024 läuft, soll anschließend angeblich ebenfalls der Stecker gezogen werden. Audi verschlankt das eigene Motorsport-Programm drastisch, um sich voll auf die Formel 1 zu fokussieren.
"Ein ganz schlechtes Signal"
Für Land-Teamchef Wolfgang Land ist die Entscheidung "ein ganz schlechtes Signal für den gesamten Motorsport. Die Entscheidungsträger wissen heute offensichtlich noch nicht, was das für die Zukunft bedeutet, so der Rennstall-Boss, der glaubt: "Es hätte für Audi sicher Möglichkeiten gegeben, beispielsweise ein Hybrid-Auto für den Motorsport zu entwickeln."
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Doch der Autobauer hat sich für eine Zäsur entschieden, nachdem in den vergangenen 40 Jahren Erfolge in der Rallye-WM, bei den 24 Stunden von Le Mans, in der Formel E, der DTM oder zahlreichen Kundensport-Programmen eingefahren wurden. Doch ab 2026 zählt nur noch die ganz große Motorsport-Bühne für Audi. Der Einsatz dafür ist hoch, der Druck wird es ebenfalls sein. Denn die Gefahr, dass sich die Ingolstädter beim Setzen auf eine einzige Karte verzocken, ist nicht von der Hand zu weisen.
Verwendete Quellen:
- motorsport-total.com: Heftige Kritik an Audi: "Alles, was F1 verhindern könnte, wird plattgemacht"
- motorsport-magazin.com: Kritik nach Audis Motorsport-Beben: Scherbenhaufen hinterlassen
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