Ein Mainzer begeht im eigenen Strafraum ein strafbares Handspiel, doch der Unparteiische reagiert nicht und zeigt stattdessen wenige Augenblicke später einem Düsseldorfer die Gelbe Karte für ein Foul. Es gibt zwar dank des Video-Assistenten doch noch einen Elfmeter, aber die Verwarnung bleibt trotzdem bestehen. Zu Recht?
Seit fast zwei Jahren gibt es die Video-Assistenten in der Bundesliga. Doch noch immer tun sich Fragen zu ihren Eingriffen auf, die das Reglement betreffen. Beispielsweise, wann im Falle einer Entscheidungsänderung eine Verwarnung oder ein Feldverweis zurückgenommen wird und wann nicht.
Zwar leuchtet es zum Beispiel ein, dass nicht nur der Strafstoß, sondern auch die Rote Karte annulliert wird, wenn der Video Assistant Referee (VAR) festgestellt hat, dass der Abwehrspieler den Ball auf der eigenen Torlinie nicht mit dem Arm, sondern vielmehr mit der Brust abwehrte.
In anderen Situationen ist die Sache jedoch komplexer und komplizierter, wie ein Fall zeigt, der in der Partie zwischen dem 1. FSV Mainz 05 und Fortuna Düsseldorf (3:1) am Samstagnachmittag geschehen ist.
Hacks Handspiel zunächst ungeahndet
In der 56. Minute kommt der Düsseldorfer Benito Raman nach einer Hereingabe in den Mainzer Strafraum in Ballbesitz, läuft bis zur Grundlinie und versucht die Kugel von dort vor das Tor der Gastgeber zu flanken. Das misslingt jedoch, weil Alexander Hack den Ball aufhält – und zwar mit dem ausgestreckten linken Arm.
Schiedsrichter Markus Schmidt reagiert allerdings nicht und lässt die Begegnung weiterlaufen. Der Mainzer Torhüter Florian Müller schnappt sich den Ball und leitet rasch einen Konter seiner Mannschaft ein.
Diesen beendet Kaan Ayhan schließlich mit einem Foulspiel an Danny Latza. Schmidt zeigt ihm die Gelbe Karte, bevor sich Video-Assistent Frank Willenborg zu Wort meldet. Er rät dem Unparteiischen wegen des Handspiels von Hack zu einem Review.
Als der Referee auf den Platz zurückkehrt, entscheidet er auf Elfmeter für Düsseldorf - eine völlig richtige Entscheidung. Die Frage ist jedoch: Was geschieht nun mit der Verwarnung für Ayhan?
Persönliche Strafe bleibt bestehen
Nimmt der Schiedsrichter sie zurück, weil alles, was zwischen dem Handspiel und der Entscheidungsänderung passiert ist, automatisch für ungültig erklärt wird? Schließlich wäre es zu Ayhans Foulspiel nicht gekommen, wenn Schmidt das Vergehen von Hack sofort geahndet hätte.
Oder bleibt die persönliche Strafe bestehen, weil man nicht einfach einen Gegner foulen darf, selbst wenn dessen Team vorher gegen die Regeln verstoßen hat?
Die Antwort findet man im Handbuch des International Football Association Board (Ifab) für die Video-Assistenten, das in englischer Sprache verfasst ist. Genauer gesagt: Sie findet sich unter Punkt 5.3 ("Direkte Rote Karten und andere Disziplinarmaßnahmen").
Dort heißt es, dass persönliche Strafen prinzipiell auch dann bestehen bleiben sollen, wenn sie in einer Zeitspanne oder Spielsituation ausgesprochen wurden, die aufgrund eines Reviews nachträglich für ungültig erklärt worden ist.
Wann Karten nach einer Entscheidungsänderung annulliert werden
Als Beispiel wird die Situation genannt, dass es zunächst zu Unrecht keinen Strafstoß gibt und ein Spieler vor dem Review etwa eine Tätlichkeit oder ein brutales Foul begeht, seinen Körper rücksichtslos einsetzt, sich unsportlich verhält, übermäßig protestiert oder jemanden beleidigt.
Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel. Diese liegen vor, wenn ein Spieler für die Verhinderung einer offensichtlichen Torchance, also eine "Notbremse", oder für die Unterbindung eines aussichtsreichen Angriffs, also ein taktisches Vergehen, eine Karte gezeigt bekommt, dieser Spielzug nach einem Review jedoch für ungültig erklärt wird.
In solchen Fällen wird die persönliche Strafe zurückgenommen, weil durch die Korrektur ja letztlich keine klare Torchance und kein vielversprechender Angriff gegeben war.
Das heißt: Gelbe oder Rote Karten aufgrund von übertriebener körperlicher Härte oder schlechtem Benehmen bleiben bestehen, Gelbe oder Rote Karten für spielbezogene Vergehen werden gestrichen.
Schiedsrichter sollen Handeln deutlich machen
Im Handbuch für die Video-Assistenten werden die Schiedsrichter außerdem angewiesen, die Änderung oder Rücknahme einer persönlichen Strafe für ihre Assistenten, die Spieler, die Trainer und die Zuschauer ausreichend deutlich zu machen.
Das ist besonders wichtig, wenn eine Gelbe Karte zurückgenommen wird. Schließlich sollen keine Missverständnisse entstehen, wenn derselbe Spieler später eine gültige Verwarnung erhält, aber richtigerweise nicht mit der Gelb-Roten Karte des Feldes verwiesen wird.
In Mainz hat Markus Schmidt die Gelbe Karte gegen Kaan Ayhan nicht revidiert. Das bedeutet, dass der Unparteiische dessen Einsteigen gegen Latza nicht nur als taktisches Foul gewertet hatte, sondern als Rücksichtslosigkeit. Und das war auch nachvollziehbar.
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