Hooligans lieben Fußball und Gewalt – und sind als feste Gruppierung jetzt illegal. Das entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe am Donnerstag. Eine Bestandsaufnahme über eine schrumpfende Szene.
Ihr Auftritt beginnt nach dem Spiel: Hooligans lieben Fußball – und Gewalt. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied nun, dass feste Hooligan-Gruppen als kriminelle Vereinigungen angesehen werden können. Die Richter bestätigten damit ein Urteil des Landgerichts Dresden. Dieses hatte die ehemalige Dresdner Gruppierung "Hooligans Elbflorenz" als kriminelle Vereinigung eingestuft.
Kiefer gehen zu Bruch, Stauchungen und Prellungen gelten als Kollateralschäden: Hooligans lieben die Gewalt. Doch sie sind ein Auslaufmodell. "Es ist gewissermaßen ein letztes Aufbäumen. Hooligans sind out," sagt Sportsoziologe Gunter Pilz. Und nicht nur das. Die Freizeitkämpfer sind nicht nur out, sondern auch alt. "Viele haben ihre aktiven Zeiten bereits hinter sich, weshalb sie auch als so genannte Althools bezeichnet werden," heißt es in einem Dokument der Deutschen Hochschule der Polizei (HdP) in Münster.
Seit Donnerstag haben deutsche Hooligans neben dem Problem der Überalterung und der schwindenden Attraktivität noch ein weiteres Problem.
Hooligan-Kämpfe: Körperverletzungen bisher nicht strafbar
Die Folgen für die ohnehin schon schwindende Szene sind gewaltig. Allein schon die Mitgliedschaft oder die Unterstützung können Gerichte mit bis zu fünf Jahren Haft bestrafen. Taten, die im Rahmen des organisierten Engagements anfallen, sind da noch gar nicht mitgerechnet.
Bisher hatten die Hooligans es teilweise mit milder Rechtsprechung zu tun. Das Landgericht Stuttgart bescheinigte beispielsweise 2009 den Auseinandersetzungen ein relativ niedriges Verletzungsrisiko, einen strikten und geltenden Katalog an Regeln und damit sei "die Schwelle zur Sittenwidrigkeit noch nicht überstritten," wie es in der Urteilsverkündung heißt. Körperverletzungen im Rahmen der Kämpfe seien insgesamt nicht strafbar.
Aktueller BGH-Fall: Hooligans Elbflorenz aus Dresden
Der BGH verhandelte nun den Fall von fünf mutmaßlich rechtsextremen Hooligans aus Sachsen. Grundlage dafür war ein Urteil des Landgerichts Dresden aus dem Jahr 2013. Es hatte die mutmaßlichen Mitglieder der sogenannten Hooligans Elbflorenz wegen organisierter Schlägereien und einem Überfall auf einen Dönerläden in Dresden 2008 verurteilt. Das Gericht aus Dresden stufte die Gruppe als kriminelle Vereinigung ein.
Dabei sind Hooligans oder "Personen, die im Umfeld von Fußballspielen und Ereignissen durch gewalttätige Aktionen gegen Personen und Sachen auffallen," wie die aktuell gängigste Definition lautet, nur selten auch gleichzeitig rechts. "Die rechten Hooligans waren schon jeher eine sehr kleine Gruppe, aber auch sehr schlagfertig," sagt Fanforscher Pilz.
Heißer Hogesa-Herbst 2014
Nach der BGH-Entscheidung ist der Rückzug in den Untergrund die logische Folge – und wohl auch die Suche nach Gruppen mit einem ähnlichen Schicksal. So erklärt Pilz auch die sogenannten temporären Kampfgemeinschaften zwischen den ursprünglich apolitischen Hooligans und braunen Banden. Diese Allianz war jüngst im öffentlichen Fokus, als Chaoten unter dem Hogesa- Banner (Hooligans gegen Salafisten) durch Köln und andere deutsche Städte marschierten. Eine entsprechende Folgeveranstaltung in Hamburg sagten die Organisatoren schließlich ab; zu groß war die Angst vor dem Imageverlust angesichts einer Gewalteskalation wie in Köln und vor den wahrscheinlich massiven linken Gegendemonstrationen im liberalen Hamburg.
In ganz Europa: Ultras fordern Vereine und Offizielle heraus
Dabei haben Hooligans eine deutlich höhere Schnittmenge mit anderen Gruppierung als mit Rechtsradikalen. "Wesentlich häufiger sind Überschneidungen mit der Türsteher- und Rockerszene, Bodybuildingstudios und Boxstaffeln," lässt die Deutschen Hochschule der Polizei in einem Schulungspapier wissen. Das klingt eher nach klassischen Parallel-Milieus denn nach gewaltbereiten Kids auf der Suche nach dem Kick. Das junge Klientel findet inzwischen meist seine Heimat in den sogenannten Ultra-Gruppen. Sie dominieren in praktisch ganz Europa die verschiedenen Szenen rund um den Fußball. Die Ultras sehen sich als fanorientierten Gegenpol zum kommerziellen System des Fußballs und der Vereine.
Hooligans agieren abseits der Öffentlichkeit, prügeln sich im Verborgenen an sogenannten Drittorten. Sie wollen nicht gesehen werden, nicht im Stadion und nicht während der sogenannten dritten Halbzeit. Ultragruppen hingegen zeigen sich offensiv, kokettieren mit typischen Fansymbolen und suchen auch die gegenseitige Konfrontation im Stadion. Und sie brennen verbotene Pyrotechnik in ihren Fankurven ab.
Ultras haben Hooligans den Rang abgelaufen
Auch die Polizei hat die Machtübernahme registriert: "Während die Gewalt aus der Fanszene vor zehn Jahren überwiegend von kleinen bis mittelgroßen Gruppen von Hooligans bestimmt wurde, kommt sie nunmehr aus der Ultraszene, die sich bei den einzelnen Vereinen aus verschiedenen, teilweise unabhängigen Gruppierungen zusammensetzt," berichtet die Hochschule der Polizei. Die Hooligans stellen aktuell deutlich weniger Bedrohungspotenzial dar als in früheren Jahrzehnten. Sie sind die alten Herren. Sie sind out. Und sie gelten seit heute offiziell als illegal.
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