Der Bundestrainer vertraut für die EM-Qualifikationsspiele auf Bewährtes, öffnet die Tür für ein Rückkehrer-Trio - und einen Novizen. Ein paar andere schauen allerdings in die Röhre. Die Liste der Nominierten zeigt aber auch: Löw bewegt sich immer weiter weg vom Dogma des totalen Ballbesitzfußballs.
Joachim Löw geht auf Nummer sicher, für die ganz großen Experimente bleibt keine Zeit.
Der Kader der deutschen Nationalmannschaft für die Spiele gegen die Niederlande und Nordirland, beide mit vorentscheidendem Charakter im Hinblick auf die direkte Qualifikation für die Europameisterschaft im kommenden Jahr, ist kein Experimentierfeld. Dafür ist die Lage für den Bundestrainer nach dem WM-Crash vor 14 Monaten immer noch zu angespannt.
Zwar läuft es in der Qualifikationsgruppe C mit neun Punkten aus den ersten drei Spielen, darunter der 3:2-Auswärtssieg in Amsterdam, bisher perfekt. Trotzdem benötigt der Bundestrainer neben den inhaltlichen und personellen Veränderungen im Hinblick auf das nächste Großereignis auch die entsprechenden Ergebnisse, um seine Vorhaben auch mit Zahlen zu stützen.
Selbst der Bayern-Dortmund-Block muss weichen
Insofern ging
"Nur" fünf Spieler stellt der FC Bayern, drei kommen jeweils vom BVB und RB Leipzig. Aus insgesamt 13 Klubs rekrutiert Löw seine Auswahl, darunter seit langer Zeit auch mal wieder der SC Freiburg. Luca Waldschmidt ist der einzige Neuling im Aufgebot und die Nummer 103 in der mittlerweile über 13-jährigen Amtszeit von Löw als Bundestrainer.
Die Berufung des Angreifers war keine große Überraschung, vielmehr hatte sich
Wo ist Kevin Volland?
Neben Waldschmidt ist Leipzigs
Aber der ist mal wieder nicht mit dabei. Volland, der im Kalenderjahr unter Peter Bosz mit 22 Scorerpunkten in 19 Bundesligaspielen für Bayer eine unglaubliche Bewerbung abgegeben hat und derzeit ohne Zweifel der formstärkste Angreifer des Landes ist, muss also weiter auf sein elftes Länderspiel warten. Das letzte bestritt Volland im November 2016 gegen Italien.
Ähnlich wie dem Leverkusener erging es Danny Da Costa, Maximilian Eggestein, Julian Weigl oder Kerem Demirbay. Sie hofften ebenfalls auf eine (erneute) Nominierung, nach starken Leistungen in der abgelaufenen Saison und teilweise auch schon wieder in der jungen, aktuellen Spielzeit.
Dagegen hat es Emre Can nach rund einem Jahr mal wieder in den DFB-Kader geschafft. Ebenfalls zurück sind Marc-Andre ter Stegen und Toni Kroos, die bei den letzten beiden Partien vor der Sommerpause noch verletzungsbedingt gefehlt hatten.
Jonas Hector genießt trotz eines holprigen Starts mit dem 1. FC Köln und nach einer ganzen Saison in der Zweitklassigkeit mit dem FC weiter das Vertrauen des Bundestrainers.
"Nur" 22 Spieler im Aufgebot
Neben Leroy Sane fehlen auch Julian Draxler und Thilo Kehrer, die beiden Spieler von Paris Saint-Germain sind ebenso verletzt wie der Star von Manchester City.
Für Chelseas Antonio Rüdiger, der nach überstandener Knie-Operation gerade wieder auf den Platz zurückgekehrt ist, kommt ein Einsatz in der Nationalmannschaft noch zu früh.
"Wir wollen mit voller Konzentration in die neue Länderspielsaison starten, an deren Ende im Sommer nächsten Jahres die Europameisterschaft als Höhepunkt steht. Unser Ziel ist es, uns weiter zu festigen und einzuspielen und uns so früh wie möglich zu qualifizieren", wird Löw in einer DFB-Mitteilung zitiert. "Mit unserer jungen Mannschaft haben wir bewusst einen neuen Weg eingeschlagen, diesen werden wir konsequent weitergehen."
Warum Löw eine Position offen ließ, ist nicht bekannt. In der Regel nominiert der Bundestrainer 20 Feldspieler und drei Torhüter, diesmal nimmt Löw nur 19 Spieler mit auf die Reisen nach Hamburg (gegen die Niederlande) und Belfast (gegen Nordirland).
Zwar wies Löw noch einmal explizit auf den noch eher jungen Kader hin, letztlich ist der größte Umbruch im Team mit der Ausbootung von Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller aber auch schon vollzogen. Für das Trio gibt es auch nach der Sommerpause und einem - wie in Hummels‘ Fall - Vereinswechsel offenbar keinen Weg mehr zurück in die Nationalmannschaft.
Viele Tempospieler im Kader
Löw beschreitet damit tatsächlich den Weg eines deutlich direkteren Fußballs. Der Bundestrainer will seine Mannschaft noch variabler ausrichten, noch weiter weg vom Dogma des totalen Ballbesitzfußballs, mit dem Deutschland in Russland mit Karacho gegen die Wand krachte.
Die Spiele in der Nations League gegen Frankreich und die Niederlande sowie die ersten Qualifikationspartien haben einen ersten Vorgeschmack geliefert, so richtig soll die neue Marschroute aber erst jetzt eingeschlagen werden - auf direktem Weg zur EM 2020.
"Grundsätzlich werden Ballbesitz und Dominanz weiterhin Bausteine unserer Philosophie sein. Wir brauchen mehr Dynamik, Zielstrebigkeit, Schnelligkeit. Da müssen wir uns verbessern.
Das Spiel bei der WM war sehr geprägt von einer Langsamkeit." Das sagte Löw auf der ersten Pressekonferenz des Jahres im März. Nun sind die Tempospieler Julian Brandt, Timo Werner, Serge Gnabry, Kai Havertz oder Marcoi Reus nicht mehr einfach nur dabei, sondern nehmen tragende Rollen ein.
Vielleicht fiel Kevin Volland als bulliger Wandspieler deshalb durchs Raster. Eine andere Erklärung für den Verzicht auf den 27-Jährigen dürfte es kaum geben.
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