Frank Buschmann ist aus der Bundesliga-Konferenz bei Sky nicht wegzudenken - und bleibt seinen vielen Fans auch über die Saison 2022/23 hinaus erhalten. Buschmann weiß, dass er mit seiner Art, Spiele am Mikrofon zu begleiten, polarisiert.
Aber wer als "Klugscheißer" in den sozialen Medien diese Art nicht mag, kommt dem 58-Jährigen gerade recht. Im exklusiven Interview mit unserer Redaktion gibt er seinen Meistertipp ab, erklärt, was Kinder mit seinem Rücktritt vom Rücktritt zu tun haben und was ihm "auf den Sack" geht.
Herr
Frank Buschmann: Ich fürchte, das wird nichts. Die Bayern werden keine Punkte mehr liegen lassen - und dann war es das für die Dortmunder. Wenn ich aber so etwas sage, tritt meistens das Gegenteil ein.
Ich verstehe bei einer längerfristigen Betrachtung der Entwicklungen rund um den Fußball Ihren ursprünglichen Impuls, Ihren Vertrag als Bundesliga-Kommentator bei Sky nicht über den Sommer 2023 hinaus zu verlängern. Warum machen Sie jetzt doch weiter?
Ich habe von vornherein erklärt, dass mir das nicht leichtfällt. Ich mag die Sache an sich, den Sport an sich noch immer. In den letzten Monaten sind aber Dinge passiert. Vor allem die Live-Übertragungen mit den Kindern, "Sky Next Generation". Dabei habe ich festgestellt, dass es mir a) weiterhin Spaß macht, ab und an in einem brodelnden Stadion zu sitzen. Und b) ist dieser Job irgendwie etwas ganz Besonderes, weil ich erlebt habe, wie die Kinder auf diese Geschichte reagiert haben - und auf mich. Wenn du nach der Übertragung in diese großen, glänzenden Kinderaugen guckst, dann macht das etwas mit dir.
Dazu kommt der Verlauf dieser Bundesliga-Saison. Endlich ist es mal wieder an allen Enden der Tabelle spannend. Und daran hatte ich auch in den Konferenzen Spaß gehabt. Deshalb nehme ich mir die Unverfrorenheit, diese absolute Unverfrorenheit, und revidiere etwas, was für mich eigentlich schon beschlossen schien. Das habe ich in meinem Leben in anderen Bereichen auch immer schon getan. Und jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt: Ich kann trotzdem weiterhin Kritik üben an dem, was in der Medienbranche passiert und an dem, was im Fußball passiert. Warum soll man das nicht kritisieren dürfen, wenn man die Sache an sich trotzdem mag? Das ist Quatsch. Auch hier daheim sind alle froh, wenn ich hin und wieder noch ein bisschen arbeiten gehe. Ich bin deswegen auch kein Umfaller. Ich habe nur festgestellt, dass in mir noch ein Feuerchen lodert.
Frank Buschmann: "Deshalb mache ich bei Sky noch zwei Jährchen weiter"
Ich kann das nachvollziehen. Was hat denn Ihre Frau dazu gesagt?
Sie würde immer sagen: "Mache das, womit Du Dich gut fühlst." Sie hat tatsächlich gesagt: "Überlege Dir gut, ob Du schon die Füße hochlegen kannst." Aber der Typ bin ich sowieso nicht. Es stand nie zur Debatte, dass ich von heute auf morgen nichts mehr mache. Ich habe aber immer mehr Dinge außerhalb des Berufs, die mich erfüllen und ausfüllen. Allerdings war auch das Gespräch mit Sky gut. Die lassen mich so sein, wie ich bin. Das hätte vor ein paar Jahren auch nicht jeder gedacht. Deshalb machen wir nochmal zwei Jährchen zusammen.
Sie kommen aus der vordigitalen Zeit und sind sich immer treu geblieben. Wie sehr beschäftigen Sie Kommentare von Menschen, die offensichtlich von der Materie keine Ahnung haben?
Schwierig. Wir sollten daran denken, wie unsere Eltern und Großeltern mit uns umgegangen sind, wenn sich Sachen verändert haben. Sehr gut erinnere ich mich daran, wie mein Großvater mich aufs Übelste beschimpft und nicht verstanden hat, was ich mache. Das ging mit meinem Haarschnitt los, wenn man den so bezeichnen durfte. Ich trug eine Jimi-Hendrix-Gedächtnisfrisur. Weiter ging es über meine Art zu sprechen. Damit konnte er nichts anfangen und es setzte sich über meine Kleidung fort. Daran versuche ich mich zu erinnern, wenn ich heute kopfschüttelnd vor Kommentaren sitze und mich frage: "Ist das noch meine Welt?" Die Klugscheißerei, die wir im Internet und in den sozialen Netzwerken erleben, hat es schon immer gegeben. Wir haben es nur nicht mitbekommen. Das fand nach dem Kirchgang in der Kneipe statt. Heute schreibt es halt jeder. Und aus allem wird etwas Größeres gemacht. Das ist das größte Problem.
Frank Buschmann: "Manchmal provoziere ich gerne"
Welches Problem sehen Sie außerdem?
Heute glaubt jeder, der keine Ahnung vom Leistungssport hat, er wüsste es auf jeden Fall besser als der Kommentator und - im Zweifel - auch besser als der Trainer. Dann wird sich ereifert. Ich habe gelernt, solche Kommentare nicht mehr ganz so ernst zu nehmen. Und manchmal spiele ich auch mit diesem ganzen Rotz. Das werfen mir Leute ja gerne vor. Manchmal provoziere ich gerne, um zu schauen, was es braucht, um einen Sturm der Empörung und Entrüstung auszulösen. Es braucht nicht viel, diese Erfahrung habe ich gemacht.
