Bei Eintracht Frankfurt herrscht Alarm. Trainer Glasner wütet in der Pressekonferenz, Vorstandssprecher Hellmann weist ihn öffentlich zurecht. Eine gemeinsame Zukunft wird immer unwahrscheinlicher.
Auf eine schützende Hand des Vereins konnte
"Es war weder gut noch richtig, so zu reagieren", sagte Hellmann am Sonntagmorgen im TV-Sender Bild. "Was ich auf keinen Fall verstehen kann, ist, dass man diese Enttäuschung an einem Journalisten auslässt, der seine Arbeit macht", kritisierte der Eintracht-Boss bemerkenswert offen.
Die Mannschaft ist nach dem 1:3 bei Hoffenheim seit zehn Spielen in der Fußball-Bundesliga sieglos, der Trainer wird öffentlich laut und dafür von der Vereinsführung gerügt: In Frankfurt liegen die Nerven blank - und das nur wenige Tage nach dem Einzug ins DFB-Pokalfinale. Immer mehr deutet derzeit darauf hin, dass Glasners vom Europa-League-Titel gekrönte Amtszeit am 3. Juni mit dem Endspiel in Berlin gegen RB Leipzig endet. Vertrag bis 2024 hin oder her.
Hellmann deutet Zweifel an Zusammenarbeit mit Glasner an
Die Frage scheint eher: Geht Glasner selbstbestimmt mit einem Wechsel zu einem europäischen Topklub? Oder entscheidet sich der Verein aktiv gegen den Trainer, der die seit Monaten andauernde sportliche Talfahrt mitverantwortet? Hellmann deutete erstmals Zweifel an einer weiteren Zusammenarbeit an. "Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, ob wir in einer Form sind, die zukunftsweisend ist. In dieser Frage sollten wir die nächsten Tage und Wochen mal ins Land gehen lassen", sagte der 51-Jährige. Selbst ein großer Knall noch vor Saisonende erscheint nicht ausgeschlossen.
Glasner tritt seit Wochen dünnhäutig und gereizt auf. Sein Furor in Sinsheim, der von einer harmlosen Frage eines Journalisten eingeleitet wurde, war aber der Gipfel. "Hört auf damit, der Mannschaft irgendwas mit nicht kapieren vorzuwerfen. Der alte Makoto Hasebe ist 39 Jahre alt, der spielt das dritte Mal 90 Minuten in dieser Woche. Der hat teilweise Blut im Urin", sagte der Österreicher voller Wut.
Mit kräftiger und lauter Stimme legte er nach: "Hör mir mit diesem Müll auf. Ich weiß, was die Jungs hier leisten." Was als Verteidigung der eigenen Mannschaft gemeint war, kam im Verein überhaupt nicht gut an. Zuvor hatte er bei der Schlappe bei Abstiegskandidat Hoffenheim die Rote Karte gesehen, weil er absichtlich einen zweiten Ball ins Spielfeld befördert hatte. Dies bezeichnete Glasner später als "stillen Protest gegen die Leistung des Schiedsrichters". Hellmann urteilte: "Ich glaube, eins weiß Oliver Glasner selbst am besten: dass die Aktion nicht glücklich und geschickt war."
Es war aber eine Aktion, die symbolisch ist. Auch die Nationalspieler Kevin Trapp und Mario Götze sahen am Samstag Gelb wegen Meckerns, Götze zum wiederholten Male. Was der Eintracht an Bundesliga-Punkten fehlt, hat sie an Undiszipliniertheiten angehäuft. "Das passt in der Summe in ein Gesamtbild. Wir müssen schleunigst die Dinge begradigen. Ich habe noch nicht erlebt, dass man Spiele durch Undiszipliniertheiten gewonnen hat", monierte Hellmann.
Nach dem Spiel, bei dem ein großer Schritt in Richtung Europa verpasst wurde, hatte ausschließlich Glasner aufseiten der Eintracht gesprochen. Die Spieler und Sportvorstand Markus Krösche sagten explizit nichts, der Verein rechtfertigte den ungewöhnlichen Interview-Boykott inmitten der sportlichen Krise. Glasner selbst wusste davon nach eigenen Angaben nichts, auf eine entsprechende Frage antwortete er: "Ich war auf der Tribüne."
Für den Österreicher war es ein komplett verkorkstes Wochenende. Auf Rot, die Pleite und den Wutausbruch folgte am Sonntag Hellmanns Rüge. Der Vorstand kritisierte nicht nur die sportliche Leistung ("Wir liegen weit hinter den Erwartungen zurück"), sondern erhöhte auch den Druck auf Glasner. Die Zukunft hänge davon ab, wie Glasner sich selbst positioniere. "Es ist eine Debatte, die nicht wir begonnen haben als Klub. Die ist dadurch entstanden, dass unsere Offerte nicht angenommen worden ist", sagte Hellmann. (Patrick Reichardt, dpa/lh)
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