Turbulent geht es in den Topspielen der ersten und zweiten Liga zu: Bei der Partie in Köln ändert der Unparteiische nach einem Eingriff des VAR eine Entscheidung, die eigentlich nicht falsch ist. In Bremen wiederum annulliert der Schiedsrichter ein Tor, nachdem ein Spieler eklatante Regelschwächen zeigt.
Im Kölner Stadtteil Deutz ist das Video-Assist-Center beheimatet, landläufig auch als "Kölner Keller" bezeichnet. Dort versah Robert Hartmann am Samstagabend im Topspiel zwischen dem 1. FC Köln und RB Leipzig (1:1), das nur wenige Kilometer entfernt stattfand, seinen Dienst. Und er hatte einiges zu tun.
Gleich viermal – gleichmäßig verteilt auf beide Teams – stellte sich nach einem Tor die Frage: abseits oder nicht? Im heutigen Profifußball geht es dabei, anders als in früheren Jahren, meist nur um wenige Zentimeter. Das macht die Aufgabe für die Schiedsrichter-Assistenten an den Seitenlinien ausgesprochen schwer.
Zu selten wird dabei hervorgehoben, dass sie bei ihren diesbezüglichen Bewertungen eine beachtliche Trefferquote haben, die im Schnitt bei über 90 Prozent liegt. Auch in dieser Begegnung stimmten die Einschätzungen von Mark Borsch und Stefan Lupp, den beiden Helfern von Referee Felix Brych, selbst in kniffligen Situationen fast immer.
So konnte VAR Hartmann vermelden, dass den Toren des Leipzigers Dominik Szoboszlai (5. Minute) sowie der beiden Kölner Mark Uth (37. Minute) und Anthony Modeste (50. Minute) in der Tat, wie von den Assistenten angezeigt und von Schiedsrichter Brych übernommen, so enge wie strafbare Abseitsstellungen vorausgegangen waren.
Nur in der 67. Minute lag das Team der Unparteiischen daneben, als es ein Tor für die Gäste durch Emil Forsberg zunächst anerkannte: Der Leipziger hatte sich, wie die TV-Bilder zeigten, ebenfalls knapp im Abseits befunden. Der Treffer wurde deshalb nach dem VAR-Eingriff aberkannt.
Hat Uth nun Simakan gefoult – oder war es anders herum?
Umgekehrt lief es nach 54 Minuten: Hier annullierte der Unparteiische zunächst erneut ein Tor von Modeste, weil es nach seiner Wahrnehmung unmittelbar zuvor ein Foulspiel von Mark Uth an Mohamed Simakan gegeben hatte.
Doch der VAR empfahl seinem Kollegen auf dem Feld nach der Überprüfung dieser Entscheidung ein On-Field-Review, das den Referee schließlich seine Meinung ändern ließ: Nach längerer Begutachtung der Bilder gab er den Treffer zum 1:0 für die Kölner doch noch. Die Leipziger brachten nur wenig Verständnis dafür auf, dass sich der VAR eingeschaltet hatte.
Nicht nur für Trainer Jesse March war die ursprüngliche Entscheidung zumindest nicht klar und offensichtlich falsch. Tatsächlich spielte sich der Zweikampf zwischen Uth und Simakan im Graubereich ab: Hatte Uth sein Bein ohne Chance auf den Ball in die Schussbewegung des Leipzigers gebracht und so auf unfaire Weise dafür gesorgt, dass dessen Klärungsversuch missriet? Oder war es dem Kölner nicht vorzuwerfen, dass Simakan die Kugel nicht richtig traf?
Brychs ursprüngliche Entscheidung ist nicht eindeutig falsch
Felix Brych erklärte im Aktuellen Sportstudio des ZDF, warum er seine Entscheidung geändert hatte. "Auf dem Platz sah es aus wie ein Foul", sagte er. "Ich dachte, dass der Kölner Stürmer den Leipziger am Klärungsversuch gehindert hat."
Am Bildschirm habe er dann jedoch gesehen, "dass der Kölner einfach eher in der Aktion war und der Leipziger beim Ausholversuch den Kölner getroffen oder gestreift hat". Deshalb könne man "maximal von einem Kontakt reden, aber das ist kein Foul, und das Tor musste zählen".
Es war aus Brychs abschließender Sicht also Simakan, der den Kontakt initiiert hatte, nicht Uth. Das ist eine nachvollziehbare Bewertung. Dennoch stellt sich Frage, ob die ursprüngliche Entscheidung wirklich so eindeutig unhaltbar und unbegründbar war, dass der VAR zu einem Eingriff gezwungen war.
Und das nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass der Unparteiische ziemlich viel Zeit am Monitor verbrachte, bevor er zu seinem finalen Urteil kam. Klar und offensichtlich geirrt hatte er sich also eigentlich nicht, zumal der Ball für Uth in dieser Situation nicht spielbar war.
Beide Kapitäne vom Platz gestellt
Das Nordduell zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV (0:2) in der Zweiten Bundesliga bereitete dem Schiedsrichter unterdessen noch mehr Arbeit als seinem Kollegen das Spitzenspiel im Oberhaus. Sascha Stegemann stellte beispielsweise beide Kapitäne mit Gelb-Rot vom Platz.
Der Bremer Christian Groß sah die "Ampelkarte" für ein rabiates Einsteigen gegen den Gästetorwart, der Hamburger Christian Schonlau dafür, dass er einen Gegner kurz vor dem Strafraum auflaufen ließ und so einen aussichtsreichen Angriff unterband. Beide Platzverweise waren berechtigt.
Ebenso richtig war es, den vermeintlichen Ausgleichstreffer für die Gäste in der 42. Minute zu annullieren.
Mitchell Weisers Regelschwäche schadet den Bremern
Damit hatte er den vorgeschriebenen Mindestabstand von einem Meter unterschritten. Diese Abstandsregelung gilt seit dem Sommer 2019; sie wurde eingeführt, um dem bis dahin oft zu beobachtenden Gedränge und Geschiebe zwischen den Spielern in der Mauer und gegnerischen Akteuren ein Ende zu bereiten.
Verstöße werden mit einem indirekten Freistoß bestraft. Mitchell Weiser gab nach dem Spiel freimütig zu, diese Regel nicht gekannt zu haben. Seinem Team hat er damit den berühmten Bärendienst erwiesen.
Ducksch ärgerte sich jedoch nicht nur über seinen Teamkollegen, sondern auch über den Referee, allerdings in einer anderen Szene: Er selbst kam im Hamburger Strafraum nach 36 Minuten im Zweikampf mit Schonlau zu Fall, doch Sascha Stegemann zeigte sofort an, dass weitergespielt wird.
Warum es keinen Elfmeter für Bremen gab
Eine knifflige Situation: Der Bremer war nach einem Steilpass in der besseren Position, Schonlau hatte sich mit seinem linken Arm bei ihm eingehakt und ein bisschen gehalten, außerdem war es am Knie und am Fuß zu Kontakten gekommen.
Ducksch hatte seinerseits ebenfalls einen Arm eingesetzt, allerdings in geringerem Maße. Insgesamt sprach hier mehr für einen Elfmeter als dagegen, zumal der Hamburger Kapitän sich nicht bemüht hatte, an den Ball zu kommen.
Allerdings fehlte der Szene jene Eindeutigkeit, die den Schiedsrichter die im Falle eines Pfiffs erforderlichen Sanktionen – neben einem Strafstoß wäre hier wegen einer "Notbremse" auch eine Rote Karte fällig gewesen – mit Überzeugung hätte verhängen lassen. Vermutlich hat das auch der VAR so gesehen und deshalb nicht interveniert.
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