Sein Transfer von Schwesterklub Red Bull Salzburg zu RB Leipzig polarisierte vor der Saison. Fußballerisch hat sich Bernardo in der Bundesliga längst behauptet. Unsere Redaktion sprach mit dem Brasilianer über den FC Bayern und Vaterfigur Ralf Rangnick.
An die Dimensionen in Deutschland musste sich Bernardo erst gewöhnen.
Der Fußball-Profi von RB Leipzig ist in Sao Paulo groß geworden, Brasiliens größter Stadt mit mehr als elf Millionen Einwohnern.
Mit seinem Arbeitgeber ist der 21-Jährige nun auch fußballerisch in neue Dimensionen vorgestoßen: die Champions League.
Vor dem Topspiel der Bundesliga gegen den FC Bayern sprach der RB-Außenverteidiger mit unserer Redaktion über ein Kompliment von
Herr Bernardo, Ihr Vater spielte einst in München. Was hat er Ihnen von der Mentalität des FC Bayern erzählt?
Bernardo: Ja, mein Vater hat einst für die Bayern gespielt. Das ist aber 20 Jahre her.
Der deutsche Fußball hat heute eine andere Qualität. Er hat zu mir gesagt, dass der FC Bayern ein großer Klub ist und du immer den Druck und eine gewisse Erwartungshaltung aus dem Umfeld und von den Fans hast, wenn Du gegen Bayern spielst. Aber das gehört einfach dazu.
Den Bayern wird eine sehr selbstbewusste Mentalität nachgesagt. Wie wollen Sie dem Meister begegnen?
Klar haben sie ein großes Selbstbewusstsein. Aber wir streben in jedem Spiel einen Sieg an, ob es nun gegen München oder gegen einen anderen Gegner geht. Wir werden alles geben.
Und die Ehrfurcht lässt sich auf dem Platz einfach ablegen? Das Hinspiel haben Sie deutlich verloren.
Es war damals eine neue Situation. Wir sind eine junge Mannschaft, plötzlich war die Atmosphäre um uns herum noch imposanter.
Vielleicht hatten wir auch zu viel Respekt. Heute sind wir mental stärker, haben uns als Mannschaft in den letzten Monaten weiterentwickelt. Wir werden besser mit dem Druck umgehen.
Nach dem Hinspiel hieß es, die Münchner hätten RB-Fußball gespielt: hohes Pressing- und Gegenpressing, überfallartiges Umschaltspiel. Welche Fehler müssen Sie vermeiden?
Wir haben eine klare Mentalität und Philosophie. Uns geht es immer darum, unseren Fußball durchzubringen, wir wollen auf unser Spiel schauen.
Wir werden es auch gegen die Bayern auf unsere Weise versuchen zu lösen.
Dann müssen wir uns hinterher nicht vorwerfen, was wäre, wenn wir nur unseren Fußball gespielt hätten.
Wir können dann sagen: Ja, wir haben es auf unsere Art versucht. Auch, falls es am Ende nicht reichen sollte.
Das heißt konkret?
Wir haben eine sehr variable Taktik, auch in diesem Punkt haben wir uns als Team weiterentwickelt.
Wir sind aggressiv ohne Ball, mit dem Ball bringen wir unsere Qualität ein. Unser Kader bietet uns verschiedene Spielertypen und Optionen für unsere taktische Ausrichtung, das macht uns schwer ausrechenbar.
Wir spielen eben nicht nur gegen den Ball oder nur auf Konter.
Weltmeister Thomas Müller sprach davon, dass die Bayern Leipzig zeigen müssten, wer die Nummer eins in Deutschland sei.
Das sehe ich als Kompliment, schließlich spielen wir unsere erste Saison in der Bundesliga.
Sie haben noch ein ganz anderes Niveau als wir, sind eine eigene Liga. Sie gehören zu den Top-3 in der Welt.