Sie haben über Ihre Begeisterung für das Format "Sky Next Generation" gesprochen. Wie steht es um den Nachwuchs?
Ich merke, dass die Vollblutjournalisten und jene, die den Job von der Pike auf gelernt haben, immer weniger werden. Ich sage jungen Kolleginnen und Kollegen immer: "Ihr müsst nicht ins Fernsehen wollen, weil Ihr reich und berühmt werden wollt, sondern weil Ihr den Leuten Spaß vermitteln wollt." Mittlerweile hält sich jeder, der drei Artikel über die NBA oder die NFL gelesen hat, für einen Experten im US-Sport. Ich bleibe dabei, auch wenn mich die Menschen dafür hassen: Um die Fußball-Bundesliga übertragen zu können, muss man kein Bundesliga-Spieler gewesen sein. Es ist aber ein Riesenvorteil, wenn du als Sportreporter selbst mal auf einem Niveau aktiv warst, auf dem Gewinnen und Verlieren mehr Bedeutung hatte, als um eine Kiste Bier zu spielen. Dann kannst du auch nachempfinden, was im Kopf der Spieler passiert.
Das können Sie als ehemaliger Zweitligaspieler im Basketball. Und Sie verstehen es, dieses Know-how in die Wohnzimmer zu den Fans zu übertragen.
Mir geht es im Übrigen auf den Sack, wenn mich die Leute als Kommentator auf das Emotionale reduzieren und darauf, ich sei der Schreihals. Das mache ich nur, wenn es das Ereignis oder das Spiel hergibt. Bei einem 0:0 zwischen Bremen und Hoffenheim wird mich niemand eskalieren hören. Ich komme nicht immer über die Leidenschaft. Ich sage auch mal: "Freunde, das ist ungefähr so interessant, wie Geranien beim Wachsen zuzuschauen." Ich begreife mich trotzdem als Unterhalter, weil die wenigsten Zuschauer, die gerade vor der Sky-Konferenz sitzen, im Begriff sind, den Trainerschein zu machen. Das sind Fußballfans. Und für die macht man das. Es muss immer authentisch sein. Das ist wichtig.
Uns stehen in dieser Saison noch spannende Bundesliga-Konferenzen und Spieltage bevor. Sie sagten, Sie befürchten, dass es der BVB wieder nicht zum Titel schafft. Wann schafft er es denn mal?
(lacht) Wenn ich sage, dass ich befürchte, dass wieder die Bayern Meister werden, dann habe ich nichts gegen die Bayern. Tatsächlich ist mir das unter dem Strich scheißegal. Aber Sport ist geil, wenn er spannend ist. Und wenn die Spannung komplett raus ist und die Bayern zum elften Mal in Folge Deutscher Meister werden, dann werden die Leute irgendwann die Lust und das Interesse an der Bundesliga verlieren. Und das fände ich schade. Darauf habe ich keinen Bock. Dieses Jahr hatte der BVB die Riesenchance. Mit dem Unentschieden in Bochum ist der Meisterschaftszug für Dortmund abgefahren.
Frank Buschmann: "In dieser Form gehört der VAR abgeschafft"
Aber vielleicht - siehe Bochum gegen Dortmund - gibt es noch irgendeine VAR-Entscheidung, die in den Titelkampf eingreift. Hätten Sie den VAR eingeführt?
Damals dachte ich: "Warum nicht?" So wie er jetzt gehandhabt wird, würde ich mich wieder davon verabschieden. Auch wenn statistisch erwiesen mehr Gerechtigkeit in die Entscheidungen Einzug gehalten hat. Wir haben aber immer noch zu viele Diskussionen. Nicht, weil es den VAR gibt, sondern weil wir uns offensichtlich nicht einig sind, wann er denn warum eingreifen darf. Das ist das Hauptproblem. Dazu kommt die fehlende Transparenz. In der Form, in der er eingesetzt wird, würde ich ihn wieder abschaffen. Nach Toren ist auch die Emotionalität abgesoffen, weil sich keiner mehr traut zu jubeln. Die ideale Geschichte wäre, Abseits über den VAR zu klären und die Torlinientechnik beizubehalten und für die Trainer pro Halbzeit eine Challenge einzuführen.
Ist bei der Einführung des VAR einfach übersehen worden, dass immer noch Menschen entscheiden, wenn auch ein paar mehr als zuvor?
Tatsächlich haben es sich die Befürworter wohl einfacher vorgestellt. Ich bin ja froh, dass da noch Menschen sitzen. Lieber hätte ich die eine oder andere Fehlentscheidung, wenn wir uns wieder mehr auf den verlassen, der als Spielleiter fungiert, auf den Schiedsrichter.
Würden Sie, im vom DFB ausgerufenen Jahr des Schiedsrichters, selbst mal unterklassig zur Pfeife greifen, wenn Sie gefragt würden?
No Way. Ich weiß, wie schwierig das ist. Und ich gehöre nicht zu den Reportern, die Schiedsrichter ins Achtung stellen und ins Nirwana knattern. Ich habe totales Verständnis dafür, dass der Schiedsrichter mal was übersieht oder falsch einordnet. Wir wissen, dass es der undankbarste und schwierigste Job im Fußball ist. Ich würde ihn nicht machen wollen. Deshalb müssen wir uns immer überlegen, wie wir mit den Schiedsrichtern umgehen. Wenn wir immer nur alle draufhauen, dann macht es bald gar keiner mehr. Dann müssen wir das alles von einer Maschine regeln lassen. Das will ich nicht mehr mitkriegen.
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