- Ein Handelfmeter in Sinsheim sorgt für Diskussionen.
- Die ARD-Sportschau glaubt, einen Fehler von Schiedsrichter und VAR aufgedeckt zu haben, doch der Projektleiter des DFB für die Video-Assistenten sieht die Dinge anders. Und liegt damit wohl richtig.
Etwas mehr als eine halbe Stunde war in der Begegnung der TSG 1899 Hoffenheim gegen den SC Freiburg (1:3) gespielt, als es zur vorentscheidenden Szene in diesem Spiel kam.
Die Gäste führten mit 1:0, da verlängerte Nicolas Höfler einen Eckstoß für die Gäste mit dem Kopf. Direkt hinter ihm befand sich der Hoffenheimer Melayro Bogarde, der reflexhaft beide Hände vors Gesicht riss und den Ball ablenkte.
Schiedsrichter Robert Hartmann wartete kurz ab, ob sich ein Vorteil für Freiburg ergibt. Als klar war, dass das nicht der Fall sein wird, entschied er auf Handelfmeter für die Elf von Trainer
Der Protest der Hausherren hielt sich in Grenzen, auch Bogarde selbst beklagte sich kaum. Zu klar mutete das Handspiel an. Video-Assistent Guido Winkmann hatte ebenfalls keine Einwände.
War der VAR zu hastig mit seiner Überprüfung?
Vincenzo Grifo verwandelte den Strafstoß zum 0:2, und beim Bezahlsender Sky, der die Begegnung live übertrug, war die Entstehung des Treffers danach kein Thema mehr. Die Angelegenheit schien geklärt.
In der Zusammenfassung der ARD-Sportschau dagegen hieß es: "Bogarde soll mit dem Arm am Ball gewesen sein. Aber die Sportschau-Lupe zeigt: Es war die Nase! Keine Hand, Fehlentscheidung." Die Videozentrale in Köln habe jedoch nicht eingegriffen.
In der Tat schienen die von der ARD gezeigten, vergrößerten Bilder einen Fehler der Unparteiischen zu belegen. Hatte sich Video-Assistent Winkmann die Szene etwa nicht genau genug angeschaut? War er zu hastig mit seiner Überprüfung?
Weshalb fiel ihm nicht auf, was die Sportschau bemerkt und visuell aufbereitet hatte? Für den VAR hätten das unangenehme Fragen sein können, auch wenn man ihm zugutehalten muss, dass erst einmal nichts für eine Fehlentscheidung sprach.
Liegt die Sportschau mit ihrer Einschätzung richtig?
Denn der Fall schien unzweifelhaft zu sein: Bogardes hochgerissene Arme, das Ablenken des Balles, das Schweigen, wo empörter Protest zu erwarten gewesen wäre, wenn es keinen Kontakt mit dem Arm gegeben hätte – der Strafstoß wirkte unstrittig.
Trotzdem ist ein VAR natürlich der Kritik ausgesetzt, wenn ihm etwas entgangen sein sollte, das ein Fernsehsender bemerkt hat – selbst wenn dieser dafür mehr Zeit hat und eine falsche Wahrnehmung eben vorkommen kann, wo Menschen zu urteilen haben.
Wenn man sich die Szene noch einmal stark verlangsamt anschaut, kommen allerdings eher Zweifel an der Einschätzung der Sportschau auf als an der Bewertung durch Referee und Video-Assistent.
Man sieht zwar, wie Bogarde seinen rechten Arm ein Stück vom Ball wegbewegt hat, aber es ist nicht auszuschließen, dass er die Kugel zuerst mit diesem Arm berührt hat, bevor sie ihm ins Gesicht gesprungen ist.
DFB-Projektleiter Jochen Drees widerspricht
Dennoch sprach auch die Fachzeitschrift Kicker auf ihrer Website von einem Fehler und fragte sich, "warum es die Spezialisten im Video-Assist-Center in Köln um VAR Guido Winkmann nicht schafften, zum richtigen Schluss zu kommen".
Diese Frage stellte der Kicker schließlich Jochen Drees, dem Projektleiter des DFB für die Video-Assistenten. Drees antwortete, nach den Bildern der Sportschau scheine es so, "als berühre der Ball die Hand des Hoffenheimer Spielers nicht".
Doch diese Bilder lieferten "keinen zweifelsfreien Beleg". Und aus Kameraperspektiven, die der VAR ebenfalls überprüft habe, sehe es "so aus, als habe die Hand des Verteidigers den Ball touchiert, bevor es zu dem Kontakt des Balls am Kopf des Spielers kommt".
Diese Perspektiven machten "einen Ball-Hand-Kontakt wahrscheinlich". Für den VAR sei es jedenfalls "nicht möglich gewesen, einen zweifelsfreien, bildlichen Beleg zu finden, dass die Entscheidung des Schiedsrichters falsch war", so Drees.
Keine detektivische Suche nach möglichen Fehlern
Deshalb sei "das Nicht-Eingreifen des Video-Assistenten als korrekt zu bewerten". Schließlich dürfe der Video-Assistent nur eingreifen, "wenn er einen zweifelsfreien und evidenten Beleg für einen Fehleinschätzung des Schiedsrichters gefunden hat".
Bei der Überprüfung von Fouls und Handspielen werde "ganz bewusst auf eine detektivische Suche verzichtet", wie Drees weiter erklärte. Grundlage sollten Kamerabilder sein, "die auch jedem Zuschauer zur Verfügung stehen".
Das heißt: Wenn ein Fehler nur mit großem technischen Aufwand sichtbar gemacht werden kann und das außerdem einige Zeit in Anspruch nimmt, ist er nicht klar und offensichtlich. Und damit auch kein Fall für den Video-Assistenten.
Der erste Eindruck ist oft der beste
Das hört sich einfach und klar an. Und doch ist es hinfällig, wenn ein TV-Sender genau diesen Aufwand betreibt und dadurch einen Fehler nachweisen zu können glaubt. Der Hinweis darauf, dass die VAR keine Detektive sein sollen, wird dann häufig überhört.
Die Szene in Sinsheim hat allerdings auch gezeigt, dass selbst Bilder, die auf den ersten Blick eindeutig zu sein scheinen, trügerisch sein können. Denn eine Einschätzung kann auch vom Blickwinkel und sogar von der Abspielgeschwindigkeit abhängen.
Am Ende hat Guido Winkmann gut daran getan, nicht zu intervenieren und kein Review zu empfehlen. Der erste Eindruck ist eben doch oft der tragfähigste. Zumindest wird man sagen können: Er war nicht eindeutig falsch.
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