Im turbulenten Spiel zwischen Hertha BSC und RB Leipzig stellt sich dem Unparteiischen gleich viermal in schwierigen Situationen die Frage: Verwarnung oder Feldverweis? Dreimal beantwortet er sie sofort richtig, nur in einem Fall braucht er die Hilfe des Video-Assistenten.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne
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Zwar endete die letzte Partie des 23. Spieltags der Fußball-Bundesliga zwischen Hertha BSC und RB Leipzig mit dem klaren Resultat von 6:1 für die Gäste. Doch das bedeutet nicht, dass Schiedsrichter Patrick Ittrich einen entspannten Abend ohne große Anforderungen im Olympiastadion hatte.

Ihm stellte sich vielmehr gleich in vier Situationen die Frage: Gelb oder Rot? Die erste davon ereignete sich schon nach 25 Minuten, als der Berliner Marco Richter nach einem schlecht getimten Rückpass der Leipziger in einen Zweikampf mit Willi Orban ging und dabei engagiert zum Tackling ansetzte.

Der Kapitän der Ostdeutschen erreichte den Ball jedoch vor Richter, der Herthaner kam einen Tick zu spät und räumte seinen Gegenspieler dadurch mit reichlich Schwung ab. Es war ein Foulspiel mit einer gewissen Intensität, Orban musste danach auf dem Feld versorgt werden, das Fernsehen zeigte sein lädiertes Schienbein.

Richter war allerdings nicht mit durchgestrecktem Bein voraus in den Zweikampf gegangen und hatte den Leipziger auch nicht mit der offenen Sohle zu Boden gebracht, sondern nur mit der Fußseite und den Beinen. Dieses Trefferbild, wie die Schiedsrichter es nennen, ließ die Gelbe Karte, die Ittrich zeigte, als angemessen erscheinen.

Richter und Gvardiol werden zu Recht nur verwarnt

Denn das Foul war rücksichtslos, aber noch nicht brutal; Kommentatoren sprechen in solchen Fällen oft von einem "dunkelgelben" Vergehen. Video-Assistent Benjamin Brand brauchte jedenfalls nicht einzugreifen.

Genauso wenig wie in der 34. Minute, als erneut Marco Richter beteiligt war, diesmal aber als Opfer: Nach einem Zuspiel von Vladimir Darida hielt ihn der Leipziger Josko Gvardiol am Arm fest und brachte ihn dadurch kurz vor dem Strafraum der Gäste in zentraler Position zu Fall.

Die Berliner wollten eine "Notbremse" erkannt haben und plädierten deshalb vehement für eine Rote Karte. Doch Ittrich beließ es bei einer Verwarnung für Gvardiol. Auch das war korrekt, denn eine glasklare Torchance hatte der Leipziger nicht vereitelt.

Schließlich hätte Richter den Ball erst einmal erreichen und sich dabei gegen Gvardiols Mitspieler Mohamed Simakan durchsetzen müssen. Somit lag, um es in der Sprache der Fußballregeln auszudrücken, nur die Unterbindung eines aussichtsreichen Angriffs vor, das ist sozusagen die kleine Schwester der "Notbremse".

Und für die ist nur die Gelbe Karte vorgesehen. Patrick Ittrich hatte bei seinem Bundesliga-Comeback nach mehrwöchiger verletzungs- und krankheitsbedingter Pause also auch in der zweiten kniffligen spielrelevanten Situation richtig entschieden.

Kempf zieht die Notbremse und sieht Rot

In der 62. Minute gelang dem Unparteiischen aus Hamburg gewissermaßen der Hattrick. Bei einem Leipziger Angriff nahm Christopher Nkunku den Ball nach einem Zuspiel auf und lief an Marc-Oliver Kempf vorbei zentral in den Strafraum der Hausherren. Anders als in der Situation nach 34 Minuten war allerdings kein weiterer Abwehrspieler in der Nähe, der hätte eingreifen können.

Kempf hatte Nkunku bereits außerhalb des Strafraums festgehalten. Auf der Strafraumgrenze ließ er ihn für einen kurzen Moment los, um ihn jedoch sofort danach am Bauch zu umklammern und ihn so zu Boden zu bringen. Ittrich entschied zu Recht auf Strafstoß und Feldverweis.

Mancher mag sich gefragt haben, ob das Halten nicht dort hätte geahndet werden müssen, wo es begann, also außerhalb des Strafraums und entsprechend mit einem Freistoß zur Folge.

Doch im Regelwerk heißt es unmissverständlich: "Wenn ein Verteidiger einen Angreifer außerhalb des Strafraums zu halten beginnt und ihn bis in den Strafraum weiter festhält, entscheidet der Schiedsrichter auf Strafstoß."

Neben dem Elfmeter war auch die Rote Karte zwingend, weil Kempf eine offensichtliche Torchance der Leipziger zunichtegemacht hatte. Und das nicht etwa beim Versuch, den Ball zu spielen – was bei einer "Notbremse" im Strafraum nur eine Gelbe Karte nach sich ziehen würde –, sondern durch ein Vergehen, das rein gegnerorientiert war.

Der VAR bewahrt die Hertha vor einer weiteren Roten Karte

Sechs Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit kam es zunächst zu einem weiteren Feldverweis gegen die Hertha, nachdem Santiago Ascacíbar bei einem Konter der Leipziger den davoneilenden Yussuf Poulsen mit einer Grätsche von hinten zu Fall gebracht hatte.

In der Realgeschwindigkeit sah das Foulspiel äußerst rüde aus, offenkundig auch für Patrick Ittrich, der Ascacíbar ohne zu zögern die Rote Karte zeigte. In den Wiederholungen jedoch erkannte man gut, dass sich die Angelegenheit als nicht ganz so schwerwiegend darstellte, wie sie es auf den ersten Blick zu sein schien.

Ascacíbar hatte den Ball beim Tackling nur knapp verfehlt und Poulsen nicht mit den Stollen an der Achillessehne getroffen, sondern lediglich mit dem Oberschenkel des ausgestreckten Beines seitlich am Fuß.

Damit handelte es sich eindeutig nicht um ein feldverweiswürdiges Foulspiel, sondern nur um ein rücksichtsloses Vergehen. Richtigerweise griff deshalb der VAR ein und empfahl dem Schiedsrichter ein On-Field-Review.

Ittrich schaute nur ganz kurz auf den Monitor, dann nahm er die Rote Karte zurück und ersetzte sie durch eine Gelbe. Darüber hinaus gab es ein kurzes Shakehands zwischen dem Referee und Ascacíbar – eine so spontane wie bemerkenswerte Bitte um Entschuldigung vonseiten des Unparteiischen.

In dieser konkreten Situation waren die Gesamtumstände gleichwohl nicht so, dass die ursprüngliche Entscheidung wie ein schwerwiegender Fehler wirkte, den der Spielleiter zu bedauern gehabt hätte. Dafür war sie auf den ersten Blick zu verständlich und nachvollziehbar.

Eher waren der Rat zum Review und die anschließende schnelle Änderung der Entscheidung der Ausdruck einer guten Kooperation im Team der Unparteiischen, zu dem eben auch der VAR in Köln gehört.

Patrick Ittrich hat bei seiner Rückkehr ins Oberhaus jedenfalls überzeugt. Nicht nur in den erwähnten kniffligen Situationen, sondern auch durch seine kommunikative Art, die dieser manchmal aufgeregten Partie wirklich guttat.

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