In der gegenwärtigen Coronakrise hat sich der FC Bayern München an einer Millionenspende beteiligt. Sie soll gefährdete Konkurrenten vor einer möglichen Insolvenz bewahren. Vergessen ist, dass diese mehrmals den Bayern selbst drohte - bevor Uli Hoeneß als Manager das Ruder herumriss.
Abhängig davon, wie lange die Coronakrise die Bundesliga lahmlegt, droht weniger liquiden Vereinen der finanzielle Ruin. Der FC Bayern München gehört nicht zu den gefährdeten Klubs. Im Gegenteil.
Gemeinsam mit den anderen deutschen Champions-League-Startern Borussia Dortmund, RB Leipzig und Bayer Leverkusen stellte der deutsche Rekordmeister der Deutschen Fußball Liga (DFL) 20 Millionen Euro zur Verfügung, um sie unter deutschen Profiklubs zu verteilen, die auf solche Unterstützung angewiesen sein könnten.
Steuerschulden: Bayern München steht 1976 vor dem Aus
Kaum vorstellbar ist angesichts der sportlichen und finanziellen Übermacht des FC Bayern anno 2020, dass dessen Steuerberater im März 1976 in einem Brief an das Münchner Stadtsteueramt von der "Auflösung des Vereins" sprach.
Dem seinerzeitigen Seriensieger im Europapokal der Landesmeister, dem Vorläufer der Champions League, stand das Wasser bis zum Hals - und dies nicht zum ersten Mal.
1972 hatte lediglich der Umzug ins nagelneue Olympiastadion den FC Bayern vor der Beantragung eines Kredits bewahrt. Die höchst erfolgreiche Mannschaft - 1965 in die Bundesliga aufgestiegen, 1967 Europapokalsieger der Pokalsieger und 1969 Gewinner des Doubles aus Deutscher Meisterschaft und DFB-Pokal - war zu teuer geworden. Oder, anders gesagt: das Grünwalder Stadion zu klein.
Grünwalder Stadion warf zu wenig Ertrag ab
Die 1911 eröffnete Spielstätte fasste damals zwar noch 45.000 Fans. Doch selbst in der Meistersaison 1968/69 passierten im Schnitt nur 25.178 Zuschauer die Stadiontore. Der Schnitt sank bis 1971 auf 23.894 Besucher. Das entsprach einer Auslastung von lediglich 53 Prozent. Und das in den Zeiten, als TV- und Werbeeinnahmen - ganz im Gegensatz zu heute - im Budget der Klubs nur eine untergeordnete Rolle spielten.
Vor allem mussten sich die Klubs - und da bildeten die Bayern keine Ausnahme - über den Zuspruch der Zuschauer finanzieren.
Und - auch das ist ein Unterschied zu heute - die Fans rannten dem Spitzenklub von der Isar nicht automatisch die Bude ein, wenn Spieltag war.
Über den Ausflug ins Stadion entschied in den 70er und 80er Jahren vor allem noch die Qualität des Kontrahenten und somit die zu erwartende Güte der Darbietung. Zudem wirkte sich der Tabellenstand auf den Zuspruch aus, und - der damalige Stadionkomfort hält mit dem heutigen keinem Vergleich Stand - nicht zuletzt die Witterung. Von der heutigen, automatischen Anziehung der Bayern und der Bundesliga war noch keine Spur.
Wilhelm Neudecker spricht von "Katastrophenjahr"
Daraus folgte, dass sich "auch die Bayern" schon ein Jahr nach dem Double von 1969 "(...) nach der Decke strecken mussten", wie es "kicker"-Redakteur Helmut Dirschner im Bundesliga-Sonderheft vor der Saison 1971/72 formulierte.
Der damalige Präsident Wilhelm Neudecker sprach gar von einem "Katastrophenjahr". Es endete ohne jeden Titel. Das habe den Verein umgerechnet mindestens eine halbe Million Euro gekostet. Trotzdem mussten Stars wie
Der spätere Präsident und damalige Finanzvorstand, Willi O. Hoffmann, - von Beruf Steuerberater - erinnerte Neudecker daran, dass sich der Klub eine Senkung der Lizenzspielergehälter nicht leisten könne, um das Loch in der Kasse auszugleichen.
Im Sommer 1972 war die Finanzierung ausstehender Spielergehälter nur noch über die Aufnahme eines Kredits möglich - es sei denn, die Bayern dürften ihr Meisterschafts-Finale gegen Verfolger Schalke 04 im eigentlich noch nicht komplett fertiggestellten Olympiastadion (Fassungsvermögen 80.000 Menschen) austragen. Alleine 45.000 Besucher, was der gesamten Fassungsmenge des Grünwalder Stadions entsprach, fanden im Olympiastadion einen Sitzplatz.
