RasenBallsport Leipzig hat nach nur sieben Jahren Vereinsgeschichte den Sprung nach ganz oben geschafft. Red-Bull-Geld macht es möglich. Für viele Fans ist der Klub deshalb Sinnbild für die Kommerzialisierung des Fußballs. Aber die Bundesliga kann neue Impulse gut gebrauchen.
Es ist schon beachtlich. Der Profifußball ist während der vergangenen Jahrzehnte ganz und gar zu einem Milliarden-Business mutiert. Trotzdem schafft es in Deutschland ein einziger Klub, seit seiner Gründung im Jahr 2009 den Hass der Fanszenen auf sich zu vereinen. Vor allem Ultras und ultranahe Gruppen wittern hinter dem Projekt RB Leipzig den entfesselten Kapitalismus – und der gehört nun mal zu ihren erklärten Feindbildern.
Die "Roten Bullen", wie die Leipziger sich selbst gern nennen, haben in ihrer erst sieben Jahre langen Vereinsgeschichte vor allem selbst dazu beigetragen, von der Fußball-Öffentlichkeit nicht gerade als liebenswerter Neuling betrachtet zu werden.
Wenn Fußball ein Marketinginstrument ist ...
Als Marketingprojekt des Brause-Imperiums Red Bull ins Leben gerufen, übernahm RasenBallsport Leipzig – der Name wurde wegen der Konzern-Initialen "RB" bewusst so gewählt – zur Saison 2009/2010 das Startrecht für die fünftklassige Oberliga Nordost vom SSV Markranstädt.
In der Folge pumpte Red Bull den Verein finanziell derart auf, dass innerhalb von nur sieben Jahren der Aufstieg bis in die Bundesliga gelang. Diese Presslufthammer-Methode weckte bei vielen Fans den Eindruck, dass Leistung im Fußball nichts wert ist, sobald ein Wettbewerber dazu in der Lage ist, scheinbar beliebige Summen Geld auszugeben. Zur Veranschaulichung: Vor der Zweitliga-Saison 2015/16, an deren Ende Leipzig aufstieg, gab RB allein mehr Geld für neue Spieler aus als die restlichen 17 Vereine im Unterhaus zusammen.
"50+1"-Regel plump umschifft
Hinzu kommt, dass RB die Statuten der DFL für die eigenen Zwecke aushöhlt. Da wäre zum Beispiel die Geschichte mit dem Vereinswappen. Im deutschen Fußball ist es nicht gestattet, ein Firmenlogo als Wappen zu übernehmen oder es werblich zu gestalten. So kam es, dass RB in seiner ersten Saison ohne Wappen auf der Brust spielte. Der Verein musste dem Landesverband einen neuen Entwurf vorlegen, der schließlich trotz mühelos erkennbarer Ähnlichkeit mit dem Red-Bull-Logo durchgewunken wurde.
Zudem haben die Anhänger des Vereins nicht die Möglichkeit, stimmberechtigte Mitglieder zu werden, wie es bei allen anderen Profivereinen in Deutschland der Fall ist. Eine solche Struktur ist von Red Bull explizit nicht gewünscht; der Namenszusatz "e.V." hat in Leipzig nur auf dem Papier eine Bedeutung. Es gibt nur eine Handvoll "Mitglieder", die fast ausnahmslos direkt mit dem Konzern in Verbindung stehen. So wurde die "50+1"-Regel der DFL eher plump als elegant umschifft. Diese Klausel verhindert die Übernahme von Fußballvereinen durch Investoren, wie es etwa in England heute üblich ist. Sie schreibt vor, dass Kapitalanleger zwar Anteile erwerben können, aber nur unter der Bedingung, dass die jeweiligen Vereine die Mehrheit an den Kapitalgesellschaften behalten, also 50 Prozent der Stimmrechte zuzüglich einer Stimme.
