An alle Fans, die tatsächlich eine Karte für das Champions-League-Finale Borussia Dortmund gegen den FC Bayern bekommen haben: Wie haben Sie es gemacht? Wen haben Sie bestochen? Können Sie zaubern? Naja, wie auch immer, es scheint, als wären Glückwünsche angebracht. Nicht nur dürfen Sie den historischen Kampf zweier deutscher Mannschaften um die europäische Krone live erleben, sondern können auch noch eine der aufregendsten Städte der Welt erkunden. Wie, Sie waren noch nie in London? Kein Problem, wir haben uns für Sie schon mal umgesehen:
Derzeit spielen sechs Londoner Fußballklubs in der Premier League. Das hat zur Folge, dass kaum eine Stadt derartig fußballerprobt ist, wie die Heimat der Queen. Dementsprechend viel gibt es für Fußballfans zu entdecken, zu unternehmen und zu genießen:
1) Der Klassiker: Die Pubs
"The Famous Cock", "The Red Cow", "The Prince Albert" und wie sie alle heißen. London ist voller Pubs, oder "watering holes", wie sie der Engländer auch gern leicht euphemistisch nennt. Denn Wasser wird dort kaum getrunken. Stattdessen fließen Bier und Cider (ursprünglich: Apfelschaumwein) in Strömen. Das Bier dürfte vor allem für die Bayern-Fans etwas gewöhnungsbedürftig sein. "Ale" ist ein bisschen dünn und ein bisschen lack - zumindest nach bayerischen Maßstäben. Doch es gibt Alternativen zu den englischen Marken. Das belgische Bier Stella Artois wird fast in jedem Pub ausgeschenkt und lässt sich ganz ordentlich trinken. Und wer sich diesem Kulturschock partout nicht aussetzen will: Die meisten Pubs servieren sogar Becks.
Cider ist ein bisschen süßer und besteht lang nicht mehr nur aus Äpfeln. Stattdessen gibt es jetzt auch so wilde Geschmacksrichtungen wie Birne oder rote Beere. Und das schmeckt tatsächlich.
Für besonders experimentierfreudige Fans und Freunde des holistischen kulturellen Erlebens halten die Pubs noch ein "Schmankerl" bereit: Der Snake Bite ist eine Mischung aus Apfelcider und Bier und wird ab und an noch mit schwarzem Johannisbeersaft versetzt. Das wohl berühmteste Rezept für den Snakebite liest sich im übrigen so: "1/2 Pint Bier, 1/2 Cider. Schütten Sie die Zutaten in ein Pint-Glas. Trinken Sie. Fallen Sie um."
Pubs gibt es eigentlich in ganz London. Nur in der Nähe des Wembley-Stadions irgendwie nicht. Das mag daran liegen, dass es für englische Verhältnisse fast schon in der Pampa liegt. Macht aber gar nichts. Vorglühen kann man auch super in der Londoner Innenstadt. Einfach am Piccadilly Circus aus der U-Bahn raus und schon ist man mitten in Soho und kann von einem Pub ins nächste fallen.
Ein Tipp muss allerdings schon noch sein: Wenn es um Stadionsicherheit geht, verstehen die Engländer nur sehr wenig Spaß - auch wenn sie das absolute Alkoholverbot um das Stadion herum für das Finale gelockert haben. Es ist also nicht besonders ratsam, sich vor dem Spiel bereits einen "Fetzenrausch", wie es in Bayern heißt, anzutrinken. Sonst besteht die Gefahr, tatsächlich nicht ins Stadion gelassen zu werden. Und das wäre ja zu schade.
2) Für die ganz Harten: Fuller's Brewery Tour
Irgendwann kommt in jedem London-Urlaub der Punkt, an dem man sich an die englische Getränkeauswahl gewöhnt hat. Angetrieben von der Euphorie des bevorstehenden Fußballabends könnte es im Fall von Bayern- und BVB-Fans sogar etwas schneller gehen. Und dann ist auch schon alles egal. Dann kann man sich auch gleich anschauen, wo dieses Getränk, dass man im Laufe der letzten Stunden so lieb gewonnen hat, eigentlich her kommt.
