Berlin - Für den Hertha-Fan führte der Faustschlag zum Tod: Zehn Monate nach dem verhängnisvollen Zusammentreffen am Berliner Olympiastadion ist ein 25-Jähriger aus Rostock zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
Das Berliner Landgericht sprach den Mann am Dienstag der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig. Zudem soll er 10.000 Euro an die Hinterbliebenen zahlen.
Zwischen dem Angeklagten und dem 55 Jahre alten Opfer war es nach dem Fußball-Relegationsspiel zwischen Hertha BSC und dem Hamburger SV im Berliner Olympiastadion im Gedränge zu einem Streit gekommen. "Der Angreifer war der Angeklagte", sagte der Vorsitzende Richter Mark Sautter. Eine Notwehr habe nicht vorgelegen.
Das Gericht ging von einem gezielten Schlag in das Gesicht aus. "Dieser führte zur sofortigen Bewusstlosigkeit", so der Richter. Ohne jeden Schutzreflex sei der 55-Jährige zu Boden gestürzt und mit dem Hinterkopf auf dem Asphalt aufgeschlagen - "wie ein gefällter Baum", hatten Zeugen geschildert. Der Familienvater erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und starb etwa einen Monat später in einem Krankenhaus.
Der gelernte Hafenlogistiker, der am Tattag eine Jacke mit dem Logo des Fußballclubs Hansa Rostock trug, und der Berliner Familienvater waren sich am 19. Mai vergangenen Jahres gegen 23 Uhr vor dem Stadion zufällig begegnet. Der Rostocker saß zunächst als Beifahrer in einem Auto, der Berliner war zu Fuß unterwegs.
Nach einem abrupten Bremsmanöver habe der 55-Jährige auf die Motorhaube geschlagen und den Mittelfinger gezeigt, hieß es im Urteil. "Der Angeklagte geriet derart in Wut, dass er ausstieg und sich mit ihm anlegen wollte."
In aggressivem Ton habe der Rostocker den Hertha-Fan angesprochen. Ein kurzer verbaler Streit, dann sei der 25-Jährige dem 55-Jährigen ganz nah gekommen, so der Richter. Zeugen hätten geschildert: "Sie standen Nase an Nase."
Der Berliner habe sich durch einen Griff an die Ohren des Rostockers etwas Luft verschaffen wollen. Dann sei der Schlag erfolgt. Der Angeklagte habe sich nicht verteidigen, sondern angreifen wollen. Es sei keine Notwehr gewesen - "Notwehr gegen Notwehr gibt es nicht", sagte Sautter.
Nach einem Gutachten war der 25-Jährige zur Tatzeit vermindert schuldfähig wegen seines Alkohol- und Kokainkonsums. Dem folgte das Gericht. Berücksichtigt wurde zudem ein weitgehendes Geständnis des zur Tatzeit nicht vorbestraften Angeklagten. Durch den Schlag auf die Motorhaube und seine Gesten habe sich auch der Geschädigte fehlverhalten - "den Hauptanteil aber trägt der Angeklagte".
Der Deutsche war zunächst unerkannt entkommen. Die Polizei hatte seinerzeit mit einem Phantombild nach einem Verdächtigen gesucht. Am 3. August 2022 war der Rostocker schließlich festgenommen worden. Ende September wurde er von weiterer Untersuchungshaft verschont und ist seitdem frei.
Der Staatsanwalt hatte eine Strafe von vier Jahren Haft gefordert. Der Angeklagte habe dem 55-Jährigen nach einem kurzen verbalen Streit eine Lektion erteilen wollen, sagte er in seinem Plädoyer. Er habe "ständig nachgesetzt", als die Sache schon geklärt schien.
Der Angeklagte hatte vor Gericht den Schlag zugegeben. Allerdings sei er zuvor provoziert und attackiert worden, erklärte der 25-Jährige. Sein Verteidiger hatte auf Freispruch plädiert. Es sei ein "klassischer Fall von Notwehr". Der Anwalt kündigte bereits Rechtsmittel gegen das Urteil an.
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