In der kommenden Saison heißen die Gegner, mit Verlaub, nicht mehr nur FC Ingolstadt oder SC Freiburg. Sie haben sich für die Champions League qualifiziert, könnten auf Real Madrid, den FC Chelsea oder PSG treffen. Wie fühlt sich das an?
Für mich ist es wie im Traum. Als Kind habe ich in Brasilien immer Champions League geschaut.
Als ich im September nach Leipzig kam, hätte ich nicht gedacht, dass ich in der Saison darauf schon Champions League spielen würde.
An diesen Gedanken muss ich mich erst gewöhnen. Jetzt ist es aber noch zu früh, mir das vorzustellen. Es sind ja auch noch zwei Partien in der Bundesliga zu spielen.
Nach der Saison werde ich nach Hause nach Brasilien fliegen, um mit der Familie und meinen Freunden zu besprechen, was auf mich zukommt.
Hatten Sie dieses Ziel vor Augen, als Sie einst zu Red Bull Brasil Campinas gegangen sind, dem Standort des Konzerns in Ihrer Heimat?
Es war jeden Tag eine große Motivation. Bevor ich zu Red Bull und RB kam, habe ich in Brasilien in der vierten Liga gespielt.
Jetzt spiele ich Bundesliga und Champions League. In wenigen Jahren hat sich alles verändert, das betrifft mein komplettes Leben.
Die ganzen Anstrengungen, die ich in meine Karriere gesteckt habe, werden belohnt. Das ist ein persönlicher Sieg und eine schöne Bestätigung.
Als ich zu Red Bull Brasil kam, war ich mir bewusst: Ich wollte das Top-Level erreichen und nach Europa wechseln, das war eine einzigartige Möglichkeit.
Gibt es ein vergleichbares Projekt in Brasilien oder streben viele junge Fußballer zu Red Bull, weil sie womöglich nirgends besser ausgebildet werden?
Es gibt mittlerweile viele junge Brasilianer, die diesen Weg gehen. Zum Beispiel Ramalho.
Er ist heute Profi beim FC Augsburg, war zwischenzeitlich bei Bayer Leverkusen. Wenn wir Champions League spielen, erhöht das den Stellenwert von Red Bull Brasil.
Das macht diesen Standort noch einmal attraktiver als vielleicht zu Corinthians Sao Paulo oder irgendeinem anderen großen Verein zu wechseln.
Er ist für mich wie ein Vater. Und er ist zu hundert Prozent professionell.
Bei uns steht ein gewisses Investment dahinter. Aber: Bei uns wird kein Geld sinnlos ausgegeben.
Hier wird in junge Spieler investiert, um diese weiterzuentwickeln. Das ist eine ganz klare Philosophie.
Aus einer anderen Perspektive betrachtet, leistet Red Bull einen großen Dienst für den deutschen Fußball.
Die Fußballer mit Potenzial haben die Möglichkeit, hier zu reifen und zu richtig guten Spielern zu werden.
Rangnick ist sehr erfahren, sehr respektiert und sehr kreativ in seiner Arbeit. Er gibt Ratschläge, wenn einer ein Problem hat, kann er immer zu ihm gehen.
Er gibt Ihnen das Gefühl, aufgehoben zu sein?
Rangnick war ausschlaggebend dafür, dass ich mich für den Schritt nach Europa entschieden habe.
Er kam damals extra nach Brasilien, lud mich eine Woche nach Salzburg ein, damit ich mir alles anschauen konnte.
Ich bin für Red Bull einer der Beweise, dass sich ein Klub in Brasilien lohnt.
Abschließend: Meinen Sie, dass es möglich ist, dauerhaft zu einem ernsten Konkurrenten für die Bayern um die Meisterschaft zu werden?
Was Bayern erreicht hat, haben sie sich über lange Zeit erarbeitet.
Wir kommen nicht an und stellen den deutschen Fußball in ein, zwei, drei Jahren auf den Kopf.
Aber: Natürlich ist die Meisterschaft irgendwann mal das Ziel. Wir sind hier, um zu gewinnen und um zu wachsen.
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