Eine der berühmtesten Brauereien in London ist Fuller's. Und praktischerweise gibt es dort auch eine "Brewery Tour". Für läppische zehn Pfund wird man durch die Brauerei geführt und darf danach auch noch das Bier testen. Und immerhin gehört das Bier ja auch irgendwie zur englischen Kultur dazu. Wenn die Leute zuhause dann wissen wollen, ob Sie in London auch "Kultur gemacht" hätten, können Sie diese Frage ruhigen Gewissens bejahen. Und dafür mussten Sie nicht mal in die National Gallery.
Tube-Station: Turnham Green
3) Die Einheimischen: "Gosh, I love German football"
Lange Zeit hatten die Engländer ein richtig großes Problem mit dem deutschen Fußball. Kein Wunder, bei so vielen Traumata und enttäuschten Hoffnungen. Inzwischen haben sich die Engländer aus der Rolle der beleidigten Leberwurst befreit und eine neue Identität zugelegt, die des uneingeschränkten Bewunderers. Also nicht wundern, wenn sich ein etwas raubeining aussehender Pub-Besucher plötzlich in Lobeshymnen über die Schönheit des deutschen Spiels ergeht. Je nachdem, wie gut Ihr Englisch ist, können Sie vielleicht mit dem ein oder anderen Kompliment über den englischen Fußball antworten. Wir würden Ihnen an dieser Stelle gerne einige Vorschläge für dieses Vorhaben nennen, aber uns fällt gerade spontan nichts ein. Aber mit der alten Devise "lächeln und nicken" können Sie eigentlich nicht viel falsch machen.
4) Sie haben kein Ticket?
Sie haben zwar kein Ticket, wollen das Finale aber trotzdem vor Ort erleben. Das ist eine hervorragende Idee und vor allem überhaupt kein Problem. Denn in kaum einer europäischen Stadt dürfte die Dichte der Etablissements, die gewillt sind ein Fußball-Spiel zu zeigen, höher liegen als in London. Da gäbe es natürlich zum einen die berühmten englischen Pubs (siehe 1.). Die puberprobten Engländer dürften dafür sorgen, dass die Stimmung dort stadionähnlich ist. Einziges Problem: Es gibt oft nur einen Fernseher. Sollten Sie also kein Zweimeterhüne sein, sei Ihnen eine Alternative ans Herz gelegt: An der U-Bahn-Station "Temple" gibt es die Bar "Walkabout". Dort hängen neben einer großen Leinwand so viele Fernseher, dass man das Spiel auch im letzten Eck des Lokals noch ziemlich gut verfolgen kann. Das Essen dort ist nicht großartig, aber absolut in Ordnung und vor allem bezahlbar. Trotzdem gilt hier, wie auch in allen anderen Pubs, lieber etwas früher kommen oder vorab reservieren und Sie können sich sicher sein, dass Sie keine Minute dieses Knallerspiels, auch bekannt als "Spiel der Spiele", "Schmankerlspiel" oder "die geilste Versuchung seit es Fußball gibt", verpassen. Praktischerweise verwandelt sich das "Walkabout" nach Abpfiff in einen Klub mit Tanzfläche. Einer schönen Feierei steht also nichts im Wege.
