Im Berliner Derby blieb Deniz Aytekin auch dann noch gelassen, als Raketen auf den Platz geworfen wurden. Ein aufgeheiztes Spiel brachte der Schiedsrichter souverän zu Ende. Auch beim spielentscheidenden Strafstoß lag er goldrichtig.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Alex Feuerherdt dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die ersten Aufräumarbeiten im Berliner Lokalduell zwischen dem FC Union und Hertha BSC (1:0) mussten schon vor dem Anpfiff geleistet werden: Zahlreiche große Papierkugeln flogen auf das Spielfeld und hätten das Spiel behindert. Deshalb verzögerte sich der Spielbeginn.

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Neben den Ordnern beteiligte sich auch Schiedsrichter Deniz Aytekin an der Beseitigung der Wurfgegenstände, und er tat es mit einem Lächeln. Ein routinierter und entspannter, mit fast zwei Metern Körpergröße ausgestatteter FIFA-Referee, der auch schwierige Situationen gelassen entkrampfen kann, war genau das, was diese Partie benötigte.

Der 41-jährige Unternehmer lächelte auch dann noch, als er nach zwei insgesamt sechsminütigen Spielunterbrechungen zu Beginn der zweiten Hälfte mit den Mannschaften auf das Feld zurückkehrte und noch einmal kurz mit beiden Trainern sprach, bevor es weiterging.

Zuvor waren wiederum Gegenstände auf den Platz geflogen, aber nicht mehr harmlose Papierbällchen, sondern brennende Pyrotechnik. Eine Rakete landete sogar in der Nähe der Trainerbank von Union Berlin.

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Selbst in größter Hektik bewahrt Deniz Aytekin einen kühlen Kopf

Aytekin ging mit dieser heiklen Situation jedoch so umsichtig und souverän um wie davor und danach mit den Herausforderungen auf dem Rasen. Er strahlte Ruhe und Sicherheit aus, bewahrte kühlen Kopf – und wollte genau das auf die Spieler und Bänke und damit auch auf die Tribünen übertragen.

Nach dem Schlusspfiff sagte er dem Bezahlsender "Sky" im Interview: "Das Wichtigste ist, dass hier keiner verletzt wird. Das hat mit Fußball nichts zu tun. Es ist einfach traurig, wenn so etwas passiert." Am wichtigsten sei es gewesen, "das Spiel nach Hause zu bringen". Dazu habe er sich auch mit der Polizei abgestimmt.

Deniz Aytekin leitete die zwar intensive, aber insgesamt sportlich anständige Begegnung angenehm großzügig und mit all seiner Persönlichkeit. Diese Linie wurde von den Spielern beider Teams angenommen, das heißt: Sie nutzten die "lange Leine" nicht unsportlich aus. Jedem war klar: Da ist ein Schiedsrichter am Werk, der in jedem Moment genau weiß, was er tut.

In der spielentscheidenden Situation liegt der Schiedsrichter richtig

Auch in der spielentscheidenden Situation lag Aytekin richtig, nämlich mit dem Elfmeter für die Hausherren kurz vor Schluss. Denn Dedryk Boyata war bei seinem Tackling gegen Christian Gentner einen Moment zu spät gekommen und hatte den Unioner mit dem Oberkörper und dem Oberschenkel zu Fall gebracht.

Dass die Herthaner so heftig protestierten, obwohl das Foul deutlich war, dürfte daran gelegen haben, dass Gentner erst nach seinem Torabschluss getroffen wurde und der Ball schließlich über das Gehäuse der Gäste flog. In solchen Situationen verzichten die Unparteiischen häufig auf den Strafstoßpfiff.

Der Gedanke dahinter ist: Wenn der Abschluss erfolgt ist und der Ball am Tor vorbeigeht, entsteht dem angreifenden Team durch das Foul kein Nachteil. Es ist eine Praxis, die es seit Jahren gibt, die allgemein akzeptiert ist und nur selten für Proteste sorgt, obwohl sie dem Regelwerk eigentlich widerspricht.

Denn laut Regel 12 (Fouls und unsportliches Betragen) liegt nun mal ein Vergehen vor, wenn der Ball sich auf dem Feld befindet und ein Spieler einem Gegner ein Bein stellt, ihn rempelt, stößt, hält oder umgrätscht.

Aytekin bat selbst um das On-Field-Review

Davon, dass das außer Kraft tritt, wenn dieser Gegner kurz zuvor einen erfolglosen Torschuss abgegeben hat, steht in den Fußballregeln nichts. Deshalb lag Deniz Aytekin mit seiner Entscheidung richtig, auch wenn es nachvollziehbar ist, dass die Herthaner gewissermaßen an das Gewohnheitsrecht appellierten.

Warum es nach Rücksprache mit dem Video-Assistenten zu einem On-Field-Review kam, erklärte der Spielleiter gegenüber "Sky" so: "Das war eine sehr wichtige Entscheidung. Ich habe das genauso auf dem Platz wahrgenommen, wie ich es letztlich bestätigt bekommen habe. Allerdings wollte ich es mir noch einmal ansehen."

Boyata sei "einfach in sehr hohem Tempo unkontrolliert in den Zweikampf" gesprungen. Und da der Ball im Spiel war, "ist es eben ein Strafstoß". Er habe sich "noch mal Sicherheit holen" wollen, so Aytekin weiter. "Dafür haben wir die Möglichkeit, es anzugucken, und dann ist es beim Elfmeter geblieben."

Union gegen Hertha: Warum Boyata nicht Gelb-Rot sah

Zum Review kam es also nicht auf Intervention des Video-Assistenten. Vielmehr lag der seltenere, aber genauso in den Regularien verankerte Fall vor, dass der Unparteiische von sich aus um die Bilder bittet. Ein kluger Schritt eingedenk der aufgeheizten Atmosphäre und des spielentscheidenden Charakters des Elfmeterpfiffs.

Vertretbar war es auch, dem bereits mit einer Verwarnung vorbelasteten Boyata nicht die Gelb-Rote Karte zu zeigen. Denn rücksichtslos war dessen Einsatz nicht unbedingt, und die Unterbindung eines aussichtsreichen Angriffs durch ein Foul im Strafraum, bei dem der Ball nur knapp verfehlt wird, ist laut Regeln nicht verwarnungswürdig.

Nach dem Spiel war dann auch niemand Deniz Aytekin wirklich böse. Und wenn das doch der Fall gewesen wäre, dann wäre dieser den Protesten wahrscheinlich wieder mit einem Lächeln begegnet.

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