Beliebtheit steigt – zumindest im Osten
Der Ablehnung gegenüber RB Leipzig äußert sich meist durch feindselige Gesänge und Transparente gegnerischer Fans. Sie treibt bisweilen aber auch kriminelle Blüten. So geschehen zuletzt vor ein paar Tagen beim Testspiel gegen den Oberligisten FC Frankfurt (Oder): In der Nacht vor dem Spiel hatten bislang unbekannte Täter Schrauben, Nägel und andere Metallgegenstände in dem Strafraum deponiert, in dessen Nähe sich die Spieler von RB Leipzig später aufwärmten. Glücklicherweise wurde niemand verletzt
Der Vorfall fällt in eine Zeit, in der RB eigentlich auf mehr Akzeptanz bei den Fußballfans hoffte. Oliver Mintzlaff, Vorstandsvorsitzender des Klubs, sagte in einem Interview mit der "Welt": "Umfragen zeigen, dass wir in Mitteldeutschland der drittbeliebteste Klub hinter Bayern und Dortmund sind. Das unterstreicht unsere positive Entwicklung und freut uns." Mintzlaff bezieht sich damit auf eine Umfrage der Marktforschungsagentur "Iris". Demnach gaben 17 Prozent der Befragten aus Sachsen, Thüringen und Umgebung an, dass RB Leipzig ihr Lieblingsklub sei. In der vergangenen Saison hatte Leipzig zusammen mit dem 1. FC Nürnberg und dem FC St. Pauli außerdem den höchsten Zuschauerschnitt der 2. Liga – zu den RB-Heimspielen kamen im Schnitt rund 29.000 Zuschauer.
Mittelfristiges Ziel: Europa
Nun also Bundesliga. Und damit ist das Ziel der Macher hinter dem "Dosenklub" noch längst nicht erreicht. Mittelfristig – laut Mintzlaff also in drei bis fünf Jahren – will RB den Platzhirschen der Liga Konkurrenz machen und den Sprung ins internationale Geschäft schaffen. Und langfristig ist es die Absicht von Milliardär und Red-Bull-Geschäftsführer Dietrich Mateschitz, die Deutsche Meisterschaft zu gewinnen – "irgendwann wird es so weit sein", gab er sich schon zu Zweitligazeiten optimistisch. Mit Blick auf das schon Erreichte hat er dazu auch jeden Grund.
Die finanzielle Sorglosigkeit des Vereins sowie die rasch aus dem Boden gestampfte Infrastruktur samt Nachwuchsarbeit lassen die Vermutung zu, dass RasenBallsport Leipzig in der Bundesliga keine Eintagsfliege sein wird. RB wird bleiben, wachsen, Erfolge feiern – daran sollten sich die Kritiker besser schnell gewöhnen. Denn RB hat nicht nur das nötige Geld, sondern auch einen Plan, wie man damit umgeht.
Gehaltsgefüge im Liga-Mittelfeld
RB hat es sich zur Philosophie gemacht, vorwiegend Spieler zu verpflichten, die jung, talentiert und formbar sind. Aktuelle Neuzugänge wie Timo Werner (20) und Naby Keita (21) sind Beispiele dafür. Dazu passt auch die klubinterne Vorschrift, dass angeblich kein Spieler mehr als drei Millionen Euro im Jahr verdienen darf. "Die Welt" zitiert dazu Mintzlaff: "Der Klub ist 2009 gegründet worden, wir sind also erst sieben Jahre alt. Da können wir nicht von heute auf morgen ein Gehaltsgefüge haben wie Leverkusen, Wolfsburg oder Schalke – von Bayern und Dortmund ganz zu schweigen." Mit der Gehaltsstruktur stehe man in der Bundesliga auf einem zweistelligen Tabellenplatz.
Klar ist aber auch, dass die eigenen Maßstäbe von Jahr zu Jahr nach oben hin angepasst werden dürften – und damit auch die ohnehin schon hohen Ausgaben. In verschiedenen Medien war zu lesen, dass der Lizenzspieler-Etat, der Sportdirektor Ralf Rangnick zur Verfügung steht, dieses Jahr bereits bei 40 Millionen Euro liegen soll. Auch das ist zwar Liga-Mittelfeld, für einen gerade erst in die Bundesliga aufgestiegenen Verein aber mehr als üppig.
Die Bundesliga kann von RB Leipzig profitieren
Der Bundesliga tut ein neuer Verein mit großen Ambitionen in sportlicher Hinsicht vermutlich sogar gut. Mit einer Wette auf Bayern München als Deutscher Meister ist bei den Buchmachern längst kein Geld mehr zu gewinnen. Und auch die Tabellenplätze hinter den Bayern gehen meist an einen festen Kandidatenkreis. Überraschungen sind in der Bundesliga selten, die Spannung deshalb oft schon kurz nach der Winterpause futsch. RB Leipzig will schnellen, attraktiven Fußball spielen – und wird damit vermutlich auch erfolgreich sein.
Man muss diesen Klub nicht mögen, und Verfechter einer lebendigen Fußball- und Fankultur werden das auch niemals tun. Aber er hat das Potenzial, die bestehende Hackordnung der Bundesliga aufzuwirbeln. Wie ein kühler, penetrant nach Brause riechender Wind an einem schwülen Sommertag.
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