Am 20. Mai vor 20 Jahren entriss die kleine SpVgg Unterhaching Bayer 04 Leverkusen in letzter Sekunde die Schale und machte den FC Bayern zum Deutschen Meister der Saison 1999/2000. Gerhard Tremmel stand damals für Haching im Tor und erinnert sich vor allem an die großartigen Feierlichkeiten nach dem Spiel.
Ein Unentschieden hätte gereicht gegen das so kleine Unterhaching. Schließlich hatte Bayer 04 Leverkusen drei Punkte Vorsprung auf den Verfolgen FC Bayern, der nur wenige Kilometer entfernt sein letztes Saisonspiel gegen Werder Bremen bestritt. Alles war für eine Meisterfeier vorbereitet. Trainer Christoph Daum war sich so sicher, endlich würde er einmal vor den Bayern stehen. Endlich könnt er Uli Hoeneß eine lange Nase drehen."Letztes Spiel Unterhaching, die letzte Hürde und die nehmen wir auch noch. Samstag, 17:15 Uhr, sind wir Meister. Basta!", erklärte Daum voll Zuversicht. "Wir sind auf Sieg programmiert, da hält uns keiner mehr auf."
Samstag 17:15 Uhr war jedoch nicht Leverkusen Meister, sondern einmal mehr der FC Bayern. Das von der Werkself schwer unterschätzte Unterhaching hatte mit einer Glanzleistung und der Schützenhilfe eines sehr unglücklichen
Herr Tremmel, am 20. Mai jährt sich das Herzschlagfinale der Saison 1999/2000 und somit auch das Spiel Unterhaching gegen Leverkusen zum 20. Mal. Sie standen damals für Haching im Tor. Was empfinden Sie, wenn Sie heute an das Spiel denken?
Gerhard Tremmel: Stolz. Nicht, weil wir Leverkusen die Meisterschaft versaut haben, sondern weil es für uns einfach eine große Geschichte war. Das hat uns ja keiner zugetraut. Wir wurden von Anfang an als das gallische Dorf bezeichnet und waren eigentlich der klare Absteiger. Aber dann waren wir schon recht früh, ein paar Spieltage vor Schluss gerettet und haben deshalb ohne Druck gespielt. Bei uns war die Leichtigkeit da.
Wie war die Stimmung vor dem Spiel? Wollte ihre Mannschaft Bayern zum Meister machen – oder war das eigentlich wurscht?
Es wurde viel geflachst vor dem Spiel. Die Situation, dass wir am Ende der Saison dem "großen Bruder" helfen können Meister zu werden, das war eine tolle Sache. Darüber wurde auch viel geschrieben und berichtet. Angeblich sollte tonnenweise Wurst aus
Aber klar, jeder wollte am Ende Bayern zum Meister machen. Wir hatten ja den ein oder anderen Spieler mit Bayern-Vergangenheit: Matthias Zimmermann, Markus Oberleitner und ich ja durch die Jugend auch. Die Sympathien gingen klar Richtung Bayern.
Wie hat Sie Ihr damaliger Trainer Lorenz-Günther Köstner auf das Spiel eingestimmt?
Das war ein ganz normaler Ablauf wie sonst auch. Ganz locker, weil wir schon sicher nicht abgestiegen waren. Der Druck war weg. Man hat von Vereinsseite her auch schon fürs nächste Jahr geplant. Es herrschte einfach von Grund auf eine positive Stimmung. Das hat man dann auch am Spiel gesehen.
Leverkusen dagegen hat einfach unglaublichen Druck verspürt und war schwerfällig. Da war überhaupt keine Leichtigkeit zu sehen.
In einem Interview hat Köstner erzählt, er sei nach dem Spiel zu Völler und Calmund hingegangen und habe gesagt "Jungs, ihr wart doch selbst dran schuld, ihr seid da überheblich reingegangen". Hatten Sie auch den Eindruck, dass die Leverkusener mit einer gewissen Arroganz nach Unterhaching gefahren sind?
Ja, sie waren schon etwas arrogant und sich vielleicht zu sicher. Aber dann kam das Eigentor von Michael Ballack und auf einmal haben sie diesen Druck verspürt. Sie mussten auf einmal. Und dann ging das einfach doch nicht so leicht.
Sie haben mit ihren Paraden dazu beigetragen, dass es Leverkusen nicht mehr geschafft hat, das Spiel nochmal zu drehen. Der Premiere-Kommentator sagte kurz vor Abpfiff sogar: "Tremmel macht das beste Spiel seiner Karriere."
Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich da so viele tolle Paraden gehabt hätte. Ein Kopfball von Brdaric ist mir noch im Gedächtnis. Den habe ich wohl ganz gut gehalten. Ich würde nicht sagen, dass es das beste Spiel meiner Karriere war zu dem Zeitpunkt. Es freut mich zwar, dass er das gesagt hat, aber bei den Spielen gegen Dortmund und 1860 war ich wahrscheinlich noch besser.
Wie ging es denn dann nach dem Spiel weiter? Haben Sie gefeiert?
Das war großes Kino. Wir haben natürlich mitbekommen, was da ein paar Kilometer weiter im Olympiastadion passiert ist. Nach dem Spiel waren wir dann alle im VIP-Bereich und haben dort gegessen, als ein, zwei Stunden nach Schlusspfiff dann plötzlich Bayern-Fans im Hachinger Stadion auf den Rasen marschiert sind. Sie wurden nicht ins Gebäude reingelassen, aber haben uns dann auf den Balkon rausgerufen. Das waren witzige Szenen: die Bayern-Fans auf dem Rasen in Haching und wir auf dem Balkon. Sie haben uns zugejubelt und wir haben den Spaß natürlich mitgemacht.
Da kam dann auch schon das Gerücht auf, dass Bayern uns wohl auf die Meisterschaftsfeier einlädt, die auch nur einen Steinwurf von Unterhaching in Taufkirchen in der alten Gärtnerei stattfand. Das war natürlich das I-Tüpfelchen. Wir kamen als komplette Mannschaft dort hin und alle Bayern-Spieler standen Spalier. Jeder durfte auch mal die Meisterschale in der Hand halten. Das war großartig.
Für mich natürlich, in meinem ersten Jahr – ich hatte sieben Spiele gemacht zu dem Zeitpunkt – ein unfassbarer Start.
Lorenz Günther Köstner war davon allerdings gar nicht begeistert.
Ja, so ist er halt. Aber ich glaube, das sind Momente, die muss man einfach mitnehmen, ungeachtet von moralischen Aspekten, der Außenwirkung oder was auch immer. Ich werde das mein Leben lang nicht vergessen.
Das hat einfach gepasst. Es ist ja nicht so, dass da Dortmund die Bayern zum Meister gemacht hat und dann auf der Meisterfeier war. Zwischen Haching und den Bayern, das war etwas Spezielles und ich glaube, das war auch alles gut so wie es war.
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