5) Pflichtprogramm: Sightseeing im Schnelldurchlauf
Big Ben (das ist die Glocke in dem Turm, nicht der Turm selbst), Westminster Abbey, das Parlament und das London Eye (dieses Riesenrad-Teil) kann man praktischerweise in einem Schwung abhandeln. Diese ganzen sogenannten "Must-Sees" befinden sich nämlich auf einem Haufen. Einfach an der Tube-Haltestelle "Westminster" raushüpfen, 34 Fotos machen, dann zurück in die selbe U-Bahn (sowohl District als auch Circle Line halten hier) und weiter bis zum "Tower Hill". Dort befinden sich, wie sollte es anders sein, der Tower of London (kein Turm!) und die Tower Bridge. Und weil man am Tower immer so derartig lang anstehen muss, haben Sie auch gleich die perfekte Ausrede parat, warum Sie sich dieses historische Bauwerk und vor allem die Kronjuwelen, die es beheimatet, nicht von innen angesehen haben.
Aber mal ganz davon abgesehen, falls Sie noch nie drin waren und sich auch nur ein klitzekleines bisschen für Geschichte interessieren, sollten sie wirklich zu einem ruhigeren Zeitpunkt zurückkehren und sich Londons Sehenswürdigkeiten in aller Ruhe zu Gemüte führen. Es lohnt sich!
6) Sonst noch: Das Uefa-Champions-League-Fan-Fest-Dings
Bayern-Fans können jetzt mal ganz cool mit den Schultern zucken: "Das war doch letztes Jahr schon in München." Stimmt. Aber dieses Mal ist es in London. Also ist es etwas komplett anderes. Weil das Ding noch nicht stand, als wir dort waren, ist es uns nicht möglich fundierte Erfahrungen zu schildern. Deshalb müssen Sie sich leider selbst ein Bild machen. Das Ganze findet im "International Quarter" in Stratford City, nahe dem Queen Elizabeth Olympia Park, statt. Und das Programm hört sich jetzt auch nicht total langweilig an, immerhin gibt es Geschicklichkeitswettbewerbe, Futsal-Turniere und ein Altstar-Match am Samstag. Also bevor Ihnen tatsächlich fad werden sollte - auch wenn Sie dann irgendetwas falsch gemacht haben - schauen Sie doch vorbei: Beim "viertägigen Fußballfest mit zahlreichen familienfreundlichen Veranstaltungen und Aktivitäten" (de.uefa.com).
7) Der Morgen danach
Wir machen uns da keine Illusionen. Ganz egal, ob Ihre Mannschaft gewinnt oder verliert, es wird mit halbwegs großer Sicherheit zum Konsum alkoholischer Getränke kommen. Damit Sie den nächsten Tag halbwegs sinnvoll überstehen, raten wir Ihnen, es einfach den Engländern gleichzutun und sich ein richtig fettiges English Breakfast zu gönnen. Das besteht traditionell aus Rührei, Baked Beans, gegrillten Tomaten und Champignons, Bacon, Cumberland Würsten und Toast. Der erste Bissen wird noch nicht so richtig flutschen, auch der zweite könnte noch Probleme verursachen, aber glauben Sie uns, schon ab dem dritten Bissen werden Sie eine merkliche Besserung Ihres Katerzustandes feststellen. Wenn es um "hangover food" geht, wissen die Engländer einfach, was sie tun. Und das Praktische ist, es wird fast in jedem Pub (siehe 1.) serviert.
Bevor wir hiermit unseren London-Guide für Fußballfans abschließen, noch ein Kuriosum am Rande. Ein Duell hat Borussia Dortmund nämlich schon gewonnen. In einem Secondhand-Laden nahe der Brick Lane werden alte Fußballtrikots verkauft - auch von Bayern und Dortmund. Das wunderschöne 90er-Jahre-Jersey der Bayern gibt es dort für läppische 120 Pfund. Ein BVB-Trikot scheint jedoch deutlich höher im Kurs zu liegen. Ganze 50 Pfund mehr, muss man dafür hinblättern. Andererseits kostet auch das Shirt des 1. FC Kaiserslautern bereits 100 Euro, also vielleicht ist diese Art der Währung doch nicht besonders aussagekräftig. Sie zeigt jedoch eines deutlich: Der deutsche Fußball liegt bei den Engländern sehr hoch im Kurs.
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