Der Hamburger SV, Hertha BSC, Köln und Schalke erleben bisher eine bestenfalls durchwachsene Saison, die Mission Aufstieg scheint beim einen oder anderen schon in weite Ferne gerückt. Warum ist das so und wer hat noch die besten Chancen auf eine Rückkehr in die Bundesliga?
Am 22. Spieltag der vergangenen Saison, an einem eher tristen Februar-Wochenende, kam es im deutschen Fußball zu einem Novum: Erstmals in der Geschichte der Bundesliga und der eingleisigen 2. Liga strömten mehr Zuschauer in die Stadien im Unterhaus, als in jene in der Bundesliga. 284.643 Stadionbesucher wurden damals in der 2. Liga gezählt, aber nur 261.099 in der Bundesliga.
Hertha BSC und Schalke 04 waren als Absteiger zwei der Zuschauermagneten, der Hamburger SV als langjähriger Dauergast ohnehin schon da. Mit dem Abstieg des 1. FC Köln gesellte sich dann im Sommer noch ein ehemaliger Gigant des deutschen Fußballs dazu, der regelmäßig bemühte Slogan der "besten 2. Liga" aller Zeiten hatte wieder Hochkonjunktur.
Tatsächlich versprach die Rückkehr der Kölner zusammen mit den anderen Schwergewichten aus Berlin, Hamburg, Gelsenkirchen, aber auch aus Hannover, Nürnberg, Kaiserslautern, Magdeburg oder Düsseldorf mehr Folklore als die Bundesliga mit ihrer Vielzahl an sogenannten Plastik-Klubs, den gefühlten Dorf-Vereinen wie Hoffenheim oder Heidenheim oder dem eher blassen Aufsteiger aus Kiel. Und natürlich einen spannenden, den spannendsten, Aufstiegskampf aller Zeiten.
Wer ist wirklich ein Aufstiegskandidat?
Nach knapp einem Viertel der Saison zeichnet sich in der Tat ein enges Rennen an der Spitze und bis weit hinein ins Mittelfeld der Tabelle ab, die ersten neun Mannschaften trennen aktuell ganze vier Punkte voneinander. Noch nicht mit dabei sind indes Köln und Schalke 04.
Beide Klubs hinken ihren Ambitionen nicht nur zum Teil meilenweit hinterher, sondern drohen schon wieder in derart heftige Turbulenzen zu geraten, dass im Fall der Schalker mittlerweile sogar der Klassenerhalt in der 2. Liga höchste Priorität genießen sollte. Gedanken an eine Rückkehr in die Bundesliga verschwendet nach acht Punkten aus zehn Spielen, Tabellenplatz 15 und einem Trainerwechsel früh in der Saison nicht einmal mehr kühnste Optimisten.
Köln ist nach einem ordentlichen Start mit guten Ansätzen zuletzt heftig abgerutscht, das Weiterkommen im Pokal gegen Bundesligist Kiel dürfte Trainer Gerhard Struber und Sportchef Christian Keller zumindest wieder ein wenig Luft zum Atmen geben. An der angespannten Situation in der Liga ändert aber auch der Einzug ins Pokal-Achtelfinale nichts.
Schwierige Saison für die großen Vier
Fast schon luxuriös sind deshalb die Probleme, mit denen der HSV und Hertha BSC bisher und aktuell zu kämpfen haben. Die Berliner spielen bisher eine unstete Saison, auf gute Auftritte mit vermeintlichen Fortschritten folgen dann wieder unerklärliche Aussetzer wie zuletzt beim 1:4 zu Hause gegen Elversberg.
In Hamburg ein ähnliches Bild, aber das sind sie im Volkspark nach den turbulenten letzten Jahren ja fast schon gewohnt. Auch hier ist die Inkonstanz die einzige Konstante. Und deshalb stehen nicht die vermeintlichen großen Vier unter den besten Teams der Liga, sondern Düsseldorf, Hannover, Paderborn und der Karlsruher SC.
Nun sind das für sich genommen alles keine Leichtgewichte, sondern ehemalige Bundesliga-Klubs der jüngeren Vergangenheit. Aber in ihren Strukturen, den finanziellen Möglichkeiten und ihrer Fan-Base nicht so fulminant. Was - und das ist unter Umständen der entscheidende Faktor - aber kein Makel sein muss im Kampf um sportlichen Erfolg.