"Der FC Bayern bewegte sich 1972 wieder einmal am Rande des Bankrotts", beschrieb Hans Woller in seiner Gerd-Müller-Biografie im Jahr 2019 die damals bedrohliche Lage. "Die teure Truppe um Beckenbauer und Müller fraß fast alle Reserven auf und brauchte dringend Nachschub."
Meisterschafts-Gala gegen Schalke rettet die Bayern vor dem Ruin
Den lieferten letzten Endes jene 80.000 Zuschauer, die am 28. Juni 1972 eine 5:1-Gala gegen Schalke erlebten - und den Gewinn der zweiten Bundesliga-Meisterschaft der Bayern nach 1969. Die damalige Bruttorekordeinnahme von umgerechnet 600.000 Euro zog den Kopf des FC Bayern aus der Schlinge. Vorläufig.
Denn trotz des schönen neuen und großen Stadions schnürten dem Verein schon vier Jahre später Steuerschulden in Millionenhöhe die Luft ab. Im Mai 1977 war im "Spiegel" zu lesen, dass der Bund vom FC Bayern alleine an Körperschaftssteuer umgerechnet 1,2 Millionen Euro zu bekommen habe.
Es war genau der Monat, als der legendäre Mannschaftskapitän Franz Beckenbauer letztmals das Trikot des FC Bayern trug und sich für umgerechnet 175.000 Euro beim Verein seinen Wechsel nach New York aus eigener Tasche erkaufte.
Der "Kaiser" flüchtete vor seinen damaligen Schulden. Das Finanzamt saß ihm ebenso im Nacken wie dem FC Bayern. Zudem war der sportliche Absturz der Mannschaft in vollem Gange. Borussia Mönchengladbach sicherte sich in Beckenbauers letztem Bundesligaspiel ausgerechnet im Olympiastadion und unter Bayerns einstigem Erfolgscoach Udo Lattek durch ein 2:2 seine dritte Meisterschaft in Folge.
In der Saison darauf landete der FC Bayern nur auf Rang zwölf der Bundesliga. Schlechter platzierte sich der heutige Rekordmeister weder davor noch danach. Weder sportlich noch finanziell ging die Rechnung an der Säbener Straße noch auf. Zwischen 1975 und 1979 holte der FC Bayern keine Deutsche Meisterschaft und zog in kein Endspiel des DFB-Pokals ein.
Uli Hoeneß saniert den FC Bayern sportlich und finanziell
Als
Heute, da selbst Reservist Jann-Fiete Arp pro Jahr in München nach Angaben des "Vermögensmagazins" fünf Millionen Euro verdient, erscheint der Schuldenstand aus dem Jahr 1979 vergleichsweise lächerlich.
Hoeneß, von Geburt einer der als sparsam geltenden Schwaben und zudem schon als Spieler ein versierter Finanzfachmann, benötigte Jahre und ersann zahlreiche Vermarktungsquellen, um den FC Bayern nach und nach von seinen Schulden zu befreien.
Dabei überwarf er sich im Juni 1983 mit seinem einstigen Busenfreund Paul Breitner.
Wütender Breitner wirft Hoeneß zum Abschied das Trikot hinterher
Wie bereits Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre, als der Klub aus Geldnot wie ein Wanderzirkus über die Lande zog, musste der Verein die Saison um Einlagespiele verlängern. In der schwülen Hitze von Singapur platzte Hoeneß beim Stand von 0:1 gegen eine dortige Auswahl in die Kabine, meckerte über den "Mist", den Breitner und Kollegen spielten.
Der 31-jährige Breitner, ohnehin verletzt, war nur in sein Trikot geschlüpft, um dem FC Bayern eine Konventionalstrafe von 10.000 US-Dollar zu ersparen. Die drohte, sollten die Münchner ohne ihre Stars Breitner oder Karl-Heinz Rummenigge auflaufen. Nun schmiss Breitner Hoeneß vor Wut sein Trikot nach - und beendete anschließend seine Karriere.
Hoeneß machte weiter und schuf aus dem einstigen Schuldenklub den um Erfolg und Geld beneideten Krösus der Bundesliga. Heute könnte der FC Bayern für einen einzelnen Spieler eine dreistellige Millionen-Ablöse bezahlen, ohne in Not zu geraten. Viele Beobachter erwarten, dass diese Schallmauer vor der kommenden Saison fallen könnte.
Verwendete Quellen:
- Christoph Bausenwein: "Das Prinzip Uli Hoeneß - Ein Leben für den FC Bayern"
- Franz Beckenbauer: "Ich - Wie es wirklich war"
- Nils Havemann: "Samstags um halb 4 - Die Geschichte der Fußballbundesliga"
- Thomas Hüetlin: "Gute Freunde - Die wahre Geschichte des FC Bayern München"
- Hans Woller: "Gerd Müller - oder: Wie das große Geld in den Fußball kam"
- Kicker: Bundesliga-Sonderheft 1971/72
- Vermögensmagazin: "FC Bayern München Gehälter der Spieler 2019/20"
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