Mats Hummels unterläuft ein Handspiel im Strafraum, weil ein Mitspieler ihn überrascht. Den Augsburgern dagegen bleibt ein Handelfmeter erspart, aber sie bekommen auch keinen Strafstoß zugesprochen. Dabei hätte es dafür gute Gründe gegeben.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne

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In der Partie zwischen Fortuna Düsseldorf und dem FC Bayern München (1:4) waren 86 Minuten gespielt, da ereignete sich beim Stand von 3:0 für den Rekordmeister eine kuriose Szene.

Der Düsseldorfer Benito Raman schlug eine Flanke in den Bayern-Strafraum, wo Thiago und Mats Hummels aus verschiedenen Richtungen mit dem langen Bein zum Ball gingen. Gegenspieler waren nicht in der Nähe.

Thiago war einen Wimpernschlag schneller - und überrumpelte damit seinen Mannschaftskollegen, der den plötzlich auf ihn zufliegenden Ball mit dem erhobenen Arm traf statt mit dem Fuß.

Die Fortunen protestierten, doch Schiedsrichter Felix Zwayer winkte zunächst ab. Etwas später, als der Ball im Mittelfeld gespielt wurde, unterbrach er die Partie aber schließlich doch.

Denn sein Video-Assistent hatte ihm ein Review an der Seitenlinie empfohlen. Das kam überraschend, schließlich konnte man aus Zwayers Reaktion schließen, dass er das Handspiel selbst gesehen und bewusst als nicht strafbar beurteilt hatte.

Wesentlich ist, was der Referee dem Video-Assistenten mitteilt

In einem solchen Fall liegt die Eingriffsschwelle für den Video-Assistenten wesentlich höher als in einer Situation, die der Schiedsrichter ganz oder teilweise nicht wahrgenommen hat.

In der Praxis kommt es allerdings vor allem darauf an, welche Wahrnehmung der Unparteiische dem Video-Assistenten mitteilt. Ist sie aus dessen Sicht mit den Videobildern nicht in Übereinstimmung zu bringen, empfiehlt er ein Review.

Das kann auch dann geschehen, wenn die Entscheidung für sich genommen zwar nicht falsch ist, die vom Referee geäußerten Gründe dafür aber so gar nicht dem Bildmaterial entsprechen.

Als Felix Zwayer auf den Platz zurückkehrte, entschied er jedenfalls auf Elfmeter für Fortuna Düsseldorf. Um das zu verstehen, ist ein Blick auf den Kriterienkatalog hilfreich, an dem sich die Schiedsrichter bei der Bewertung von Handspielen orientieren sollen.

Für Zwayer wog Hummels' erhobener Arm am schwersten

Offensichtlich gewichtete der Referee die Tatsache am stärksten, dass Hummels einen Arm weit über den Kopf gehoben und ihn schließlich zum heranfliegenden Ball geführt hatte.

Geringer wog augenscheinlich das Gegenargument, dass der Ball am Ende aus ganz kurzer Distanz und unerwartet auf den Innenverteidiger zukam. Dieser konnte nicht damit rechnen, dass sein eigener Teamkollege die Kugel einen Sekundenbruchteil früher erreichen und in seine Richtung spielen würde.

Ebenso wenig spielte es für Zwayer eine Rolle, dass man dem Ex-Nationalspieler eigentlich nicht ernsthaft unterstellen konnte, ein Handspiel in Kauf genommen zu haben.

Glaubt man Mats Hummels, dann war es dem Unparteiischen bei seiner Entscheidung selbst etwas unbehaglich zumute: "Ich habe mit Herrn Zwayer auf dem Platz geredet, er hat mir relativ klar gemacht, dass er, wenn er die Regeln machen würde, den eher nicht geben würde", sagte der Münchner.

Den Spielraum, keinen Handelfmeter zu geben, sondern bei seiner zunächst getroffenen Entscheidung zu bleiben, hätte der Referee allerdings auch auf der Grundlage des geltenden Regelwerks gehabt.

Augsburg hätte einen Strafstoß bekommen müssen

So wie ihn auch sein Kollege Bastian Dankert hatte und in Anspruch nahm. Im Spiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Augsburg (1:3) ließ der Schiedsrichter nach einer knappen halben Stunde weiterspielen, als Rani Khedira den Ball im Strafraum der Gäste mit dem Arm berührte.

Der Video-Assistent intervenierte, doch Dankert bewog auch das folgende On-Field-Review nicht dazu, das Handspiel als strafbar zu bewerten.

Aus gutem Grund, denn der Augsburger hatte den Ball bei einer Hereingabe der Frankfurter erst mit dem Fuß gespielt und ihn dann hinter seinem Rücken, ohne ihn sehen zu können, versehentlich an den Arm bekommen.

In einer anderen Situation hätte sich der Unparteiische dagegen womöglich korrigiert, wenn ihm denn zu einem Review geraten worden wäre.

Geschehen war dies: Nach 17 Minuten erreichte der Augsburger Marco Richter den Strafraum der Gastgeber und versuchte dort, an Almamy Touré vorbeizuziehen. Der Eintracht-Verteidiger hinderte ihn jedoch daran, indem er ihm auf den Fuß trat.

Viel spricht dafür, dass dieser Tritt, der im Video gut zu erkennen war, den anschließenden Sturz von Richter verursachte. Doch das Spiel lief weiter, und der Video-Assistent hielt sich heraus. Dabei hätte es triftige Gründe für einen Eingriff gegeben.

In Nürnberg waren dem Video-Assistenten die Hände gebunden

Die Hände gebunden waren der Videozentrale dagegen kurz vor der Pause der Begegnung zwischen dem 1. FC Nürnberg und dem FC Schalke 04 (1:1).

Der Nürnberger Hanno Behrens war in eine zu kurz geratene Kopfballrückgabe von Daniel Caligiuri gespritzt, hatte den Ball vor dem Schalker Torhüter Alexander Nübel erreicht und ihn ins Tor geschoben.

Doch Schiedsrichter Robert Kampka wollte ein gefährliches Spiel von Behrens erkannt haben. Er unterbrach das Spiel deshalb sofort per Pfiff, also schon bevor der Ball die Torlinie überquerte. Damit war eine nachträgliche Anerkennung des Treffers nicht mehr möglich.

Wenn der Referee dagegen erst nach der Torerzielung gepfiffen hätte, wäre es dem Video-Assistenten möglich gewesen, ein Review zu empfehlen. Dafür - und für eine anschließende Korrektur - hätte sehr viel gesprochen.

Denn Behrens hatte Nübel keineswegs gefährdet, sondern er war einfach nur schneller als der Schlussmann - auch wenn sich das für Kampka aus seiner Perspektive auf dem Feld anders dargestellt hatte.

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