Quoten für Diversität sind nicht der Weisheit letzter Schluss – aber ein wichtiges Hilfsmittel auf dem Weg zu einem besseren, gerechteren Fußball für alle.
Was mich immer wieder aufs Neue erstaunt, wenn es um das Thema Diversität geht, ist, wie heftig sich manche Menschen schon gegen das reine Konzept wehren – und wie viel Mühe sie in die Argumentation dagegen stecken. Planspiel: Ginge all die Energie, die aufgewendet wird, um gegen Diversität zu argumentieren, in Konzepte für mehr Vielfalt, die Gesellschaft wäre so viel weiter. Erschreckend ist außerdem, wie zuverlässig diese Gegenreden im luftleeren Raum geschehen, will heißen, völlig ohne einen Blick für gesellschaftliche Realitäten.
Quoten als Hilfsmittel für einen Strukturwandel
Geht es beispielsweise um die Frage, ob es im Fußball Quotenregelungen braucht, um die derzeitige Übermacht älterer, weißer, cis Männer aufzubrechen, kommt gern die Behauptung, Quoten seien Gift und Menschen wollten schließlich aufgrund ihrer Leistung in eine Position kommen – und nicht aufgrund einer Regelung, die sie vermeintlich bevorteilt. Daran ist so ziemlich alles unsinnig, schließlich geht es nicht darum, Quotenplätze völlig unabhängig von Qualifikationen zu vergeben. Sie sollen als Hilfsmittel dienen, um Strukturen aufzubrechen.
Frauen sind aus dem Fußball in der Vergangenheit an fast allen Stellen bewusst rausgehalten worden. Frauen am Ball wurden innerhalb der Strukturen des DFB von 1955 bis 1970 gar nicht erst zugelassen, Frauen in den Stadien hat es einerseits immer gegeben, andererseits sorgen patriarchale Verhältnisse dafür, dass sie mehr Carearbeit übernehmen, also zuhause Kinder hüten, während ihre Männer losziehen, und nicht jede Frau möchte sich dummen Anmachen oder sexistischen Sprüchen aussetzen, gegen die lange kaum etwas unternommen wurde.
Wenn nun also Themen im Fußball durchgespielt oder Posten besetzt werden, auf wen treffen wir in den entscheidenden Positionen? Ich will die Spannung nicht zu lange halten, es sind in der Regel Männer, oft im mittleren Alter, fast immer weiß. Es sei denn, es geht um kickende Frauen, die gibt man inhaltlich auch mal in die Hände anderer Frauen – und wenn es um das Thema Rassismus geht, erscheint es manchem Thomas sehr findig, einen ehemaligen Spieler mit dunkler Hautfarbe anzufragen. Das muss dann aber bitte auch genügen.
Der Fußball gehört allen!
Aber das tut es längst nicht mehr und glücklicherweise werden die Stimmen derjenigen, die darauf hinweisen, immer lauter. Der Fußball gehört allen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Hautfarbe, Status, Geschichte. Daraus aber naive Aussagen abzuleiten wie: "Mir ist das Alter egal!" "Ich achte nicht auf Hautfarbe!" "Ich sehe keinen Status!" und so weiter, wäre grundfalsch. Die Lebensrealitäten der Menschen müssen im Fußball abgebildet sein. Nicht nur auf dem Rasen, sondern überall da, wo er verantwortet wird. Erst, wenn an den neuralgischen Stellen Diversität herrscht, werden sich alle in den Entscheidungen des Sports wiederfinden.
Dafür ist die Quote ein Hilfsmittel. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Niemand schlägt vor, in Halbzeitpausen Vorstandsposten unter den Fans zu verlosen. Es geht darum, dass bei den Entscheidungsprozessen, welche Stellen wie besetzt werden, aktuell eben 20 Christians in erster Linie unter den nächsten 30 Christians nach Kandidaten schauen – und das ist in der Tat ein Problem.
Die ganze "Argumentation", dass egal ist, wer einen Job erledigt, so lange die Person die entsprechende Qualifikation hat, ist komplett absurd. Wer so redet, sollte sich mal anschauen, wie zentrale Positionen besetzt sind und die Frage stellen: Gab es für all die Posten wirklich ausschließlich qualifizierte Männer? Ja? Was für eine Hybris! Quoten zwingen dazu, den Blick in Auswahlprozessen zu weiten. Deswegen sind sie notwendig – auch im Fußball.
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