Der Profi-Fußball entfernt sich immer weiter von der Basis. Dass aber auch im Jahre 2018 noch moderne Märchen wie das um Hendrik Weydandt von Hannover 96 möglich sind, fasziniert momentan nicht nur Fans der Niedersachsen, sondern ganz Fußball-Deutschland.
So schnell war auch in Hannover noch niemand Kult. Zwei Profi-Pflichtspiele genügten dem früheren Kreisklasse-Kicker
"Es kamen auch schon Mütter mit ihrem Kind und baten um ein Bild", sagte der 23 Jahre alte Stürmer am Dienstag halb amüsiert, halb stolz über die ein oder andere kuriose Begegnung beim Einkaufen.
Nebenbei studiert Hendrik Weydandt BWL
Weydandt ist erst seit Montag Profi und muss sich an vieles noch gewöhnen, was selbst für einige Jugendspieler heute schon normal ist.
Ein Nachwuchsleistungszentrum eines Profiklubs hat der BWL-Student noch nie von innen gesehen. Auch in einer Jugend-Auswahl spielte er nie. Bis vor vier Jahre kickte "Henne" noch beim TSV Groß Munzel aus dem niedersächsischen Barsinghausen in der Kreisliga und fieberte mit seinem Herzensklub 96 auf dem Sofa oder im Stadion mit.
Das erste Spiel als kleiner Junge sah er noch im alten Niedersachsenstadion. Seit dieser Saison spielt er dort selbst, an selber Stelle, in der HDI-Arena. "Es ist schwierig zu greifen", sagte Weydandt dazu selbst.
Inmitten der Diskussion über eine immer größere Entfremdung des Profi-Fußballs von der Basis scheinen die Fans nach Geschichten wie der von "Henne" zu lechzen.
In vier Jahren aus der Kreisliga zum Bundesliga-Stürmer - die Geschichte wurde deutschlandweit bewundert und kommentiert. "Es war wie ein Rausch", bekannte Weydandt.
Als
Auf den Spuren von Miroslav Klose
Der Vergleich mit Klose liegt nahe - wie der einstige Weltstar wurde auch Weydandt nie im Jugendbereich eines Profi-Klubs ausgebildet. Wie Klose gelang aber auch ihm der Sprung aus den unteren Amateurligen in den Profibereich.
Und wie Klose wirkt auch Weydandt ganz bescheiden. "Miro Klose ist ein wahnsinnig netter Vergleich, der aber viel zu hoch gegriffen ist", sagte Weydandt. "Ich sehe schon die Parallelen. Aber Miro hat alles erreicht, was er erreichen konnte. Das wäre vermessen, sich damit vergleichen zu lassen."
Klose wurde vom Amateurspieler der SG Blaubach-Diedelkopf zum erfolgreichsten Stürmer Deutschlands. "Ich will erstmal meine Situation stabilisieren", sagte Weydandt.
96 wurde auf ihn aufmerksam, weil Weydandt auch in der vierten Liga unter anderem gegen Hannovers zweite Mannschaft einfach weiter traf.
In die Regionalliga hatte er Germania 2016 geschossen. Zwei Jahre und 27 Tore später klopfte Weydandts Lieblingsklub an und verpflichtete ihn für das Viertliga-Team von 96. Weil der letztjährige Transfer-Flop Jonathas nach Brasilien wechselte, durfte Weydandt auch bei den Profis mittrainieren und hinterließ Eindruck.
Heldt: "Wunderschön, das begleiten zu dürfen"
Im Test gegen Udinese gelangen ihm allein zwei von acht Treffern. Dies verschaffte ihm einen Platz im Kader für das Pokalspiel in Karlsruhe - Weydandt traf doppelt.
Als der Student und WG-Bewohner eine Woche später nur 81 Sekunden nach seiner Einwechslung auch auf Anhieb sein erstes Bundesliga-Tor beim 1:1 bei Werder Bremen schoss, verdiente er sich endgültig seine Beförderung zum Profi. "Das sind die schönen Geschichten, die der Fußball schreibt", sagte Coach André Breitenreiter über das vielzitierte "Märchen von Hannover".
Dass ein Talent jahrelang unentdeckt in den unteren Amateurklassen kickt und doch noch den Sprung nach oben schafft, faszinierte auch 96-Sportchef Horst Heldt: "Es gibt diese Märchen sehr selten. Trotz allem fallen Spieler durch alle Raster und bleiben unbemerkt. Dann passiert so was. Es ist einfach wunderschön, das alles begleiten zu dürfen."
Weydandt belohnte er mit einem Kontrakt bis 2020 für laut Medienberichten 14.000 Euro im Monat. Dessen Leben soll sich nicht ändern: "Ich wohne immer noch in der gleichen Wohnung, ich studiere immer noch dasselbe und habe noch dieselben Freunde."
Noch in diesem Monat will er seine Bachelor-Arbeit abgeben. Möglicherweise soll der Master noch folgen. "Es ist natürlich alles zeitintensiver jetzt." (dpa/fte)
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