Warnende Beispiele gibt es genug
Der Druck in Hamburg, Köln, Berlin und auf Schalke ist noch einmal eine Spur größer als an anderen Standorten der Liga. Natürlich wollen viele Klubs wieder rauf in die Bundesliga, die großen Vier aber müssten tatsächlich sofort oder endlich wieder eine Etage höher spielen.
Der HSV versucht sich jetzt am siebten Anlauf und erfährt seit Jahren am eigenen Leib, dass der Weg zurück mit jeder neuen Saison, in der es nicht klappt, nur noch beschwerlicher wird. Mittlerweile ist der ehemalige Bundesliga-Dino mit sieben Jahren Ligazugehörigkeit das Urgestein der 2. Liga und unfreiwillig ein mahnendes Beispiel wie schon viele andere vor ihm: Bochum, Lautern, Hansa Rostock oder 1860 München.
Wenn der direkte Sprung zurück in die Bundesliga nicht gelingt, setzt sich nicht eben selten eine Spirale in Gang, die dann nur noch schwer zu stoppen ist. Schalke wäre bereits in der letzten Saison beinahe abgestiegen, nun geht die Malaise in dieser Spielzeit schon wieder von vorne los.
Auch Hertha hat sich zuletzt vergeblich an einer Rückkehr in die Bundesliga versucht und - mal wieder - fast alles umgekrempelt. Noch mit ebenso überschaubarem Erfolg wie an den anderen brodelnden Standorten, aber immerhin mit so etwas wie einer ordentlichen Perspektive: Die Berliner setzen mit ihrem Trainer Christian Fiel auf einen attraktiven Angriffsfußball und etliche eigene Talente. Der Markenkern der Hertha ist wieder erkennbar und deshalb auch die Geduld der Fans ein wichtiges Gut.
30 Trainer in fünf Jahren
In Köln etwa müssen sie auch mit Spielern aus dem eigenen Stall arbeiten, durch die Transfersperre aber nicht freiwillig. Die Stimmung war nach den jüngsten heftigen Niederlagen in der Liga ziemlich aufgeladen, die Fans unruhig. Und die Aussicht, mit den bestehenden Bordmitteln nun den Aufstieg schaffen zu müssen, nicht eben rosig oder besonders optimistisch geprägt.
Wie auch in Hamburg, Berlin und Gelsenkirchen bereiten interne Querelen Sorgen, wird das Umfeld nervös. Wiederkehrende Grabenkämpfe und das Geschacher um Posten gehören bei den sogenannten Traditionsklubs offenbar dazu. Da arbeitet es sich an anderen Standorten deutlich leichter, von Freiburg bis Leipzig.
Wenn dann der sportliche Erfolg ausbleibt und die ersten Hindernisse schon wieder zu grundsätzlichen Strategiedebatten führen, wächst sofort der Druck auf die Entscheider und das Spiel beginnt wieder von vorne. Nicht zufällig haben diese vier Klubs alleine in den letzten fünf Jahren zusammen 30 Trainer verschlissen, die aktuellen natürlich nicht mit eingerechnet.
Hertha und der HSV mit den besten Chancen
Während Steffen Baumgart in Hamburg - auch dank Stefan Kuntz als starkem Mann im Rücken - und Fiel in Berlin wohl fest im Sattel sitzen, gab und gibt es schon Gerüchte und Geraune um Struber in Köln oder den erst vor vier Wochen installierten Kees van Wonderen auf Schalke.
Allen gemein ist, dass sie ihre Idee des Fußballs noch nicht in der Art umsetzen konnten, dass eine wirklich solide Basis den einen oder anderen Rückschlag geräuschlos auffangen könnte. Weshalb dem HSV mit Baumgart und der Hertha mit Fiel auf Sicht wohl die besten Chancen eingeräumt werden sollten, die Rückkehr in die Bundesliga doch noch zu schaffen.
Die Kader der beiden Schwergewichte sollten es jedenfalls hergeben: Der HSV dürfte auf dem Papier die am besten und tiefsten besetzte Mannschaft der 2. Liga stellen, die Hertha aber hat einige sehr interessante Nachwuchshoffnungen wie etwa Ibrahim Maza (18) in seinen Reihen und seinen besten und vielleicht den besten Spieler der Liga ja noch in der Hinterhand: Fabian Reese steht nach einer schweren Verletzung und drei Monaten ohne Fußball vor einem Comeback.
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