Die Bundesliga forciert ihre Auslandsvermarktung: Borussia Dortmund und der FC Bayern München sind die Zugpferde eines gedeihenden Geschäftszweigs. Die Steigerungsraten sind enorm - und trotzdem bleibt vor allen Dingen die Premier League unerreichbar.
Carsten Cramer ist in diesen Stunden ein sehr glücklicher Mann. Borussia Dortmund füllt derzeit seinen Claim "Echte Liebe" in Japan mit Leben, der BVB forciert seine Auslandsvermarktung im fernen Osten mit Leidenschaft. Dem "Direktor Vertrieb und Marketing" kann das nur gefallen.
Bei der Ankunft des BVB am Flughafen Tokio-Haneda belagerten hunderte enthusiastische Fans die Gäste aus Deutschland. Bei der mitternächtlichen Trainingseinheit in Yokohama fanden sich mehrere tausend Zuschauer ein und beim Testspielsieg gegen Kawasaki Frontale (6:0) wollte es das Drehbuch tatsächlich so, dass Japans Volksheld Shinji Kagawa die ersten beiden Treffer gelangen. Besser konnte die Asien-Tour aus Sicht von Cramer gar nicht starten.
Sieben Tage wird der Borussen-Tross in Asien weilen und sich an der bestmöglichen Verknüpfung zwischen PR-Show und ernsthafter Saisonvorbereitung versuchen. Für den BVB ist diese extreme Art der Symbiose gewissermaßen Neuland - im Hinblick auf die Erschließung neuer Märkte und Absatzgebiete aber unabdinglich.
Asien ist für den BVB attraktiv
Die Deutsche Fußballliga unterstützt diese Reisen ausdrücklich, bisweilen subventioniert die DFL sogar Aufenthalte in den fernen Regionen der Welt. Besonders der asiatische Markt verspricht hohes Entwicklungspotenzial und Steigerungsraten in den relevanten Bereichen.
"Wir haben in Deutschland eine 100-prozentige Abdeckung, was die Bekanntheit betrifft. Wir haben hervorragende Sympathiewerte und wir haben auch schon viele Fans. Aber im Ausland kennen uns noch nicht alle", sagte Cramer vor einem Jahr. Da reiften die Pläne für den Japan-Trip bereits; wenige Wochen zuvor hatte der BVB in Kagawa das Zugpferd schlechthin für den japanischen Markt zurück nach Dortmund geholt. Neben Japan seien in Fernost besonders Korea, Malaysia, Thailand und Indonesien für die Borussia attraktiv.
Deshalb haben die Westfalen im vergangenen Herbst eine Niederlassung in Singapur eröffnet. Die Bayern zum Beispiel haben sich, auch wegen ihrer Partner "Adidas" und "Audi", zunächst auf den nordamerikanischen Markt verlegt und sind erst in diesem Jahr mit einem Büro in Fernost auf der anderen Seite der Welt nachgezogen.
Reichweite der Bundesliga steigt
Von den rund 500.000 Trikots, die Dortmund pro Jahr an den Fan bringt, sollen rund 20 Prozent im Ausland verkauft werden. Die Abrufzahlen in den sozialen Medien und auf der Homepage des BVB, die der Klub unter anderem in japanischer Sprache anbietet, sind in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen.
Der DFL ist es gelungen, die TV-Rechte ab der kommenden Saison an einen großen Wettbewerber zu veräußern. Das Sendernetzwerk von "21st Century Fox" garantiert Einnahmen von rund 150 Millionen Euro pro Saison für die Bundesliga und deckt unter anderem fast den kompletten asiatischen Markt ab.
Dazu kommt mit dem chinesischen Staatsfernsehsender "CCTV" ein weiterer wichtiger Mosaikstein: "CCTV" bezahlt zwar nicht so viel wie die privaten Anbieter, die zum Beispiel mit der englischen Premier League kooperieren - durch die deutlich größere Reichweite erreicht die Bundesliga aber auf einen Schlag hunderte Millionen Haushalte mehr. Insgesamt sehen die oberste deutsche Spielklasse weltweit geschätzte 2,3 Milliarden Menschen.
FC Bayern München hat vorgelegt
Die Umsätze der Auslandsvermarktung haben sich auf einen Schlag mehr als verdoppelt. Aber das kann besonders für die Branchenriesen nur der Anfang sein. "Zehn bis 20 Millionen Euro" will der BVB mittelfristig pro Jahr durch seine Auslandsvermarktung generieren. In China haben die Bayern bereits hervorragende Pionierarbeit geleistet und sind mit "Sina Weibo", "Tencent" und "WeChat" gleich auf drei chinesischen Plattformen vertreten. Der Lohn: Die Münchener haben sich die Pole Position in den sozialen Netzwerken in China gesichert - noch vor Manchester United und dem FC Liverpool.
Nicht umsonst brechen die Münchner in wenigen Tagen zur "Audi Summer Tour" ins Reich der Mitte auf. Neun Tage dauert der Trip, geplant sind drei Testspiele in den Millionenmetropolen Peking, Shanghai und Guanghzou sowie zahlreiche PR- und Medientermine.
Es wird ein bunter Mix aus Schwitzen und Schwätzen, Trainer Pep Guardiola wird mal wieder die heikle Aufgabe zuteil, die wichtigen Trainingseinheiten rund um die restlichen Termine zu stricken. Immerhin wissen die Bayern schon, was da auf sie zukommt: Im vergangenen Jahr reisten sie quer durch die USA, um die Marke FCB bekannt zu machen.
Premier League deutlich erfolgreicher
Die Zugpferde sind bei jedem deutschen Klub - auch Bayer Leverkusen (Südkorea), der VfB Stuttgart (Südafrika) oder der HSV (Indonesien, China) waren schon unterwegs - immer die gleichen: entweder die Welt-Stars wie Manuel Neuer, Arjen Robben oder Bastian Schweinsteiger. Oder eben die Spieler mit Lokalbezug: Kagawa bei Dortmunds Japan-Trip, Heung-Min Son bei Leverkusens Südkorea-Besuch.
Mit Superstars wie Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi kann die Bundesliga nicht dienen und im Vergleich zur Premier League wirken die 150 Millionen Euro geradezu mickrig: Die Engländer kommen dank ihrer formidablen Auslandsvermarktung auf rund 560 Millionen Euro pro Jahr, also fast das Vierfache der Bundesliga.
Die Lücke, die in diesem Bereich seit Jahrzehnten klafft, wird die deutsche Liga nicht mehr schließen können. Also arrangiert man sich mit den Gegebenheiten und versucht, das Beste daraus zu machen. So wie Borussia Dortmund momentan in Japan. "Wahnsinn! Sheer madness at Kawasaki!" twitterte der BVB am Dienstag nach seinem ersten Testspiel. Der Wahnsinn geht jetzt aber erst so richtig los.
Bald geht es hinüber nach Malaysia. Gegen die Johor Southern Tigers wird am Donnerstag erneut ein volles Stadion erwartet. Carsten Cramer freut sich schon.
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