Eintracht Frankfurt spielt sein erstes DFB-Pokal-Finale seit elf Jahren, der letzte Titel liegt 29 Jahre zurück. Im Interview mit unserer Redaktion spricht der einstige Kult-Stürmer Jan-Aage Fjörtoft über den Mythos vom Main, die Leader-Qualitäten von Trainer Niko Kovac und Vorteile gegen den BVB.
Mit nur einem Tor machte sich Jan-Aage Fjörtoft einst unsterblich bei Eintracht Frankfurt. Am letzten Spieltag der Saison 1998/99 traf der Norweger zum 5:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern.
Nur durch dieses Tor hielt die Eintracht seinerzeit die Bundesliga.
Fjörtoft hat bei Eintracht Frankfurt Kultstatus
Der heute 50-Jährige genießt auch wegen seiner kecken Sprüche Kultstatus. So sagte der frühere Stürmer, dass sein damaliger Trainer Jörg Berger wohl auch die Titanic gerettet hätte.
Vor dem DFB-Pokal-Finale gegen Borussia Dortmund (Sa., 20 Uhr, im Liveticker) sprach Fjörtoft mit unserer Redaktion über Parallelen zwischen Berger und Niko Kovac sowie ein ganz spezielles Verhältnis zwischen Stadt und Verein.
Herr Fjörtoft, es wirkt, als bräuchte Frankfurt auch gegen den BVB einen Coach mit überdimensionalen Kräften.
Jan-Aage Fjörtoft: Es ist ja ein Klischee, aber: Ein Endspiel hat immer andere Regeln. Für jeden Frankfurter ist dieses Finale das Spiel seines Lebens.
Niko weiß aus seiner Erfahrung als Spieler heraus, wie man in solchen Spielen bestehen kann.
Gemäß Rückrundentabelle hat die Eintracht jedoch die Bilanz eines Absteigers.
Fjörtoft: Nachdem es anfangs so gut lief, hatte ich ja schon von der Champions League geträumt. Aber das Pokalfinale hat mit der Bundesliga nichts zu tun.
Nochmal: Jeder Frankfurter hat jetzt die große Chance, seinen Namen in die Geschichtsbücher zu schreiben. Ousmane Dembélé oder Christian Pulisic haben noch 15 Jahre Zeit dafür.
Ich hoffe, dass die Frankfurter nach Berlin kommen und sagen: Wir spielen ein Finale vor dieser fantastischen Kulisse. Das kann zusätzliche Energie freimachen.
Kovac ist genau der Richtige, um diese aus den Spielern herauszuholen.
Was zeichnet Kovac weiter aus?
Fjörtoft: Niko hatte schon als Spieler einen klaren Plan. Er hat Disziplin, weiß immer, was er will. Gerade in einem Verein wie der Eintracht und in einer Stadt wie Frankfurt brauchst du einen Trainer, der bei all dem Druck als Leader vorangeht.
Sie sprechen die Stadt an. Frankfurt ist wirtschaftlich stark, eine Finanzmetropole - müsste die Eintracht nicht viel mehr aus diesen Möglichkeiten machen?
Fjörtoft: Wo Leistung zählt, in der Firma, bei einer Fußballmannschaft, geht es nur über Menschen. Anfang der 1990er Jahre war der Klub nahe dran an der Spitze der Bundesliga.
Frankfurt hatte hervorragende Spieler wie Uwe Bein, Andreas Möller, Jörn Andersen oder Anthony Yeboah. Wenn jedoch Traditionsvereine über Jahre keinen Erfolg haben, ist das kein Pech mehr.
Du brauchst hervorragende Präsidenten, hervorragende Manager, hervorragende Trainer oder überragende Spieler. Das hatte Frankfurt alles nicht.
Du brauchst Typen, um so glaubwürdig zu sein, dass andere in dich investieren. Als ich bei der Eintracht war, war das einzige, was wir weniger hatten als Geld, Glaubwürdigkeit.
Sie sind viel im Ausland unterwegs. In England ist es das Normalste, dass ausländische Investoren einsteigen. Müsste sich die Bundesliga solchen Modellen mehr öffnen, um Klubs wie der Eintracht neue Möglichkeiten zu schaffen?
Fjörtoft: Nehmen Sie 1860. Da muss man nicht in München sitzen, um zu sehen, dass das ein Zirkus ist. Das sehe ich selbst aus Norwegen. Die 50+1-Regel in Deutschland ist sinnvoll.
Was wollen wir? Der FC Bayern hat bewiesen, wie man die 49 Prozent durch starke Partner sinnvoll verteilen kann. In England sind zum Beispiel die TV-Gelder viel höher. All das allein bringt aber keinen Erfolg.
Man sieht es an der Premier League. Das ist eine Katastrophe. Die Besitzer sind Ausländer, die Trainer sind Ausländer, die Manager sind Ausländer, viele Spieler keine Engländer und dann wundern sie sich, dass die Nationalmannschaft nicht erfolgreich ist.
Für was haben wir Fußball? Wenn ich nach Deutschland komme, sehe ich ausverkaufte Stadien, eine fantastische Stimmung, guten Fußball.
Dennoch müssen in Frankfurt fußballbegeisterte Väter und Mütter ihren Söhnen und Töchtern von einstmals großen Zeiten erzählen. Können Sie uns den Mythos vom Main bitte beschreiben?
Fjörtoft: Die Eintracht war schon immer eine Diva. Sie hatte gute Spieler, feinen Fußball gespielt, aber es hat nie für mehr gereicht.
Trainer wie Dragoslav Stepanovic oder Berger belebten den Mythos. Ein solcher Verein führt die ständige Debatte: Warum haben wir nicht mehr geschafft?
Und die Verbindung zwischen Stadt und Verein?
Fjörtoft: Wenn man Frankfurt von außen betrachtet, sieht man eine pulsierende Metropole, in die Menschen morgens zur Arbeit strömen und abends wieder heraus.
Die Frankfurter selber sind aber fußballverrückt. Sie stehen hinter der Eintracht. Wenn die Eintracht Spiele gewinnt, geht es nur noch um diesen Klub.
Wie bedeutsam wäre ein DFB-Pokalsieg vor diesem Hintergrund?
Fjörtoft: Das wäre natürlich das absolute Highlight. Aber wie sie feiern würden, kann ich Ihnen nicht mal sagen. Denn ich habe in Frankfurt nur Nicht-Abstiegspartys miterlebt.
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