Trauer, Tränen, Fassungslosigkeit: Borussia Dortmund leckt nach der verpassten Meisterschaft die Wunden. In der Stunde der großen Niederlage geht Trainer Edin Terzic voran. Der Schmerz wird trotzdem lange bleiben.
Im Kabinentrakt des Dortmunder Stadions zerhackten die Stollen der Fußballschuhe die gespenstische Stille.
Die Mannschaft des BVB war nach dem verpassten Titelgewinn auf der verzweifelten Suche nach einem Weg, mit der Situation und den ganzen Eindrücken und Emotionen umzugehen. Mit dieser Niederlage, mit der unfassbar leichtfertig vergebenen Chance, die möglicherweise so schnell nicht wieder kommt. Den Schmerz konnte man im Herzen des Stadions sehen und greifen.
"Die Jungs sind alle brutal enttäuscht. Jetzt braucht jeder etwas Zeit, um das zu verarbeiten", sagte Sportdirektor Sebastian Kehl, der Schwierigkeiten hatte, seine Gefühle in die richtigen Worte zu fassen. "Wir werden daran reifen. Jeder wird irgendwann daraus seine Lehren ziehen", so Kehl, der erklärte, dass er "den Fokus jetzt noch nicht nach vorne richten" kann: "Man darf die Enttäuschung spüren und artikulieren. Wir werden weitermachen, es ist aber noch nicht der richtige Moment dafür."
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Unmittelbar nach dem Schlusspfiff hatte Kapitän
Die Spieler blieben lange in der Kabine, jubelten und klatschten zwischendurch deutlich hörbar für diejenigen, die ihr letztes Spiel für den BVB absolviert hatten. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke richtete ein paar Worte an die Mannschaft, doch wirklich zugehört hat wohl eh kaum jemand. Die Profis wollten nach dem Duschen nicht mehr groß reden, sie sind mit sich selbst beschäftigt, mit diesen 90 Minuten, in denen so viele Möglichkeiten und Emotionen steckten.
Man sah und erlebte sie in den Gesichtern, in den Gesten, den Gefühlen der Zuschauer, die mit dem Signal-Iduna-Park an diesem Nachmittag eine Achterbahn der Gefühle betreten hatten.
Achterbahn der Gefühle
Zunächst die Vorfreude vor dem Anpfiff, vermischt aber auch mit einer Prise Angst vor der eigenen Courage und den Bayern. Dann Enttäuschung und Fassungslosigkeit nach dem 0:2. Hoffnung nach dem 1:2. Ekstase und Jubel nach dem 1:1 des 1. FC Köln gegen die Bayern. Diese Sehnsucht, die den Menschen plötzlich aus allen Poren sprang, eine wieder anschwellende Euphorie. Und dann das 2:1 der Bayern, lähmendes Entsetzen, dann wieder Trotz. Und das eigene 2:2. Nochmal Hoffnung.
Bis der Schlusspfiff für eine unwirkliche Stille sorgte. Trauer. Und Tränen. Der Traum war endgültig geplatzt – und die Fallhöhe war mindestens ebenso riesig wie die vorherige Erwartungshaltung.
Eine ganze Stadt hatte sich auf eine emotionale Eruption vorbereitet. Die gab es, allerdings anders als vorgesehen, und sie zerfloss in einem Tränenmeer der Verzweiflung. Ein gemeinsames Meister-Abendessen war geplant, eine riesige Party, ein Korso durch die Stadt, die den Helden zu Füßen gelegen hätte. Stattdessen müssen sie jetzt die Schmach verarbeiten, die schlechteste Saison der Bayern seit einer gefühlten Ewigkeit nicht genutzt zu haben.
Alles beim BVB schrie nach dem vergebenen Titel-Matchball an diesem denkwürdigen 34. Spieltag nach Trost, nach Ablenkung und Hilfe. Trainer
Terzic und der philosophische Ansatz
"Es ist das Spiel, in das wir uns verliebt haben, als wir klein waren", sagte er über König Fußball, der durch den ersten ernsthaften Titelkampf seit Jahren neben den Bayern der große Sieger war. Zu dem Spiel "gehören Siege, aber auch Niederlagen. Verschossene Elfmeter. Vergebene Chancen. Und heute leider das Unentschieden", so Terzic.
Für den BVB war es eine Niederlage, eine Art folkloristische Vollbremsung, eine abgewürgte Eruption, gefolgt von echter Leere und echter Trauer. Was zur echten Liebe nun mal dazugehört. Doch das wird in Dortmund niemanden ernsthaft trösten. Zumindest vorerst nicht. Die Spieler werden es am Sonntag schon mal versuchen, dann kommt das Team noch einmal zusammen und wird "gemeinsam sprechen", kündigte Kehl an. Dabei werden sich laut Kehl "sicherlich alle noch einmal in den Arm nehmen".
Mutmacher für die Zukunft
Das tat der Trainer vorab schon verbal, indem er Mut machte. "Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, ob es eine Woche oder einen Monat dauern wird. Aber ab dann sind wir wieder genau 34 Spieltage davon entfernt", sagte Terzic. Und dann werde man aufstehen und versuchen, es besser zu machen, so Terzic, der versprach, man werde auch diesen Test bestehen, und damit den Blick nach vorne richtete.
Aus der verpassten Chance lernen und sich auf einen neuen Anlauf vorbereiten - das wird am Ende wohl der Weg sein, mit der Schmach umzugehen.
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