Der FC Bayern bleibt beim 1:0 im Viertelfinalhinspiel der Champions League auch gegen Benfica Lissabon seinem neuen Hang zum Minimalismus treu. Pep Guardiolas Mannschaft geht die heiße Phase der Saison nicht mehr überbordend, aber konzentriert an. Und auch wenn momentan nicht mehr alles so glatt läuft: Die Konstanz in den Ergebnissen und die Aussicht auf die Rückkehr der letzten Verletzten sind positive Signale.

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Zunächst ein wenig Statistik: Der FC Bayern hat erstmals seit über zwei Jahren wieder ein Hinspiel einer Champions-League-K.o.-Runde gewonnen.

Man mag das kaum glauben angesichts der Vehemenz, mit der die Münchener ansonsten durch die Wettbewerbe fliegen.

Und wenn man jene Spielrunden betrachtet, in denen sich die Bayern dann im Rückspiel noch weiterkämpfen konnten, lassen sich folgende Hinspielresultate finden: 1:1, 0:0, 1:3, 2:2.

Insofern haben sich die Bayern mit dem 1:0 (1:0) über Benfica Lissabon deutlich verbessert und sich eine durchaus komfortable Ausgangsposition für das Rückspiel in sieben Tagen in Lissabon geschaffen.

Nur: Von den Super-Bayern mit ihrem Super-Trainer und ihrem Super-Fußball ist man seit fast drei Jahren eben auch anderes gewohnt, als ein vergleichsweise schnödes 1:0 gegen Benfica.

In der Hinrunde fegten die Bayern nur so über ihre Gegner hinweg, zermalmten Champions-League- und Bundesliga-Gegner mit vier oder fünf Toren Unterschied.

Pep Guardiola macht es wie Felix Magath

Nun hat Pep Guardiolas Mannschaft offenbar herausgefunden, dass es auch für das knappste aller Resultate drei Punkte gibt, beziehungsweise eine vernünftige Ausgangslage in einer K.o.-Runde.

Dreimal in Serie siegten die Münchener nun mit 1:0, das gab es zuletzt vor elf Jahren. Da hieß der Trainer nicht Pep Guardiola, sondern Felix Magath. Und der stand nun wahrlich für soliden Minimalistenfußball.

Nach 15 Pflichtspielen in der Rückrunde stehen für die Bayern 30 erzielte Treffer zu Buche.

Das macht zwar immer noch zwei Tore pro Partie, ist aber im Vergleich zur Vorrunde eine geradezu mickrige Bilanz. 47 Tore waren es da in den ersten 15 Pflichtspielen, also mehr als drei pro Spiel.

Das mag zum einen an der Qualität der Gegner in den Pokalwettbewerben liegen, noch mehr aber daran, dass die Bayern auf dem Weg zu einer gesunden Nüchternheit scheinen.

Mit den Partien gegen Benfica, zwei Schritte vor den Halbfinals in der Königsklasse, beginnt für die Bayern jetzt eigentlich erst so richtig ihre Saison.

Bald steht das Halbfinale im DFB-Pokal an, in der Bundesliga gilt es den Fünf-Punkte-Vorsprung vor der besonders hartnäckigen Dortmunder Borussia zu verteidigen - und es ist derzeit nicht davon auszugehen, dass der BVB bis zum Ende überhaupt noch einen einzigen Punkt hergibt.

Es ist also besonders große Vorsicht geboten für die Bayern. Und genau das zeigen sie derzeit mit ihren größtenteils konzentrierten, aber eben nicht mehr berauschenden Vorstellungen.

Müller: "Ein bisschen mehr Feingeist oder Esprit oder Geilheit"

"Wir wollten auf keinen Fall zu viel riskieren", sagte Thomas Müller nach dem Spiel gegen Portugals Rekordmeister. "So können wir mit dem Ergebnis gut nach Lissabon fahren. Wir müssen mit derselben Konzentration ins Rückspiel gehen und da vielleicht noch ein bisschen mehr Feingeist oder Esprit oder Geilheit wie auch immer man das nennen mag, an den Tag legen."

Sein Trainer machte es sich auf der Pressekonferenz nach dem Spiel ebenfalls hinter dem 1:0 bequem.

"Das ist ein knappes Ergebnis. Aber es ist okay", sagte Guardiola, der nicht nur einen Wandel im Spiel seiner Mannschaft akzeptiert hat, sondern auch die Tatsache, dass ein gewisser Pragmatismus in der Crunchtime der Saison nicht schaden kann.

Die Bayern haben ihr sportliches Nahtod-Erlebnis beim Rückspiel gegen Juventus überstanden, jetzt dosieren sie offenbar ihre Kräfte, ausgerichtet an der Schwere des Gegners.

Benfica hat nach einer wilden Anfangsphase in München ein ordentliches Auswärtsspiel abgeliefert, die Bayern waren in einigen Phasen fahrig und wenig zielstrebig.

Und trotzdem hatten die Portugiesen nur einen Schuss aufs Münchener Tor, gleichbedeutend mit der einzigen echten Torchance.

Und schließlich waren es die Bayern, die das zweite oder dritte Tor versäumten, als sie ihre Konterchancen in der Schlussphase schlampig zu Ende spielten.

Unterm Strich steht ein knappes Ergebnis nach einer Partie, die die Bayern trotz aller Defizite gut kontrollierten.

An das Spektakel gewöhnt

Der Fluch der guten Tat schlägt in der Wahrnehmung der Mannschaft gerade wuchtig durch. Man hat sich zu sehr an das Spektakel gewöhnt, an vier, fünf, sechs Bayern-Tore in 90 Minuten und vergisst dabei offenbar ein wenig, das im Viertelfinale der Champions League "auch mal ein 1:0 reichen muss", wie es Manuel Neuer formulierte.

Die neu gelebte Knauserigkeit der Bayern sollte die Konkurrenz vielleicht eher mit Skepsis als vorsichtigem Optimismus registrieren.

Der FC Bayern bereitet sich auf die entscheidenden Wochen der Saison vor und es hat ein wenig den Anschein, als würden die Bayern derzeit sprichwörtlich nur so hoch springen, wie sie eben müssen - und dann zur richtigen Zeit explodieren zu können? Gegen Barca, Real, Paris oder den BVB im Pokalfinale…

Mit ein wenig Glück sind die Bayern dann personell so üppig besetzt wie noch nie in Guardiolas Amtszeit.

Javi Martinez tastet sich langsam wieder an die erste Elf heran, Mario Götze wird in bestimmten Spielphasen noch wichtig werden, Arturo Vidal nähert sich seiner Bestform.

Und bei Jerome Boateng und Arjen Robben könnte es bis zum möglichen ersten Halbfinale Ende April auch reichen.

Die Aussichten könnten schlechter sein, auch wenn bei den Bayern derzeit vielleicht nicht alles nach Plan läuft.

Aber noch ist alles im Lot. Und ein 1:0 zu Hause gegen Benfica ist ein gutes Ergebnis.

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