- Der FC Schalke 04 liefert derzeit ein negatives Highlight nach dem anderen ab.
- Der Verein steuert offenbar schnurstracks auf den Voll-Crash zu.
- Wie soll und muss es nun weitergehen in Gelsenkirchen?
Das vergangene Wochenende war in einem an verkorksten Wochenenden vollgestopften Jahr ein neuer Tiefpunkt: Der ruhmreiche FC Schalke scheiterte an allen Fronten und so langsam muss man sich die Frage stellen, wie das alles nur weitergehen soll in Gelsenkirchen?
Das 0:2 gegen den VfL Wolfsburg inklusive einer absolut indiskutablen ersten Halbzeit bedeutete das 24. Bundesligaspiel in Folge ohne Sieg und die fünfte Niederlage dieser Saison. Es war aber nur der Auftakt für ein abermals schauderhaftes Spektakel: Unmittelbar nach dem Spiel legte Angreifer Mark Uth am Sky-Mikrofon los, klagte die Mitspieler und sich selbst schonungslos an.
So ein Gepolter und Gezeter kann einen reinigenden Effekt haben, die Truppe wachrütteln und außerdem kennt man das ja gar nicht mehr in diesen Zeiten, wo Fußballspieler in Interviews wie Sprechpuppen agieren und nicht wie selbstbestimmte Menschen. Auf Schalke ist aber auch das offenbar ganz anders.
Uths Ausführungen waren nichts anderes als ein Hilfeschrei. "Ich bin momentan so bedient und so sauer. Ich könnte in die Kabine und einfach nur weinen", sagte der Spieler. "Das ist so traurig, jedes Mal aufzudribbeln und machtlos Fußball zu spielen. Wir werden hergespielt. Wir spielen alle zusammen sehr, sehr schlechten Fußball. Ich weiß nicht, wie wir so ein Spiel gewinnen wollen."
FC Schalke 04: Zoff in der Kabine und auf dem Platz
Ausdrücklich klammerte Uth dabei aber Trainer Manuel Baum aus seiner Manöverkritik aus, den Trainer treffe nicht die Schuld an den Ergebnissen. Ein honoriger Zug des Spielers, der aber keine 24 Stunden Halbwertszeit erlangte. Am Sonntagvormittag vor dem Training soll es in der Kabine zu teilweise heftigen Wortgefechten zwischen Trainer Baum und einzelnen Spielern gekommen sein, wie die "Bild" berichtet. Spieler, die vom Trainer ausgewechselt wurden und darüber offenbar verärgert genug waren, sich mit ihrem Vorgesetzten anzulegen.
Die aufgeheizte Stimmung übertrug sich offenbar auch auf den Trainingsplatz, wo dann Co-Trainer Naldo und Alt-Star Vedad Ibisevic laut Medienberichten so heftig aneinandergerieten, dass es nicht nur bei gegenseitigen verbalen Vorwürfen blieb, sondern auch die Hände zum Einsatz kamen. Mehrere Spieler mussten die beiden Streithähne dem Bericht der "Bild" zu Folge trennen, die Einheit wurde daraufhin abgebrochen. Dabei hätte Schalke 04 doch so viel zu üben.
Mit dem Mainzer Sieg in Freiburg rutschte Schalke wenige Stunden nach dem großen Knall beim Training auch noch ab auf Tabellenplatz 18. Schalke hat die wenigsten Punkte (drei), die wenigsten Tore erzielt (fünf) und die meisten kassiert (24). Die Mannschaft ist ein verdienter Zwischen-Tabellenletzter, daran dürfte kaum ein Zweifel bestehen.
Auf Schalke brennt es an allen Ecken lichterloh, nicht nur im sportlichen Bereich. Letzte Woche musste die Medienabteilung einen Bericht der "Bild" einfangen, in dem über den Umgang mit langjährigen Mitarbeitern in Spitzenpositionen geschrieben wurde.
Ein Fettnapf nach dem anderen
Angeblich sollen die Leiter der Abteilungen Sponsoring, Merchandising und Tradition vor die Wahl gestellt worden sein: Degradierung oder Abfindung. Die Folge war ein versammelter Aufschrei der Schalker Fanszene in den sozialen Medien über die Art und Weise, wie schäbig mit Angestellten umgegangen werde, die schon seit Jahrzehnten im Klub tätig sind und damit deutlich länger als die aktuellen Spitzen des Klubs wie Trainer Baum, die Sportvorstände Jochen Schneider und Alexander Jobst oder der Technische Direktor Michael Reschke.
"Der FC Schalke widerspricht in aller Deutlichkeit einer in wesentlichen Teilen unzutreffenden Berichterstattung", hieß es in einer Pressemitteilung, außerdem prüfe der Klub bereits rechtliche Schritte. Aber selbst wenn an der Boulevard-Geschichte nichts oder nur wenig dran sein sollte: Etwas hängen bleibt immer - und es verlängert die Liste an diskutablen Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit.
Der lasche Umgang mit Clemens Tönnies und dessen rassistischen Äußerungen war ein Anfang, mit der Kündigung etlicher Mini-Jobber aus dem Schalker Fahrdienst und dem Härtefallantrag bei der Ticketrückerstattung ging es weiter. Nun die Debatten um die Abteilungsleiter und das heillose Chaos innerhalb der Mannschaft. Die Kommunikation und Außendarstellung des Klubs wirken einfach nur noch desaströs.
Inmitten dieser Turbulenzen rückt die Ausgliederung und damit ein Abschied vom "eingetragenen Verein" immer mehr in den Fokus. Die Coronakrise hat Schalke besonders hart zugesetzt, die ohnehin schon sehr angespannte finanzielle Lage dramatisch verschärft. Die Rede ist von einer Schuldenlast über rund 200 Millionen Euro.
Der mögliche Abstieg als Todesstoß?
"Wir arbeiten derzeit an einem Konzept, um dem FC Schalke 04 eine Struktur zu geben, die zum einen zu 104 Prozent zu unserem Verein passt, es uns zum anderen aber ermöglicht, langfristig wieder höhere Ziele in Angriff zu nehmen", sagte Jobst kürzlich dem "Kicker". Ein nachvollziehbarer Gedanke, aber eben auch keine wirklich neue Idee: Viel zu lange war frisches, fremdes Geld schon das vermeintliche Schalker Allheilmittel. Allerdings ohne einen nachhaltigen oder nennenswerten Effekt.
Schalke 04 wandelt seit mehr als einem Jahrzehnt schon am Abgrund, nun wird die Lage aber doppelt bedrohlich: Ein Abstieg aus der Bundesliga wäre eine sportliche Katastrophe und aus wirtschaftlicher Sicht unter Umständen so etwas wie der Todesstoß für den Klub. Bei 40 bis 50 Millionen Euro weniger Einnahmen als Zweitligist wären die Verbindlichkeiten kaum noch zu bedienen, würde das fragile Konstrukt wohl recht schnell in sich zusammenbrechen.
Nach dem Tiefpunkt vom Wochenende muss man wohl befürchten: Das war's noch nicht, da kommt noch mehr. Der FC Schalke 04 sitzt in der Spirale nach unten fest und derzeit gibt es offenbar kein Entrinnen.
Verwendete Quellen:
- Sky: "Ich könnte einfach nur weinen"
- Bild.de: "Trainingsabbruch auf Schalke"
- Kicker.de: "Wir arbeiten an einem Konzept"
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