Von allen Experten unterschätzt hat die SV Elversberg den Durchmarsch aus der Regionalliga in die 2. Bundesliga geschafft. Ist das ein modernes Fußballmärchen oder nur das nächste Werk eines reichen Geldgebers?
Auch in Fußballfachkreisen wissen es heute viele nicht mehr, aber: Für seine Größe ist das Saarland ein ziemlich erfolgreicher Bundesligastandort. Drei Erstligisten stellte das Land seit der Gründung der Liga 1963 und damit etwa einen mehr als der weitaus größere Nachbar Rheinland-Pfalz. Darunter waren mit Borussia Neunkirchen und dem FC 08 Homburg gleich zwei Vereine, die aus Städten mit weniger als 50.000 Einwohnern kamen und so ein paar Jahre für Kleinstadtatmosphäre in der Bundesliga sorgten.
Die Gemeinde Spiesen-Elversberg ist dann aber sogar in diesem Vergleich recht klein. Etwas weniger als 13.000 Menschen zählt der Doppelort, etwas mehr als die Hälfte davon lebt im Ortsteil Elversberg. Direkt im Norden grenzt es an besagtes Neunkirchen, dessen Ex-Bundesligaklub Borussia heutzutage nur noch im Amateurfußball unterwegs ist. In den höheren Spielklassen spielt stattdessen schon lange die SV Elversberg.
Elversberg überholt den großen Nachbarn Saarbrücken
In der vergangenen Saison gelang der SVE nach mehreren Anläufen der Aufstieg in die 3. Liga - dort, wo der Verein bereits 2013/14 für eine Saison mal reinschnuppern durfte, aber direkt wieder abstieg. Auch dieses Mal sollte der Aufenthalt in Liga drei nicht lange dauern: Denn während die eigentlichen Favoriten wie Dynamo Dresden, Wehen Wiesbaden oder der große Nachbar Saarbrücken am letzten Spieltag weiter um den Aufstieg bangen müssen, konnte man bei der SV Elversberg schon an diesem Wochenende den Durchmarsch feiern - Achtung, 2. Liga, die Saarländer kommen!
Das Team von Horst Steffen, dessen Trainerkarriere in der 3. Liga nach eher erfolglosen Stationen bei Münster, den Stuttgarter Kickers oder Chemnitz schon beendet schien, hatte sich mühelos an die neue Liga angepasst. In einem furiosen Start in die Saison gewann die "Elv" sieben der ersten neun Spiele und kickte in der ersten Runde des DFB-Pokals Champions-League-Teilnehmer Bayer Leverkusen aus dem Wettbewerb. Und auch danach gab es bei den Elversbergern, die ihren Aufstiegskader fast komplett zusammenhalten konnten, keine Anzeichen von Einbruch. In der gesamten ersten Saisonhälfte verlor die Mannschaft nur drei Partien.
Statt gegen Verl nun gegen die Hertha
Statt Verl oder Freiburg II heißen die Gegner in der kommenden Saison also Hannover 96 oder Hertha BSC, auch der Hamburger SV könnte im Falle eines Nichtaufstiegs nächste Saison im kleinen Örtchen im Saarland aufschlagen. Wie ist dem Verein aus dem Vorort einer Kleinstadt dieser Durchmarsch gelungen? Ist die SV Elversberg das Fußballwunder, nach dem man sich in Zeiten des modernen Fußballs so sehnt? Nicht ganz.
Denn die SV Elversberg, das ist vor allem das Projekt des langjährigen Präsidenten Frank Holzer. Der heute 70-Jährige begann seine Karriere einst beim Nachbarverein DJK. In den 1970er-Jahren war er als Profifußballer aktiv, spielte nach dem Wechsel vom 1. FC Saarbrücken zu Eintracht Braunschweig sogar vier Jahre in der Bundesliga. Holzer studierte neben dem Fußball auch Pharmazie und wurde nach seinem Karriereende Geschäftsführer das Familienunternehmens Ursapharm. Der Pharmakonzern ist heute längst auch international erfolgreich, zählt in der Augenheilkunde weltweit zu den Marktführern.
