Der Gewinn der deutschen Meisterschaft sollte Marco Reus‘ Karriere abrunden und ihn endlich von den bösen Dämonen befreien. Nun droht der Kapitän zur tragischen Figur beim BVB zu werden.
Es gibt diese Anekdote, die man sich im Frühjahr 2012 gerne erzählt hat: Wie sich
Man kann sich das flammende Plädoyer des gerne und oft genug als Menschenfänger titulierten
Auf der anderen Seite waren da noch die Bayern. Der Rekordmeister zwar, in den letzten Jahren aber auch ein Klub auf der Suche nach sich selbst und vom BVB mehrmals gedemütigt. Das Establishment, das Gegenstück zum erdigen, rotzigen BVB mit seinem brachialen Fußball. Und vor allen Dingen nicht Marco Reus‘ Klub.
Der Spieler entschied sich offenbar relativ schnell für eine Rückkehr zum BVB, für den er davor schon zehn Jahre in der Jugend gespielt hatte. Marco Reus ist damals seinem Herzen gefolgt. Und wie das manchmal so ist mit der Macht der Intuition: Sie birgt auch Risiken und Nebenwirkungen.
Der schlimmste sportliche Niederschlag
Am Samstag lag die Chance wie auf dem Silbertablett präsentiert vor Marco Reus und seiner Mannschaft: Ein Sieg noch gegen Mainz 05, eine Mannschaft, die ihre letzten vier Spiele sang- und klanglos mit einem Torverhältnis von 3:13 verloren hatte, und die bösen Geister wären endlich vertrieben. Der Schritt nach elf Jahren gemacht, den sich Reus bei seiner Vertragsunterschrift im Frühling 2012 ausgemalt hatte: Meister zu werden mit seinem BVB, am letzten Spieltag, vor den eigenen Fans, im Fernduell mit dem FC Bayern.
Seit Reus den Weg von Gladbach zurück nach Dortmund gemacht hat, durfte nur noch der FC Bayern feiern. Zehn Jahre in Folge, zumeist ohne den Hauch einer Chance für die Borussia, da auch nur annähernd mitzuhalten. Nun sind es elf Meisterschaften in Folge für die Münchener.
Als alles vorbei war, die Bayern in Köln durch ein spätes Musiala-Tor gewonnen hatten und der BVB gegen Mainz vergeblich angerannt war, sackte Marco Reus an Ort und Stelle zusammen. In einer an Niederschlägen nicht eben armen Karriere dürfte das die sportlich schwerste Stunde überhaupt gewesen sein.
Trainer Edin Terzic versuchte zu trösten. Aber wie soll das gelingen von einem, der selbst eine Wagenladung Trost gebraucht hätte? Ein paar Mitspieler kamen vorbei und als Reus sich dann irgendwann aufgerafft und auf den Weg in die Kabine gemacht hatte, blieb er gestützt von einem Betreuer im Kabinengang noch einmal stehen. Nach vorne gebeugt und überwältigt von den Gefühlen.
Kehl: "Das hat ihn verletzt"
"Man hat ihm immer wieder nachgesagt, dass er nie deutscher Meister geworden ist. Das hat ihm immer wieder leidgetan, das hat ihn verletzt", sagte sein Sportchef und ehemaliger Mitspieler Sebastien Kehl in den Tagen vor der vermeintlichen Meisterkrönung.
"Der ganze Klub, die ganze Stadt würde sich riesig mit ihm freuen. In seiner Rolle als Kapitän weiß ich, was es ihm bedeuten würde. Marco hat hier viele Geschichten geschrieben. Er hat hier viele Jahre sehr, sehr Großes geleistet, er hat wahnsinnig viele Tore geschossen." Der Meistertitel könne "seine bisherige Zeit hier abrunden".
Kehl selbst war der Kapitän der letzten erfolgreichen Dortmunder Jahre, er stemmte die Schale in zwei aufeinanderfolgenden Jahren in den Himmel. Reus ist einer seiner Nachfolger als Anführer, die beiden kennen sich seit mehr als einem Jahrzehnt und es gibt wohl nur wenigem, die glaubhaft nachvollziehen können, was für ein Schlag das für Marco Reus gewesen sein muss an diesem Samstagabend im Signal Iduna Park.
Eine allerletzte Chance
Vor ein paar Wochen hat Marco Reus seinen Vertrag bei der Borussia um ein weiteres Jahr verlängert. Es sollte eine Revue-Saison werden. Mit dem Wissen, die Ernte schon eingefahren zu haben. Mit dem Meistertitel im Gepäck noch ein letztes Mal alles genießen, die Bundesliga, die Champions League, vielleicht noch einmal das Pokalfinale in Berlin, ganz sicher aber die Liebe und Hingabe der Dortmunder Fans. Ohne den ganz großen Druck, befreit von der Last des Unvollendet-Seins.
Aber nun ist schon wieder alles anders. In zwei Tagen wird Marco Reus 34 Jahre alt und es ist sehr wahrscheinlich, dass er im August die letzte Saison seiner Laufbahn in Angriff nimmt. Und damit auch einen allerletzten Versuch, zwei DFB-Pokal-Siegen mit dem BVB diesen Kindheitstraum zuzufügen.
Er hätte das alles viel leichter haben können, mit einer Unterschrift beim FC Bayern. Aber manchmal ist Gewinnen eben doch auch nicht alles.
Verwendete Quellen:
- sportschau.de: Sportdirektor Kehl - "Marco hat hier viele Geschichten geschrieben"
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