Die Kritik an Mats Hummels häuft sich. Und sie ruft seine Vorgesetzten beim BVB auf den Plan. Die wollen von einem Leistungsloch nichts wissen. Vielleicht ist das Problem aber ohnehin von grundsätzlicher Natur. Das wäre bedenklich für Hummels - und gefährlich für seine Rolle in der Nationalmannschaft.

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Als Mats Hummels mal nicht geredet hat, also in den paar Tagen nach dem 1:3 beim Hamburger SV, da haben seine Vorgesetzten Partei für ihn ergriffen wie schon lange nicht mehr.

"Ich weiß, dass er nicht immer ganz pflegeleicht ist. Das muss aber auch nicht immer ein Qualitätsnachteil sein. Dass es im Verhältnis zwischen mir und Mats Probleme gibt, ist definitiv nicht der Fall. Er ist ein ganz anständiger Junge und hatte alle Unterstützung von uns", ließ Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke mit Nachdruck noch einmal wissen.

Das war unmittelbar vor dem Abflug zum Europa-League-Spiel nach Krasnodar, wo der BVB mit einem Sieg Platz eins in der Gruppe C hätte sichern können. Dann hat die Borussia aber erneut verloren, das 0:1 gegen die Russen war das erste von 24 Pflichtspielen in dieser Saison ohne eigenen Treffer.

Thomas Tuchel steht hinter Mats Hummels

Es war aber nicht das erste Mal, dass der BVB blindlings in einen Konter gelaufen ist. Und es war nicht das erste Mal, dass Hummels beim Gegentor eine ganz entscheidende Rolle eingenommen hat. Nach 28 Sekunden brachte er seinen Gegenspieler nach einem langen Ball über die Abwehr zu Fall, den daraus resultierenden Elfmeter verwandelte Krasnodar zum einzigen Tor des Abends.

Das ist Wasser auf die Mühlen derer, die ihm seit längerer Zeit kritisch gegenüberstehen. Sein Trainer stand ihm nach dem Spiel in Krasnodar sofort zur Seite.

"Wenn es ein Leistungstief bei ihm gab, dann hat das heute 35 Sekunden gedauert. Ansonsten habe ich ihn nämlich sehr gut gesehen", sagte Thomas Tuchel und führte seine Plädoyer fort. "Seine Leistung war die perfekte Antwort auf diese ganze Geschichte in den vergangenen Tagen, die meiner Meinung nach ohnehin nicht sehr inhaltlich gestrickt war."

Das ist die eine Seite, und aus Dortmunder Sicht ist es selbstverständlich, den Kapitän und wichtigsten Abwehrspieler in einer etwas unruhigeren Zeit zu stützen und zu schützen. Die andere Seite ist aber, dass Hummels in sein solides Spiel und neben seine Weltklasseaktionen auch immer wieder grobe Fehler einstreut, vor allen Dingen individual- und gruppentaktischer Natur.

Zu viel Risiko in seinem Spiel

Sein Herausrücken aus der Abwehrkette, das Spekulieren auf ein Zuspiel in den Raum vor ihm, das Wagnis, im Zweikampf schnell auch mal zum Tackling anzusetzen - das alles sieht blendend aus, wenn es denn gut geht und er den Ball erobert. Dann sind Hummels und der BVB bärenstark. Wenn aber diese eine Aktion nicht sitzt, brennt es immer häufiger gleich lichterloh.

Dann öffnen sich Räume im Rücken der Abwehrkette oder in den viel besungenen Schnittstellen. Dann spielt die Abwehrreihe oft de facto in Unterzahl und ohne ihren eigentlichen Organisator und Kommandogeber. Dann fehlt der Abwehrspieler Hummels, weil er gerade den Mittelfeldspieler Hummels geben wollte - als einer Dreierkette vorstehender Sechser. Gegentore dieser Couleur gab es für den BVB schon massig in dieser Saison, in der Bundesliga hat nur der VfB Stuttgart mehr Kontergegentreffer (zehn) zugelassen als die Borussia (vier).

Die Frage, die sich derzeit stellt, ist nicht die, ob Hummels womöglich in einem Leistungsloch steckt. Sondern, ob er seine riskante Spielweise ändern muss, um wieder jenes Level zu erreichen, das er eigentlich hat. "Ich habe eine grundoffensive Spielart. Ich bin generell der Meinung, dass dieses Risiko etwas bringt und effektiv ist", sagte er vor gut einem Jahr in einem Interview mit "spielverlagerung.de". Da gab er aber auch zu, "manchmal vielleicht zu sehr auf den schnellen, spektakulären Ballgewinn" aus zu sein.

Hummels war noch nie einer der wendigsten und schnellsten Innenverteidiger. In dieser Saison definiert sich das Dortmunder Spiel mehr als in den Klopp-Jahren davor über Ballbesitzfußball und Positionsspiel, die wilden Gegenpressingmomente haben deutlich abgenommen. Im Prinzip nähert sich die Borussia damit auch dem Spiel der deutschen Nationalmannschaft an.

Druck für Mats Hummels wächst

Beim Weltmeister füllt Hummels eine eher abwartende Rolle aus. Dort spielt er nicht so oft auf eigene Faust, er verlässt seltener die Ordnung. Diese Balance zwischen Vereins- und Nationalmannschaftsfußball wäre im Moment wohl das Richtige. Das DFB-Team hat nun Pause bis Ende März, dann steht je ein Test gegen England und Italien an.

Bundestrainer Joachim Löw plant fest mit dem Innenverteidigerpärchen Hummels/Boateng - so richtig verlassen kann er sich derzeit aber wohl nur auf Jerome Boateng, der bei den Bayern die nächsten Schritte in seiner Entwicklung hin zur Weltklasse gemacht hat. Hummels dagegen wird sich der neu entfachten Konkurrenz erwehren müssen.

Benedikt Höwedes drängt auf Sicht von der Außenbahn wieder zurück ins Abwehrzentrum. Die Idee, mit dem Schalker eine der beiden Außendienststellen zu bekleiden, dürfte im Hinblick auf die Europameisterschaft im kommenden Sommer keine Rolle mehr spielen. Dazu findet Holger Badstuber bei den Bayern nach schier endloser Verletzungsmisere so langsam wieder den Anschluss.

Badstuber ist wie Höwedes auch eher ein konservativer Verteidiger, er spielt mit den Bayern sowohl inhaltlich als auch in der Champions League auf einem anderen Niveau als der BVB und gilt - seine Unversehrtheit vorausgesetzt - als echter Herausforderer für den Posten des linken Innenverteidigers im DFB-Dress.

Hummels dürfte die Gemengelage längst erkannt haben, jetzt muss er seinen selbstbewussten Worten auch die entsprechenden Taten folgen lassen. In der Nationalmannschaft war er zuletzt stets neben Boateng gesetzt. Die neue Konkurrenz beschert ihm nun eine andere Drucksituation.

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