Als erfolgreicher Unternehmer wandte sich Holzer schließlich wieder dem Fußball zu und fand seine Leidenschaft bei seinem strauchelnden Heimatklub. Die SV Elversberg sei "eine Möglichkeit gewesen, in meinem Heimatort im Sport etwas Positives zu bewirken", sagte Holzer im Deutschlandfunk. "Der Verein hatte Probleme, ich habe ihn 1990 als Vorsitzender übernommen, habe ihn saniert. Und dann sind wir kontinuierlich hochgegangen." Schon ab Mitte der 90er-Jahre spielte der Verein in der Regionalliga, damals die dritthöchste Spielklasse. Und dort, irgendwo zwischen Liga drei und vier, pendelte der Verein bis heute.
Ursapharm ist Konstante bei der SV Elversberg
Die Konstante im Verein war dabei auch der Präsident und Geldgeber: Bis 2008, also fast 20 Jahre, blieb Frank Holzer als Präsident bei der SV Elversberg am Ruder. Seit 2011 führt Sohn Dominik, der selbst für den SV Elversberg Fußball spielte, die Holzer-Dynastie bei der SVE weiter, während sein Vater nur noch im Aufsichtsrat des Vereins aktiv ist. Dominik Holzer ist zusätzlich noch Geschäftsführer bei Ursapharm. Wie das Unternehmen, ist auch die Leitung des Vereins kontinuierlich in Familienhand.
Die Verbindungen zwischen Ursapharm und der SV Elversberg sind auch im sportlichen Alltag gut sichtbar: Seit 2014 heißt die Heimspielstätte der SV Elversberg "Ursapharm-Arena an der Kaiserlinde". Und auch "Hylo", seit der Saison 2018/19 Trikotsponsor des Vereins, ist ein Produkt des Unternehmens. Der Großsponsor ermöglichte es der SV Elversberg über Jahre hinweg, sich in der finanziell aufwendigen Regionalliga gegen deutlich zuschauerstärkere Traditionsvereine wie Offenbach, Ulm oder Saarbrücken zu behaupten. Auch in der 4. Liga trainierten die Elversberger in den letzten Jahren immer unter Profibedingungen.
Nicht zuletzt ist der Aufstiegskader der Elversberger deutlich drittligatauglicher, als es auf den ersten Blick scheint. So war Elversbergs Torjäger Luca Schnellbacher in der 3. Liga zuvor auch schon für Preußen Münster, VfR Aalen und Wehen Wiesbaden erfolgreich, sein Sturmpartner, Werder-Leihgabe Nick Woltemade, lief immerhin schon in elf Bundesligapartien für Werder auf. Und auch Elversbergs Kapitän und Innenverteidiger Marcel Correia hat fast 200 Zweitligaspiele auf dem Buckel.
Ist die SV Elversberg die neue TSG Hoffenheim?
Ein ganz normaler Dorfverein ist die SV Elversberg also schon mal nicht. Geht es für den Doppelaufsteiger aber auch noch höher hinaus? Das Engagement von Holzer und Ursapharm wecken schließlich Erinnerungen an einen anderen Klub aus der Provinz: die TSG 1899 Hoffenheim, deren Geldgeber Dietmar Hopp früher ebenfalls als Fußballer im Ort aktiv war und seinen Heimatklub anschließend mit großem finanziellen Aufwand in die Bundesliga führte.
Anders als damals bei der TSG war die 2. Bundesliga, geschweige denn die erste, bislang aber kein öffentlich gesetztes Ziel der SV Elversberg. Und auch die finanzielle Wucht, die die Elversberger aufbringen, ist im Vergleich zu Hoffenheim eher klein. So zahlte die TSG schon zu Drittligazeiten verhältnismäßig hohe Ablösesummen und pulverisierte in der 2. Bundesliga schließlich alle Transferrekorde. Bei der SV Elversberg hingegen waren Transferzahlungen überhaupt bislang eine Seltenheit.
Wahrscheinlicher ist es da, dass es sich der Klub aus der 7.000-Einwohner-Gemeinde mit dem starken Sponsor im Hintergrund in der 2. Bundesliga gemütlich machen wird. "Viel Spaß in Elversberg", das dürften die leidgeprüften Fans der Traditionsvereine demnächst öfter hören.
Verwendete Quellen:
- Handelsblatt: Dieses Familienunternehmen hilft Menschen mit trockenen Augen
- Deutschlandfunk: SV Elversberg auf dem Weg in die 2. Liga
- Kicker: Das Wunder an der Kaiserlinde: Wie Elversberg den Durchmarsch in die 2. Liga schaffte
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